Streben nach der Erkenntnis. Klaus Eulenberger

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Streben nach der Erkenntnis - Klaus Eulenberger

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davon, was du vorhast? Er ist doch zurzeit zu einer Weiterbildung in Chemnitz.“

      „Liebste Gretel, was redest du denn jetzt über meinen Mann? Heute zum Faschingsdienstag geht es doch nur um uns, viel Spaß, tanzen und schönen Wein trinken.“

      „Susi und Anne, ihr dürft aber nicht vergessen, dass die Ursula und ich hier stramm zu arbeiten haben.“ Ursula nickte energisch und pflichtgemäß. „Genau so ist das!“

      „Ich will euch beiden Superbeamten nur mal Folgendes sagen. Bei uns im Rheinland machen Leute wegen Fasching drei Wochen Urlaub. Ihr könnt ja mal den Jupp dazu fragen. Da machen wir es eben so – jetzt ist es 13 : 00 Uhr. Ihr beiden macht 14 : 00 Uhr Schluss und arbeitet später die zwei Stunden nach.“ Sofort rief Ursula aufgeregt: „Mit mir auf keinen Fall! Ich habe den Termin vom Kreisamt bis morgen! Lasst mich bitte in Ruhe mit eurem Rumgespringe und dem Getöse. Ich habe daran absolut kein Interesse!“ Jetzt zwitscherten die beiden jungen Damen. „Aber du, Gretel, auf jeden Fall bist du dabei. Wir haben uns auch schon überlegt, als was du gehen solltest.“

      „Ja, das interessiert mich.“

      „Du könntest als Spanierin gehen. Ich habe in unserer Wohnung dazu fast ein komplettes Kostüm liegen. Freust du dich?“

      Am nächsten Tag hatten wir erst 10 : 00 Uhr Schulbeginn, da die Schabracken erkrankt war. Im Allgemeinen weckte mich Mutti, wir frühstückten zusammen, danach marschierte sie in das Gemeindeamt und ich in die Schule. An diesem Morgen war offensichtlich alles anders. Ich wurde durch lautes Rufen und Klopfen an unser Fenster in der Stube im Erdgeschoss geweckt, sah, wie sich Mutti aus dem Bett quälte, dabei stöhnte und ächzte. Sie ging zu dem Fenster und öffnete es. Draußen stand, vollkommen aufgeregt und aufgelöst, Ursula. „Gretel, die ersten Bauern sind schon da. Um Himmels willen – was ist denn los mit dir?“ Mutti stand da wie eine Bogenlampe. Sie schwankte. Auf dem Kopf hatte sie unheimlich viel Haarwickel, welche notdürftig von einem hellblauen Netz, welches offensichtlich die Haare zusammenhalten sollte, überspannt waren, was nur notdürftig gelang. Diese chaotische Situation mit herabhängendem Haarnetz um ihren Kopf herum, hatte ich schon häufig bei ihr gesehen und kopfschüttelnd meinen Kommentar in etwa so gegeben: „Weißt du, Mutti, mit deiner Sturmhaube und den vielen Wickeln siehst du aus wie eine Eule. Ich habe mal Bilder von Panzerfahrern gesehen – die haben Ledermützen auf, wo auch solche wickelähnlichen Lederpuffer angebracht sind, damit sie sich nicht im Inneren des Panzers an den vielen Ecken und Kanten stoßen können. Kannst du dir nicht, bei Gelegenheit mal, eine andere Gestaltung für dein oberstes Ende vom Kopf einfallen lassen?“ Mir kam es vor, als wenn sie ihr Gleichgewicht nicht halten konnte und kurz vor dem Umfallen war. Mutti war schlank und hielt sich sonst immer sehr gerade – heute kam sie mir eher wie ein Fragezeichen vor. Ich schaute sie mir näher an – sie sah blass und irgendwie zerknittert aus. Die Augen lagen tief in den Höhlen, die Ringe unter den Augen waren dunkel. So richtig war das nicht meine Mutti, zumindest so, wie ich sie kannte. „Was ist denn los Mutti?“, hängte ich mich in die Absprache mit Frau Walther hinein. Zu Ursula gewandt, sagte sie: „Kleinen Moment, liebste Ursula – am besten du hörst einmal zu, was ich zu erzählen habe.“ Sie drehte sich halb zu mir hin. „Was soll denn los sein, Klausmann? Wir haben bis 2 : 00 Uhr gefeiert und ich habe unheimlich viel Wein, Bier und auch Schnaps getrunken. Die Susi hat mir noch eine Zigarre angedreht. Mir geht es gar nicht gut, habe schon zweimal gebrochen. Ich muss mich sofort wieder hinlegen, aber erst einmal muss ich die Ursula beruhigen.“

      „Gretel, was machst du denn für Sachen? Wir können doch froh sein, dass wir die feine Einstellung im Gemeindeamt haben, müssen uns aber auch danach verhalten. Du weißt doch, dass ich heute Termin gegenüber dem Kreisamt habe und dazu die Aussagen der Bauern brauche.“

      „Sie haben ja so recht, Frau Bürgermeister! Ich werde es auch nie wieder tun!“

      „Du immer mit deinem Quatsch, von wegen Bürgermeister. Ich tue nur mein Bestes!“

      „Für mich bist du der eigentliche Bürgermeister, Ursula. Das weißt du auch ganz genau. Sei doch bitte so lieb und regle das mit den Bauern. Ich verspreche dir auch, dass ich morgen nicht erst um acht, sondern bereits um sieben im Gemeindeamt bin. Tschüss, meine Ursula. Ich muss mich schnell wieder hinlegen, mir wird schon wieder ganz schwindlig.“ Ich führte Mutti zu ihrem Bett. Als sie lag, sagte sie: „Hole mir doch bitte mal ein großes Glas mit Wasser, aber kalt muss es sein!“ Als ich mit eisgekühltem Wasser wieder an ihrem Bett stand, war sie bereits wieder eingeschlafen. Sie war offensichtlich fix und fertig.

      In unserem neuen Zuhause hatten meine Eltern urplötzlich wahnsinnig viele neue Bekannte. Manchmal, vor allem abends, wenn alle von Arbeit kamen, war es bei uns wie in einem Taubenschlag. Eine Taube kam, plapperte mit den anderen, flog wieder weg, kam wieder und blieb länger. Zwischendurch kamen viele andere und plapperten ebenfalls wild durcheinander. Mitunter war das Chaos perfekt. Dieses Taubenschlagmilieu gefiel aber meinen Eltern offensichtlich sehr. Selbst wenn sie müde waren und plötzlich an das Fenster geklopft wurde (wie damals Ursula), waren sie stets freudig bereit, den Begehrenden Einlass zu gewähren. Allerdings fiel mir (selten, aber immerhin) auf, dass sie doch ab und an einmal die Augen verdrehten und ich hörte leises, stöhnendes Geflüster. „Ach, die schon wieder. Muss das sein?“ Ging aber die Tür auf und der- oder diejenige trat ein, gab es stets ein freudiges Begrüßungsgezwitscher von Mutti oder Vati oder beiden. Meist füllte sich der Taubenschlag ganz rasch und vor allem Mama flitzte dann geschäftig hin und her. „Moment mal, wir haben doch den schönen Hagebuttenwein in Arbeit. Der müsste fast ausgegoren sein. Einverstanden? Wir probieren den einfach einmal. Das wird ein Spaß!“ Die Gästetauben klatschten begeistert Beifall – schließlich wurden sie mit etwas köstlich Trinkbarem bewirtet. Am häufigsten flatterten die zwei Schäfer-Tauben herein, dies waren der Schäfer, Bernd und seine Frau Leni. Während er mit ruhigem Flügelschlag in das Taubenzentrum einflog, war das bei seiner Frau ganz anders. Wahnsinnig hochfrequente Flügelschläge und dazu ständiges Geplapper, sprich Gezwitscher, kündigten ihr Kommen an. War sie da, erstarben alle anderen Gespräche, da sie sich sofort in den Mittelpunkt stellte und jede bisherige Rede übertönte und im Keim erstickte. Ein ganz behäbiger Tauberich kam langsam und mit müden Flügelschlägen daher. Das war der Opel, Hugo, seines Zeichens Förster und eingefleischter Junggeselle. Ursula war auch dabei, fehlte allerdings häufig – weshalb wohl? Richtig, sie hatte natürlich wieder eine Erfassung oder irgendeine andere Zuarbeit im Gemeindeamt für das Kreisamt zu leisten. Ohne meiner Mutti wehtun zu wollen, sah es manchmal so aus, als wenn diese die Einzige sei, die im Gemeindeamt Leistung erbrachte. So war aber der Taubenschlag noch nicht komplett. Es fehlten noch der Schuldirektor Jesus, Jonas mit seiner Frau und der Hartmann, Hagen, der Biolehrer, mit seiner Gerdi. Diese vier kamen auch normal dahergeflogen. Der einzige Vitale im Kommunizieren und Plappern, manchmal auch aufgeregt zwitschernd, war der Jesus, Jonas. Das nützte ihm aber nichts, denn er kam ja sowieso bei dem Tatütata und Gezwitscher der Schäfer, Leni nicht zum Auftreffen. Damals war ich als kleiner Steppke bei diesen Treffen der lebenshungrigen und -lustigen Leute des Taubenschlags mehr im Wege, denn dass die Taubengesellschaft sich für mich interessiert hätte. Natürlich wurde ich häufig angesprochen, so zum Beispiel vom Schäfer, Bernd. „Ach, hier ist ja der Absenker von Eulens, die kleine Eule. Wie geht es dir denn, Klaus? Kommst du gut in der Schule klar, oder musst du dich über den Hartmann, Hagen und den Jesus, Jonas immer sehr ärgern? Ich könnte mir das an deiner Stelle sehr lebhaft vorstellen, denn die Lehrer sind ja für die Schüler immer eine Last. Ohne die könnte es in der Schule zehnmal besser sein!“ Die beiden Lehrer zogen die Stirn in Falten. „Schade, dass du nicht mehr als Schüler bei uns bist. Dich würden wir schon in die Mangel nehmen, du fauler Sack. Als Hausaufgaben würden wir dir aufgeben, tausend Mal zu schreiben: Ich darf nicht böse und schlecht über meine Lehrer Hartmann, Hagen und Jesus, Jonas sprechen! Sollte dies noch einmal vorkommen, so werde ich jeden Tag die Schuhe meiner Lehrer wunderbar sauber putzen!“

      Dann war aber meist schon die Aufmerksamkeit für mich erloschen und ich zog mich aus dem Taubenschlag mit seinem Gezwitscher und mir auf die Nerven gehendem Geplapper

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