Im Bann der bitteren Blätter. Manfred Eisner

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Im Bann der bitteren Blätter - Manfred Eisner

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ein großes Farbfoto, auf dem hinter dem weiß-roten Polizeiabsperrband tatsächlich Nili deutlich inmitten der Einsatzleute vor dem Bauernhof zu sehen ist.

      „Ach, sieh mal, hat mich also Jochen Ploog mit seinem Teleobjektiv doch noch erwischt!“ Sie hatte den Journalisten des Courier bereits bei der Anfahrt zum Tatort unter den vielen davor postierten Presseleuten bemerkt und ihm auch zugewinkt. Als sie aber später bemerkte, dass die Presseleute anfingen, Fotos zu machen, versuchte sie sich so gut es ging abzuwenden. Das war ihr wohl nicht ganz gelungen! Unter dem Foto ist ein magerer Bericht über das wenige zu lesen, das der zuständige Staatsanwalt Pepperkorn gegenüber der Presse verlauten ließ, nämlich dass die Polizei mehrere viel versprechende, heiße Spuren verfolge.

      Die Nachricht über Nilis Foto in der Zeitung breitet sich wie ein Lauffeuer im Holstenhof aus. Bald sind alle wieder in der Wohnküche versammelt und bedrängen Nili, ihnen doch alles zu erzählen, was sie weiß.

      „Tut mir ja so leid, ihr Lieben, aber viel mehr als das, was in der Zeitung steht, darf ich nicht erzählen, sonst krieg ich ’nen riesigen Zoff mit meinem Chef, okay?“

      „Weißt du schon, wer der böse Mörder ist?“, fragt Sophie, die Jüngste im Kreise.

      „Nein, leider noch nicht, aber wir haben so viele gute Hinweise auf die Täter und können deswegen hoffen, sie bald auszumachen.“

      „Ach, dann sind es wohl mehrere, nicht wahr?“, folgert Oskar.

      „Bist ganz schoin plietsch, mien Jung!“, bewundert ihn Nili und streicht liebevoll über seine strohblonden Haare.

      Die ganze vergangene Woche, die ich in Kiel verbringen musste, war sehr anstrengend, und es war mühsam, aus den beiden festgenommenen – der Vorschriften halber muss man hierzulande bis zur endgültigen Überführung etwaiger Delinquenten unbedingt die drollige Bezeichnung „mutmaßlichen“ voranfügen – Drogendealern und der Mörderbande etwas Brauchbares herauszubekommen, vermerkt Nili in ihrem Tagebuch. Nachdem Oma Clarissa früher häufiger aus ihren Tagebüchern vorgelesen und Nili so viele interessante Begebenheiten aus der Familiengeschichte, aber auch von den ereignisreichen Tagen der Flucht aus Nazi-Deutschland und aus dem bolivianischen Exil der Großeltern, ihrer Mutter Lissy und Onkel Oliver erfahren hatte, regte sie dies ungemein an, diesem Beispiel Folge zu leisten. So begann sie in ihrem ersten Jahr am Hamburger Gymnasium damit und hielt in unregelmäßigen Abständen immer diejenigen Erlebnisse fest, die ihr bedeutend und erwähnenswert erschienen. Nach Antritt ihrer polizeilichen Karriere in Hamburg und vor allem wegen ihres unglücklich verlaufenen und abrupt beendeten Liebesverhältnisses mit einem vielversprechenden Pianisten hatte sie dies für längere Zeit unterbrochen. Als sie vor drei Jahren zur Kriminaloberkommissarin befördert worden und dann auch nach Oldenmoor zurückgekommen war, nahm sie sich fest vor, das Tagebuchschreiben wieder mit größerer Regelmäßigkeit aufzunehmen. Seitdem hält sie vor allem jene interessantesten Fälle schriftlich fest, mit denen sie in Berührung kommt. Allerdings tut sie dies nicht handschriftlich wie früher, sondern tippt ihre Aufzeichnungen auf der Tastatur ihres Laptops und speichert die Texte auf einer eigens dafür bestimmten und zur sicheren Aufbewahrung getrennten Festplatte.

      Als Hauke und ich uns im Gebäude der Bezirkskriminalinspektion Blumenstraße beim Dienststellenleiter, dem Ersten Kriminalhauptkommissar Harald Sierck, und seinen beiden Mitarbeitern, den Kriminaloberkommissaren Sascha Breiholz und Steffi Hink, meldeten, war auch der Kieler Oberstaatsanwalt, Dr. Hinrich Harmsen, zugegen. Nachdem sich alle gegenseitig vorgestellt hatten, gab es eine umfassende Lagebesprechung, die von Waldi Mohr, der ein wenig später dazugestoßen war, geleitet wurde. Jeder Anwesende trug sein Teilwissen zu dem umfangreichen und sehr verzwickten Fall vor. Sascha und Steffi berichteten von dem tot aufgefundenen Ralph Westphal. Der Obduktionsbericht von Professor Kramm wurde vorgelesen; daraus ergab sich definitiv eine erhöhte Kokaindosis mit ungewöhnlich hoher Reinheit der Droge als Ursache für dessen Tod durch Herzversagen. Außerdem gab es deutliche DNA-Spuren auf der Kleidung des Toten, die auf wenige Stunden zuvor stattgefundenen Geschlechtsverkehr hinweisen. Wäre da nicht die kurz darauf erfolgte Festnahme der als hochgradig verdächtig eingestuften Drogenbande erfolgt und eine sehr wahrscheinliche Verwicklung wegen des Kontakts von mindestens zwei ihrer Dealer mit dem Toten gegeben, hätte man keine Handhabe zur Verfolgung eines vermeintlichen Tötungsdeliktes gehabt. Es war mein Hinweis über den Abstellort von Ralphs Fahrrad am Lübecker Hauptbahnhof, der die Spur zu der Drogenbande und letztendlich zu ihrer Festnahme führte. Die DNA wurde inzwischen identifiziert und wies eindeutig auf die festgenommene junge Palästinenserin hin. Hauke Steffens und ich berichteten von dem erfolgten Einbruch mit Fahrzeugdiebstahl, der nach Auffinden der beiden ermordeten und danach verbrannten Frauen in der Nähe Oldenmoors zufälligerweise zwei anderen Mitgliedern derselben Bande aufgrund der an diesem Tatort gesicherten Reifenspuren und Fingerabdrücke zweifelsfrei zugeordnet werden konnten. Auch die beiden Morde und die Brandlegung auf dem Bauernhof gingen auf das Konto der zwei Russen, denn die danach anlässlich der Kieler Razzia gefundene Makarov-Pistole trug die Fingerabdrücke des einen und konnte von der Ballistik zweifelsfrei dem in einem der Totenschädel gefundenen 9 mm-Geschoss zugeordnet werden. Schmauchspuren auf seiner Kleidung verdichteten dieses Indiz. Auch eindeutige Spuren von Superbenzin, das als Brandbeschleuniger verwendet wurde, hafteten an der Kleidung beider Verdächtigen. Oberstaatsanwalt Harmsen dankte uns allen für die gute Arbeit und äußerte sich über das zustande gekommene Resümee sehr zufrieden. Die zusammengetragenen Indizien reichten wohl für eine Anklage der beiden Russen wegen Einbruchs, Autodiebstahls und Mordes aus. Natürlich konnten auch die von Waldi Mohr aufgelisteten Funde an Drogen, Geld und Waffen im Versteck der Drogenbande zweifelsfrei all deren Mitgliedern zur Last gelegt werden. Schwieriger sei es allerdings – ohne eindeutige Geständnisse der Täter –, deren Verwicklung in einen willig herbeigeführten Tod des Ralph Westphal nachzuweisen. „Das ist wohl Ihre nächste Aufgabe, Frau Oberkommissarin Masal. Wie ich höre, besitzen Sie wertvolle Sprachkenntnisse, um vielleicht zwei der Festgenommenen zum Reden zu bringen. Vor allem wollen wir auch herausfinden, wer der festgenommene Lateinamerikaner wirklich ist und wie er in die Angelegenheit verwickelt ist. Fangen Sie am besten mit diesem Kerl an, lassen wir die Frau noch ein wenig schmoren. Sie dürften an diese schon wegen ihrer sie belastenden DNA an Westphals Kleidung sowieso leichter herankommen. Versuchen Sie es, viel Glück dabei!“

       ***

      „Buenos días, Señor impostor4 Alejandro Vazques!“

      Nili ist gleich nach dem Mittagessen zusammen mit Hauke Steffens in die Untersuchungshaftanstalt in der Faeschstraße gefahren. Sie haben dort ihre Berechtigungsformulare zur Vernehmung der zwei Festgenommenen vorgezeigt. Jetzt sitzen beide Oberkommissare erst einmal jenem sogenannten Alejandro Vazques gegenüber. „Sabemos que tu no te llamas así y que tu pasaporte español es falso!“ Nili konfrontiert ihn mit ihren Erkenntnissen über seinen falschen Namen und Pass. Der derart Angesprochene ist von Nilis Frontalangriff in fließendem Spanisch offensichtlich überrascht. „Damit du es weißt“, fährt Nili fort, „wir wurden inzwischen von der Guardia Civil in Las Palmas de Gran Canaria über eure letzten drei gescheiterten Operationen umfassend informiert. Im Oktober, November und Dezember letzten Jahres wurden eure Drogen-Transportsegler Liberty Belle, Meguem und Pericles von Zoll und Polizei in den kanarischen Hoheitsgewässern aufgebracht und dabei insgesamt etwas mehr als zweieinviertel Tonnen Kokain gesichert. Was für’n Pech aber auch, nicht wahr? So viele Millionen Euro futschifutschi! Deine Bosse haben sicher vor lauter Freude Luftsprünge gemacht. Dabei wurden auch sieben deiner Kumpane – Serben, Tschechen, Ukrainer und Spanier – festgenommen, der achte, nämlich du, konnte sich allerdings offensichtlich unbemerkt von Bord der Meguem abseilen und war seitdem verschwunden. Die Guardia Civil untersucht zurzeit noch, wen du auf der Kanarischen Insel Hierro bestochen hast, um dir diesen Pass zu beschaffen, denn der wurde dort ausgestellt. Also sag schon: Wer bist du und wo kommst du wirklich her? Wenn du brav mit uns kooperierst, kann dies nur zu deinem Vorteil sein,

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