Delikatessen für die Sinne (Band 2). Jutta Dethlefsen

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Delikatessen für die Sinne (Band 2) - Jutta Dethlefsen

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als würde ich eine schwankende Segeljacht betreten, stieg ich in das Cabriolet. Immerhin, es war mir gelungen, ohne vorher Kleid und Schuhe auszuziehen.

      Die Fahrt zum Restaurant verlief aufregend. Herr Mertens machte mir Komplimente über mein Aussehen, dann plauderte er über dieses und jenes. Doch keine seiner Themen ließ die Möglichkeit zu, mit den ebenfalls zu Hause einstudierten, geistreichen Argumenten zu antworten. Meine Fähigkeit zu sprechen, hatte ich kurzfristig verloren. Wie konnte es auch anders sein mit meinem Traumprinzen in einem Sportwagen in einer warmen Sommernacht. Dazu ich in einem mehr atemraubendem als atemberaubendem Kleid und Schuhen, die sich unaufhaltsam mit meinen gequälten Füßen zu einer Materie vereinten.

      Nach ein paar Minuten endete die Fahrt vor dem Restaurant. Herr Mertens eilte um die Flunder, um mir die Beifahrertür aufzuhalten. Das Aussteigen erwies sich als nahezu unmöglich, noch viel schwieriger als das Einsteigen. Es gelang mir nur, indem Herr Mertens meine Hände erfasste und mich mit sichtlicher Anstrengung aus dem Wagen zog wie einen gefüllten Kartoffelsack.

      Er ging die wenigen Meter zum Restaurant voraus, um dort die Eingangstür aufzuhalten. Herr Mertens hatte die Strecke problemlos in fünf Sekunden bewältigt.

      Ich dachte mir: »Er wird die Tür eine ganze Weile aufhalten müssen, bis ich ankomme.« Das Ziel fast erreicht, hatte ich doch tatsächlich den Fußabtreter auf, nein mit dem falschen Fuß erwischt. Ein blöder Abstreifer aus Metall mit vielen kleinen, offenen Quadraten. Eines dieser Quadrate hielt den Absatz meines rechten Schuhs umklammert. Ich drohte zu fallen. Gerade konnte ich noch mein Gleichgewicht wieder herstellen und ein Stück zurückschnellen wie an einem imaginären Gummiband, sonst hätte ich den ahnungslosen Herrn Mertens umgestoßen.

      Er ließ die Restauranttür ins Schloss fallen, um mir behilflich zu sein. Der Absatz steckte fest im Rost. Mein Fuß steckte unlösbar im Schuh. Zu kleine Schuhe haben den Vorteil, dass in solchen Situationen der Fuß im Schuh verbleibt.

      Herr Mertens konnte den Absatz befreien. Der hatte leider drastisch seine Winkelposition zur vorderen Schuhsohle verändert. Er baumelte verloren hin und her.

      Es hatte Herrn Mertens zunächst die Sprache verschlagen und ich zischte mit verkniffenem Lächeln: »Nicht schlimm, macht nichts«, und dachte: »150 Euro sind dahin. Bei meinem Praktikantengehalt bedeutet das, einen Monat nichts zu essen kaufen zu können und unter einer Brücke zu schlafen.«

      Wie gut, dass ich noch bei den Eltern wohnte.

      Ich spürte, wie mir Tränen der Wut in die Augen traten. Verstohlen wischte ich sie mit dem Handrücken fort, was dem Augen-Make-up nicht so gut bekam.

      An Herrn Mertens Seite schlurfte ich ins Restaurant. Der Schuh mit dem lädierten Absatz musste ja möglichst Bodenhaftung behalten, damit ich nicht stolperte.

      Erstaunte Blicke trafen uns. Da kam eine stark gehbehinderte Frau. Sie trug ein atemberaubendes, hautenges Minikleid und High Heels, mit denen Frau bei nahezu jedem Mann auf Augenhöhe kam, und verschmiertes Augen-Make-up.

      Der reservierte Platz bot einen fantastischen Blick auf den Sonnenuntergang am tiefblauen Horizont, wo die Wellen des Sees den Himmel küssten.

      Ich war versöhnt mit meinen Missgeschicken und wünschte mir, ewig sitzen bleiben zu dürfen. Ich wollte versuchen, die Schuhe unter dem Tisch auszuziehen. Beim Hinausgehen würden meine blutenden Zehen eine knallrote Spur auf dem hellen Teppichboden hinterlassen. Dem blasierten Ober fiele die Kinnlade herunter und ich würde mit den Schuhen in der Hand zum Abschied winken.

      »Vorweg kann ich Ihnen die Tomatensuppe empfehlen, die ist köstlich«, platzte Herr Mertens in meine Gedanken. Dazu hatte ihn offensichtlich meine Gesichtsfarbe inspiriert. »Zum Hauptgericht könnte er Hummer mit roten Rübchen bestellen und zum Nachtisch rote Grütze«, dachte ich verärgert.

      Die Suppe und die folgenden Speisen waren vorzüglich, Herr Mertens noch viel verführerischer, als in meinen Träumen. Für etwa zwei Stunden war jedes Malheur vergessen.

      Als ich mich nach dem Essen behaglich zurücklehnte, vernahm ich ein unmissverständliches Geräusch. Der rückwärtige Reißverschluss meines Kleides hatte den Härtetest durch den letzten Löffel Tiramisu nicht bestanden.

      Herr Mertens hatte das Geräusch ebenfalls wahrgenommen und fälschlicherweise als einen Rülpser interpretiert. Er schaute mich irritiert, und wie mir schien, zum ersten Mal verlegen an. Ich hatte keine Lust auf Erklärungen, bat ihn um sein Sakko, bevor mir zusätzlich die Spaghettiträger herabrutschten.

      »Ist Ihnen kalt?«, fragte er, bevor er sich erhob, um mir seine Jacke, um die Schultern zu legen.

      Er sah den entblößten Rücken. Als er wieder auf seinem Platz saß, zuckten seine Mundwinkel verdächtig. Er konnte sein Lachen nicht mehr zurückhalten.

      Und das war ansteckend. Wir lachten beide, bis uns die Tränen kamen und uns vorwurfsvolle Blicke trafen.

      Ich hatte die Schuhe unter dem Tisch nicht unbemerkt ausziehen können.

      Wie es aussah, als wir das Lokal verließen, will ich versuchen zu beschreiben:

      Also: ich schlurfend vorweg wegen der erforderlichen Bodenhaftung für den abgebrochenen Absatz. Über dem ramponierten Kleid das viel zu große Sakko, welches aber keineswegs den gesamten rückwärtigen Schaden bedeckte. Herr Mertens ganz nah, nur eine Handbreit hinter mir, um meine Blöße vor den Gästen, zu verbergen. Das zwang uns zu einem merkwürdigen Gleichschritt. Links, rechts, links, rechts, wobei die schlurfende rechte Seite immer etwas mehr Zeit in Anspruch nahm.

      Vor dem Restaurant nahm er mich auf seine Arme. Er trug mich zum Auto, half mir beim Einsteigen. Ihm gelang es, die Schuhe von meinen gemarterten Füßen zu ziehen, und er flüsterte mir zärtlich ins Ohr: »Zum Teufel mit der Schönheit!«

      DAS GEBURTSTAGSGESCHENK

      Die Großeltern liebten Kai, ihr ältestes Enkelkind, ganz besonders.

      Seit seiner Geburt verkörperte er für sie Gegenwart und Zukunft, gab ihrem Leben Inhalt, Freude und Sinn. Er wurde von ihnen verwöhnt und verzogen.

      Kai war mein siebenjähriger Neffe, Kind meines Schwagers Fred und seiner Frau Simone. Die beiden hatten drei weitere Kinder, für die wenig Platz in den Herzen der Eltern und besonders der Großeltern war. Ihre Liebe konzentrierte sich auf Kai, den ältesten Sohn des Bruders meines Mannes.

      Wir wohnten in der Villa meiner Schwiegereltern, Fred und Simone mit den Kindern, mein Mann Gerd, seine Eltern und ich.

      Es war ein attraktives Haus im Jugendstil mit zwölf Räumen und einem großzügigen Anbau.

      Meine Schwiegermutter war eine herrische Person, eine kühle, blonde Schönheit mit leuchtend blauen, herausfordernd schauenden Augen.

      Mich lehnte sie ab. Nach ihrer Auffassung hatte ich die Beziehung ihres Sohnes zu einer Millionärstochter platzen lassen. Sie war im Recht, aber ich wusste nichts von der Verbindung, als ich meinen Mann kennenlernte. Gerd hatte mir nie davon erzählt.

      Nach Jahren erfuhr ich davon auf einer Geburtstagsparty, auf der diese Frau anwesend war. Sie kam mit ausgestreckten Armen lächelnd auf mich zu, um mir zu sagen, dass sie mir verziehen hätte. Aufgrund meines verständnislosen Blickes lachte sie nur heftiger und umarmte meinen Mann. Ich erfuhr, dass ihre und Gerds Eltern überzeugt und zufrieden gewesen waren bei dem Gedanken an eine Verbindung ihrer

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