Im Bann der bitteren Blätter. Manfred Eisner

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Im Bann der bitteren Blätter - Manfred Eisner

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liegen lassen, um zwei oder gar drei Monate – denn so lange würde man gewiss benötigen, um genügend Daten und Erkenntnisse zu sammeln – in Südamerika herumzufahren.“

      „Brrr, liebe Frau Kriminaloberkommissarin, ziehen Sie mal die Leine und bringen Sie Ihre Pferde zum Stehen!“ Nili sieht Harmsen mit Erstaunen an.

      „Lassen Sie mich Ihnen doch bitte erst einmal erklären, wie ich mir das Ganze vorstelle. Darf ich?“ Als Nili nach kurzer Bedenkzeit stumm nickt, setzt Harmsen fort: „Also, angenommen – ich wiederhole ausdrücklich angenommen –, Sie wären überhaupt bereit, meine Tochter auf dieser Erkundungsreise zu begleiten, sähe diese Aktion in etwa folgendermaßen aus:

      Erstens, was Sie persönlich betrifft. Folgen Sie unserem Vorschlag zum Überwechseln in das LKA, würden Sie erst einmal im Zweiten Dezernat und dort gezielt in der Bekämpfung von organisierter und Rauschgiftkriminalität eingesetzt werden. Hierfür ist eine Sonderausbildung erforderlich, und diese Gelegenheit wäre für Sie genau die richtige, um zum Beispiel dem Zufluss einer der Hauptdrogen, dem Kokain, auf die Spur zu kommen. Jedenfalls hat mir Ihr Vorgesetzter in spe, KD Voss, durchaus sein Placet für ein solches Vorhaben angekündigt und würde Ihnen ebenso den hierzu benötigten Sonderurlaub genehmigen.

      Zweitens: Ihre Reise- und Hotelkosten sowie ein Tagegeld von täglich fünfundzwanzig Euro würden teils aus dem Fortbildungstopf des LKA, teils durch einen Zuschuss des von Professor Traubes neu gegründeten Vereins No-to-Drugs e. V. gedeckt, der ebenso die Hälfte der Reisekosten meiner Tochter übernimmt. Ihre Dissertation soll dann als Grundlage für die zukünftigen PR-Aktivitäten des Vereins Verwendung finden. Selbstverständlich werden diese Erkenntnisse auch vom LKA für weitere Maßnahmen zur Drogenbekämpfung eingehend genutzt werden.

      Drittens: Begründung für die Wahl Ihrer Person für dieses Vorhaben: Sie sind eine hervorragend ausgebildete Polizistin, beherrschen die erforderlichen Sprachen für diesen Sondereinsatz, besitzen zudem ein gutes Einfühlungsvermögen sowie den schwarzen Judogürtel des dritten Dan-Grades – also sind Sie besonders gut in der Selbstverteidigung ausgebildet. Dies wird wahrscheinlich besonders wichtig, weil Sie diesmal im Auslandseinsatz üblicherweise keine Waffen tragen dürfen.

      Und letztendlich, viertens: Sie werden selbstverständlich in die gesamte Planung und Vorbereitung als leitende Ausführende mit einbezogen und erhalten seitens Interpol Unterstützung an sämtlichen Einsatzorten. Ich weiß, die Effektivität – und vor allem die ehrliche Staatstreue – der Polizeikräfte in den betroffenen Regionen in Lateinamerika dürfte vielleicht nicht ganz den Erwartungen entsprechen, die wir an solche Kollegen stellen, jedoch halte ich Sie für erfahren genug, um auf die richtigen Karten zu setzen. Ihre Großmutter und auch Ihre Mutter haben meines Wissen lange in Bolivien gelebt und werden Ihnen sicherlich viel Nützliches erzählen und berichten können, von dem sonst nirgendwo aus Fachbüchern zu erfahren ist.

      So, und nun entlasse ich Sie, meine Damen, damit Sie sich noch ein wenig unterhalten und gegenseitig etwas besser kennenlernen können.“ Mit diesen Worten steht der Oberstaatsanwalt auf und begleitet seine Besucherinnen zur Tür. „Überlegen Sie bitte alles in Ruhe, sehr geehrte Frau Kriminaloberkommissarin. Es wäre sicherlich eine einmalige Gelegenheit für Sie, anlässlich einer spannenden, wenn auch nicht risikolosen Reise auch wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse für unsere hiesige Polizeiarbeit zu sammeln und mit nach Hause zu bringen. Bitte geben Sie Ihren Bescheid zunächst an Kriminaldirektor Voss, ob Sie überhaupt ins LKA kommen möchten. Und wegen Kitts Begleitung, na ja, darüber können wir später noch sprechen. In Ordnung?“

      „Stellt euch vor, Abuelita und Ima“, berichtet Nili ihrer Oma und der Mutter auf Spanisch beim Abendessen, „was für ein spannendes Gespräch ich heute mit dem Oberstaatsanwalt in Kiel geführt habe!“ Sie berichtet fast wortgetreu von dem Treffen mit Harmsen und seiner Tochter Kathja. „Danach haben Kitt und ich uns beim Mittagessen und auch noch ein paar weitere Stunden ausführlich unterhalten. Sie ist eine sehr interessante und unheimlich gebildete junge Frau, eigentlich viel zu ernst für ihr Alter. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Nun, was meint ihr zunächst einmal zu meinem Bomben-Angebot für das LKA? Es klingt ja sehr verlockend, zumal die hiesige Polizeidienststelle in absehbarer Zeit verkleinert wird und ich wohl dann zur Kripo in Itzehoe wechseln müsste. Das Hin- und Herfahren wäre das geringste damit verbundene Übel. Allein schon der Gedanke, täglich den unausstehlichen Kriminaloberrat Heinrich Stöver erdulden zu müssen, bereitet mir Magenbeschwerden! ‚Oberkommissarin im Landeskriminalamt Schleswig-Holstein‘ klingt doch ganz anders als Kripo Steinburg in Itzehoe – ohne die Bedeutung und Leistung dieser Kollegen mindern zu wollen. Und obendrein winkt mir in Kiel auch eine baldige Beförderung zur Hauptkommissarin, die in der höher gelegenen Besoldungsgruppe 11 eingestuft ist. Diese Gehaltserhöhung ist auch nicht von der Hand zu weisen.“

      „Müsstest du hierzu nicht nach Kiel umziehen?“, fragt Mutter Lissy mit besorgter Miene. „Wäre mir gar nicht so recht, aber ich befürchte, es würde so kommen!“

      Nili fügt hinzu: „Da mein Einsatzgebiet sich dann auf ganz Schleswig-Holstein erstreckt, könnte ich vielleicht erreichen, dass ich normalerweise von hier aus – ein viel zentraler gelegener Standort als Kiel – operiere, wenn auch meine Dienststelle sich dort befindet. Ich würde mir vor Ort nur eine kleine Notübernachtungsstelle organisieren. Könnte vielleicht klappen, wenn mein zukünftiger Chef – dem ich allerdings noch nicht begegnet bin – zustimmt.“

      Nilis Oma Clarissa bemerkt nach einer längeren Pause: „Nili, mein liebes Kind, das mit dem LKA finde ich prima, weil du endlich eine Aufstiegschance hättest, die du hier in Oldenmoor niemals bekommen würdest. Der zweite Teil deiner Erzählung gefällt mir dafür umso weniger!“

      „Ach, Abuelita, darüber bin auch ich mir bei Weitem noch nicht im Klaren, glaube mir!“

      Lissy wirft ein: „Der gute Herr Staatsanwalt und seine Tochter ahnen ja nicht, in welch gefährliches Abenteuer sich das Mädchen da einlassen würde, und dann auch noch dich mit hineinzuziehen, ist im Grunde eine Zumutung!“

      „Das glaube ich aber so nicht ganz, Ima“, antwortet Nili beherzt. „Die möglichen Risiken sind durchaus bekannt, aber auch ich halte sie für kalkulierbar, für beherrschbar – gründliche Konzeption und entsprechend vorsichtige Vorgehensweise vorausgesetzt. Sorgfältige Planung ist ja das Alpha und Omega jeglicher Polizeiarbeit, und dies wird voraussichtlich eine meiner hauptsächlichen und zukünftigen Aufgaben im Kieler Amt sein. Die größte Frage, die sich mir dabei aber stellt, ist Kitts Belastbarkeit bei einem solch diffizilen Unterfangen. Was ich unbedingt vorab von euch beiden als wichtigste Entscheidungshilfe benötige, sind alles umfassende Informationen über Bolivien, das naturgemäß wohl eines der Hauptziele unserer Ermittlungen sein wird.“

      Während der nächsten beiden Wochen verbringen die drei Frauen Abend für Abend mit ausführlichen Berichten und Erzählungen aus ihrer zwölfjährigen Exilzeit in Bolivien. Sehr oft liest Clarissa aus ihren damaligen Tagebüchern vor. So zum Beispiel:

       So gab es hier für mich zunächst wirklich viel Neues zu lernen!

       Erst einmal Grundsätzliches: Hier, auf einer Höhe von 3.800 Metern, kocht Wasser nicht erst bei 100 °C wie auf Meereshöhe, sondern bereits bei 84 °C! Dies ist bedingt durch den verminderten atmosphärischen Druck in dieser Höhe. Das hatte ich ja auch irgendwann im Flensburger Lehrerseminar gelernt, aber natürlich längst wieder vergessen! Das bedeutet, dass man viel mehr Zeit als bei uns zu Hause braucht, um Speisen zu garen. Besonders schwierig ist es beim Fleisch – dies muss endlos lange kochen und ist dann meistens total ausgelaugt und faserig. Zudem sind alle Speisen, wenn sie auf den Tisch kommen, höchstens noch lauwarm, aber daran kann man sich schnell gewöhnen. Es soll ja auch nicht so gesund sein, immer so heiß zu essen, hat Fritzie Grünbach uns kürzlich verkündet. Sie muss es ja wissen, als Biologin.

      

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