»Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland. Werner Rosenzweig
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу »Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland - Werner Rosenzweig страница 10
*
Ahmets siebzehnjährige Tochter Akgül saß heulend und verängstigt in einem tiefen, roten Plüschsessel. Sie hatte gegen das ungeschriebene Gesetz der Özkans verstoßen, indem sie in kompromittierender, unzüchtiger Weise mit einem jungen, deutschen Mann gesehen worden war. Heiße Tränen rannen ihr ohne Unterlass aus ihren kohlschwarzen Augen. Ihr zarter, feingliedriger Körper bebte und wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. Ihr gegenüber, auf dem roten Sofa, saßen ihr wutentbrannter Vater und ihr ebenso wütender zwanzigjähriger Bruder Kemal, der gerade heftig auf sie einredete.
»Was du glaubst du bist? Eine Hure! Bringst Schande über die ganze Familie und Schande über Müselüm. Muss Müselüm von Dorfburschen erfahren, dass du hast deutschen Freund? Ich dich schlagen tot, wenn nix ist Ruhe damit! Sieh an Vater Ahmet, wie traurig und wütend ist. Du bist Türkin und nix deutsches Mädchen. Nix deutsche Freund. Ist kein Moslem. Nix glauben an Allah und Propheten. Ist ungläubig. Was er haben gemacht mit dir?«
Bei diesen Worten zuckte Akgüls Oberkörper wieder wie unter Peitschenhieben zusammen. Mit tränenerstickter, leiser Stimme antwortete sie: »Nix gemacht mit Walter, nur geküsst.«
»Schweig«, herrschte sie nun ihr Vater an, »ich will nix hören Name von deutsche Teufel.
In der Küche brach nun auch Kamuran Özkan, Akgüls Mutter, in Tränen aus. Sie konnte die lauten, an ihre Tochter gerichteten Beschuldigungen deutlich vernehmen. Sie rückte ihr buntes Kopftuch zurecht und hielt die gefalteten Hände zur Decke gestreckt. »Allahu akbar«, betete sie innbrünstig. Im Wohnzimmer brüllten Vater Ahmet und Sohn Kemal weiter auf ihre Tochter ein.
»Und nun, was du machst nun?«, wollten sie von ihr wissen.
»Ich nix lieben Müselüm«, versuchte Akgül sich zu verteidigen, »Müselüm ihr habt ausgesucht für mich. Zu alt für mich und hässlich, hat Nase wie krumme Gurke. Immer ich soll machen, was er sagt. Sagt ich soll Kopftuch tragen. Ich bin schön und nicht will bedecken mein schönes Haar. Nicht leben wie in achtzehntes Jahrhundert, wie in Urfa.«
»Müselüm hat recht, du nicht gekleidet wie türkisches Mädchen«, brüllte sie ihr Bruder an, »Hose an Arsch zu eng und Bluse zu durchsichtig. Kann jeder sehen deine Unterwäsche durch Stoff. Kann nicht glauben, dass deutscher Freund da nicht schon hat hingelangt. Vielleicht auch schon anderswo? Vielleicht du bist schon geöffnet und keine Jungfrau mehr? Müssen gehen zu Arzt und feststellen.«
»Nein«, kreischte Akgül verzweifelt, »das nicht stimmen, was du sagen. Du bist türkisches Männer-Arschloch. Macho.«
Sie reagierte zu spät, als ihr Bruder, wie von der Tarantel gestochen, über den kleinen Couchtisch hechtete, sein Glas, gefüllt mit aromatischem Apfeltee, verschüttete, und ihr einen kräftigen Faustschlag auf die rechte Wange hieb. Sein schwerer Metallring, den er am rechten Mittelfinger trug, riss ihre feine bronzefarbene Gesichtshaut auf, und augenblicklich war ihre weiße Bluse mit dicken Bluttropfen besprenkelt. Akgül schrie vor Schmerzen auf, und ihre Mutter stürzte aus der Küche herbei, um ihre Tochter in die Arme zu nehmen und sie vor weiteren Angriffen zu schützen.
»Weib, geh in Küche, hier kein Platz für dich!«, herrschte sie ihr Ehemann an.
6
Doris Kunstmann lebte noch zuhause bei ihren Eltern, in Röttenbach, in der Weiherstraße. Die achtzehnjährige Blondine, mit den himmelblauen Augen und der kräftigen Oberweite bereitete sich auf das Abitur vor, welches sie im kommenden Jahr mit Bravour bestehen wollte. Im Moment stand ihr der Sinn allerdings nicht nach Lernen, und ihr Interesse an der Schule war gerade in weite Ferne gerückt. Ausgerechnet ihre Intimfeindin, diese flachbrüstige, krummbeinige Hannelore Adam – wie konnte man nur Hannelore heißen? – hatte ihr mit höchster Schadenfreude die neueste Nachricht verkündet, welche sie noch immer nicht so recht glauben wollte: Ihr Walter solle angeblich seit Neuestem mit dieser türkischen Schlampe aus der Amselstraße liiert sein, diesem geilen Miststück. Wie hieß sie doch noch gleich? Akgül! Da war ja sogar Hannelore ein schönerer Name. Im fernen Coburg hat man die beiden gesehen, wie sie innig miteinander knutschten. Sie glaubte kein Wort davon. Sie musste sich selbst Sicherheit verschaffen. Jetzt, sofort. Ihre Gedanken kreisten hin und her. Walter hatte ihr doch immer wieder seine Liebe erklärt. Erst kürzlich. Vor zwei Wochen. Aber was besagt das? Es stimmt schon, in letzter Zeit hatte er sich immer rarer gemacht.
»Wenn du im Moment keine Zeit net hast, ist‘s net so schlimm«, waren seine Worte. »Die Matheschulaufgab ist im Moment wichtiger für dich. Nimm dir nur Zeit zum Lerna. Wir treffn uns halt danach wieder.«
Sie erinnerte sich an diesen Satz aus seinem Mund, und wieder wurde sie von heftigen Zweifeln geplagt. Die ganze unschöne Angelegenheit wühlte sie innerlich auf. Schlechte Nachrichten schlugen bei ihr immer auf das vegetative Nervensystem. Dann bekam sie meist Schwierigkeiten mit der Atmung, manchmal auch mit der Verdauung und dem Stoffwechsel. War das alles nur Süßholzraspeln, was Walter ihr kürzlich ins Ohr flüsterte? Nur leere Worte? Dachte er dabei bereits an das nächste Wiedersehen mit dieser türkischen Nutte? Nein, das konnte nicht sein. Ihr Walter war anders als die anderen jungen Männer. Er las ihr doch immer jeden Wunsch von den Augen ab, und er konnte so zärtlich sein, wenn er sie in die Arme nahm. Nein, Walter ging nicht fremd. Aber wer weiß, vielleicht hatte ihm dieses türkische Satansweib doch schöne Augen gemacht, und er ist auf sie hereingefallen? Sie sah ja extrem gut aus. So exotisch. Das musste man ihr lassen. Der Teufel in Person. Falls …, na dann konnte die was erleben. Sie würde ihr ihre schwarzen Glubschaugen auskratzen. Sie würde ihr ihren türkischen Arsch bis zum Gehtnichtmehr