Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch
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Читать онлайн книгу Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch страница 6
Immer mehr schlichen nach Einbruch der Dunkelheit die Treppe beim Bögner hinauf. Senkten gschamig den Blick, wenn sie auf der Stiege einen Bekannten trafen. Klopften an bei Adele.
Dass es bei ihm jetzt zuging wie in einem Taubenschlag, passte dem Bögner nicht. Der Zimmerzins war längst fällig und an die räudigen Hundsviecher, die sie auf der Straße auflas, mochte er gar nicht denken. Zwei Stück hatte sie in der letzten Woche angeschleppt. Der mit dem zerbissenen Schwanz hatte ihm doch glatt in den Vorraum gebrunzt. Schimpfend ging der Bögner hinauf und betrat, ohne anzuklopfen, das Zimmer. „Meine Miete will ich. Und zwar gleich. Und die Viecher schaffst sofort aus dem Haus.“
Adele, die gerade ein neues Kleid anprobierte, verschwand hinter dem Paravent. „Ich hab doch gesagt, dass Sie das Geld nächste Woche kriegen.“
„Nicht nächste Woche will ich’s, sondern gleich. Und dass du’s weißt: Mit den Männerbesuchen ist Schluss. Die Leut zerreißen sich schon das Maul.“
Sie knöpfte das Kleid zu und kam hinter dem Paravent hervor. „Vorschriften lass ich mir keine machen.“
„Von mir schon.“ Der Bögner setzte sich auf einen Stuhl und trommelte mit den Fingern auf der Lehne herum. „Also, was ist? Zahlst jetzt oder nicht?“
Adele zählte ihm die Gulden hin, die sie vor zwei Stunden eingenommen hatte. „Sind Sie jetzt zufrieden?“
Der Bögner strich die Münzen ein und ging wortlos zur Tür. Drehte sich um. „Ausziehn tust trotzdem. Lieber heut als morgen.“
Nachdem er gegangen war, nippte Adele an einem Glas Portwein. Hoffentlich kam jetzt keiner, der sein Geld zurückwollte. Damit ihr Plan aufging, mussten noch viel mehr Leute Geld bei ihr anlegen.
Entschlossen stieß Adele die Tür zum „Goldenen Licht“ auf. „Alois, bring mir ein Bier. Und dann setz dich her. Ich hab was zu bereden.“
Alois schielte zur Küchendurchreiche. „Dass bloß die Annamirl nix merkt.“
„Was hältst davon, wenn ich mein Geschäft zu dir in die Wirtschaft verleg?“
„Der Annamirl wird’s nicht recht sein.“
„Musst es ihr halt schmackhaft machen. Sagst ihr, je mehr Leut in die Wirtschaft kommen, desto mehr bleibt hängen für euch.“
Nach kurzem Zögern gab der Alois klein bei. „Also gut. Aber wir richten eine feste Zeit ein. Jeden Nachmittag von vier bis sechs. Und du setzt dich ins hintere Eck, damit dich nicht gleich jeder sieht, der hereinkommt.“
Jeden Nachmittag, außer am Sonntag, saß Adele jetzt im „Goldenen Licht“. Schnell sprach es sich herum, wo sie anzutreffen war. Die Männer tranken doppelt so viel wie sonst, schielten ins hintere Eck, bis sie sich hintrauten zu ihr.
Die Annamirl grantelte in der Küche vor sich hin. Aber die Kinder hatten jetzt neue Schuhe und der Flori hatte sogar eine Medizin gegen den Keuchhusten. Doch jedes Mal, wenn die Spitzederin die Wirtsstube betrat, schlug die Annamirl ein Kreuz und zündete die geweihte Kerze an.
„Herr Wirt! Einen Frankenwein.“
Alois polierte ein Glas, hielt es gegen das Licht, wischte eine Fettschliere weg. Musterte aus dem Augenwinkel den Gast. Schon drei Tage hintereinander war der Unbekannte gekommen. Legte jedes Mal seinen Zylinderhut auf die Bank, zupfte die weißen Manschetten zurecht und ließ Adele nicht aus den Augen.
„Loisi, komm her“, zischte Annamirl aus der Durchreiche und deutete auf den Gast. „Der kommt mir komisch vor. Weißt du, was der bei uns will? Ein Hiesiger ist der auf jeden Fall nicht.“
„Was weiß denn ich? Und red nicht so laut.“
Die Annamirl flüsterte: „Ich hab’s dir gleich gesagt, dass es nicht gut geht mit der ihren Geschäften bei uns.“
„Reg dich nicht auf. Werd schon herausfinden, wer der ist.“
Alois füllte das Glas mit dem teuren Frankenwein, stellte es dem Gast mit einem „Zum Wohl, der Herr“ auf den Tisch und ging zu Adele ins hintere Eck.
Adele, die gerade ihr Geld zählte, blickte auf. „Was willst?“
„Schau bloß nicht hin. Da drüben sitzt einer, der dich genau beobachtet.“
Sofort musterte Adele den Gast. Der hob das Glas und nickte ihr zu. „Den kenn ich nicht. Meinst, der will was von mir?“
Alois schnalzte mit der Zunge. „Vielleicht gefallst ihm.“
„Davon kann ich auch nicht abbeißen.“ Zufrieden mit den Einnahmen schob sie dem Alois drei Gulden hin. „Die gibst der Annamirl. Damit sie nicht immer über mich schimpft.“
Ihr Blick glitt nach unten. „Komm Basti, wir gehn.“ Sie deckte ein Tuch über den geldgefüllten Weidenkorb, nahm ihn beim Henkel und stand auf.
Basti kroch unter der Bank hervor, schnuffelte herum, schnuffelte hin zu dem vornehmen Herrn. „Sofort kommst her.“ Adele zog den Basti zu sich und legte ihn an die Leine. „Entschuldigen Sie. Das macht er sonst nie.“
„Lassen Sie ihn doch. Ist doch so ein schöner Hund. Darf ich Sie zu einem Wein einladen?“
Adele zögerte, stellte den Korb auf den Boden. „Viel Zeit hab ich aber nicht.“
Der Fremde erhob sich, verbeugte sich. „Gestatten: Vicenti. Notar.“
Adele zuckte zusammen. Ein Notar. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Wie komm ich zu der Ehre?“
„Ich beobachte Sie schon länger. Und wenn ich ehrlich sein darf: Sie gefallen mir. Und es imponiert mir, wie Sie in einer so einfachen Umgebung Ihre Geschäfte tätigen.“
Erleichtert atmete sie auf. Hob das Weinglas, das Alois mit einem verschwörerischen Zwinkern auf den Tisch gestellt hatte. „Also dann, auf Ihr Wohl.“
„Auf Ihr Wohl, schöne Frau.“
Sie trank einen Schluck und verzog das Gesicht. „Ganz schön sauer. Ehrlich gesagt, ein Bier ist mir lieber. Alois! Bring mir eine Halbe. Und ein Gröstl. Wollens auch eins?“
„Gut. Ihnen zuliebe esse ich auch eins.“
„Sei so gut und bring uns zwei Gröstl“, rief Adele dem Alois zu und wandte sich wieder an den Vicenti: „Sind Sie aus München?“
„Nein. Ich stamme aus Florenz. Seit fünf Jahren führe ich eine eigene Kanzlei in München.“
„Und? Rentiert sich’s?“
Vicenti nickte. „Wird ja überall gebaut. Und die Banken schießen nur so aus dem Boden. Da wird ein Notar immer gebraucht.“
Während sie sich unterhielten, servierte Alois das Essen.
Vicenti stocherte in den Bratkartoffeln herum, schob die Blutwurst angewidert an den Tellerrand.
„Schmeckts Ihnen nicht?“
„Das Münchner Essen vertrag ich nicht. Immer schwimmt alles