Ruhrpottliebe. Lena Schätte

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Ruhrpottliebe - Lena Schätte

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strohblondem verwuscheltem Haar, auf dem eine bunte Snowboardermütze liegt, steht vor mir. Ich mustere seine Markenklamotten, mein Blick wandert an ihm hinauf. Ich erwidere sein benebeltes Lächeln. Er beugt sich vor, sein Kinn streift meine Schulter, als auch er sich an mein Ohr schmiegt, als seien wir Vertraute.

      „Ich hab dich gesehen, und ich finde, du bist anders. Ich bin auch anders. Wir sollten uns zusammentun.“

      „Anders?“, schreie ich ein wenig verwirrt gegen die Musik an. „Na, alternativ!“

      Meine Augen beginnen prompt das Strahlen.

      Wir stellen uns in eine einsame Ecke der Bar und beginnen zu reden, knallen uns Bandnamen um die Ohren, reden über Festivals, und ich gebe mir die größte Mühe zu verbergen, dass ich lang nicht so tief drinstecke, wie er es tut. Ich hänge an seinen Lippen, sehe ihm fasziniert dabei zu, wie er besoffen wild gestikuliert, immer wieder die Hände an den Kopf legt, als würde ihm jede Sekunde der Schädel platzen, absolut begeistert von all den Dingen spricht, die auch in mir so viel auslösen.

      Bald landen wir draußen bei einer Handvoll Rauchern, die sich in der klirrend kalten Nacht aneinanderdrücken, und hocken uns auf eine Mauer. Er rutscht immer näher, bald legt er seinen Arm um mich.

      „Dortmund ist doch tot. Jedenfalls was unsere Altersgruppe angeht. Jeder, der ein bisschen was im Kopf hat, geht, wenn er kann, und der Rest hängt frustriert an den Bushaltestellen herum. Das deprimiert“, philosophiert er vor sich hin und nimmt mal wieder die Hände an den Kopf.

      „Nun sind wir aber noch hier.“

      „Ja. Wir armen Schweine.“

      Wir prusten beide laut los, und ich kippe etwas Bier in meinen Schal statt in meinen Mund.

      „Ich meine, hier gibt es so wenige wie uns!“, fährt er fort, und ich muss lachen, da er von uns spricht, als seien wir eine vom Aussterben bedrohte Tierart oder die letzten Illuminaten.

      „Manchmal, wenn ich ein Bandshirt sehe oder ein Festivalbändchen, dann fühle ich mich halt direkt verbunden.“

      Noch eine Weile sitzen wir da, auf der kalten Mauer, und reden Blödsinn. Gegen Sonnenaufgang fährt mein Lieblingsfahrer am Taxistand vor und winkt mir durch die Autoscheibe zu. Ich springe von der Mauer.

      „Ich geh dann mal.“

      Plötzlich springt der kleine Skater ebenfalls auf, drückt sich an mich, packt mich mit festem Griff und drückt seine kalten Lippen auf meine. Eine Weile mache ich mit, doch komme ich mir vor wie ein hilfloser Teenager. Also lasse ich ab, flüstere noch ein zartes „Ciao“ und drehe mich um.

      „Nach Hause?“, lächelt Georgius, als ich in seinem eierschalenfarbenen Benz sitze. „Ja, nach Hause.“

      Angezogen falle ich ins Bett, fahre Karussell und spüre, wie die Trunkenheit weicht. Mein Kopf fühlt sich weich an, Schmerz blitzt über meiner Stirn auf.

      Ich habe mir fest vorgenommen zu schlafen, bis mir die Knochen vom Liegen wehtun, doch meine Mutter macht mir einen Strich durch die Rechnung. Gegen elf jagt sie mich aus dem Bett, und ich streife mit Slatko durch den Wald. Der Tag verspricht beinahe scheiße zu werden, doch dann fällt mir alles wieder ein: Ben! Date! Drei Uhr! Ein Schmunzeln macht sich breit, und ich stapfe zurück zum Haus.

      Heute mag ich mich. Das ist ein seltenes Geschick, deshalb schlägt es sich auch prompt in meinem Äußeren nieder. Die Haare liegen locker-flockig, die Jeansjacke federt auf der Taille, ich fühle mich gut. So schreite ich in Richtung Bahnhof, wo Ben und ich um drei verabredet sind. Ich sehe ihn schon von Weitem. Er steht neben einer zerkratzen orangefarbigen Bank, auf der normalerweise zu jeder Tageszeit eine Oma mit Rolli oder Gehhilfe platziert ist, doch heute ist sie frei. Er unterhält sich mit einem braun gebrannten Typen, wippt aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Neben ihm sieht der andere aus wie ein winziger Schokoladenzwerg. Ben trägt eine schlichte Jeans und ein Hemd mit, sagen wir, interessantem Karomuster.

      „Ben?“, hauche ich mit meiner flirty Stimme. Er reißt den Blick vom Südländer weg und schmeißt ihn zu mir. „Dana!“, presst er hervor.

      Er wirkt ganz hibbelig. Ein nasser Kuss auf die Wange folgt. „Gehen wir ein bisschen bummeln?“, frage ich grinsend.

      „Was auch immer“, haucht er. Hat er gekifft, um sich locker zu machen, ist er nervös, oder ist das einfach seine Art?

      Wir laufen den mit Kopfstein gepflasterten Weg hinunter in Richtung Innenstadt. Die Sonne fällt mir angenehm warm auf Kopf und Nacken. „Warst du dieses Wochenende beim Eishockey?“, frage ich, um das Eis zu brechen. Nicht dass es mich interessieren würde, aber ich kann mich erinnern, dass da irgendwas auf seiner Facebookseite stand, von wegen Wochenenden in Sonderzügen und Abenden auf der Fantribüne. Heute Mittag habe ich noch kurz im Internet recherchiert, wollte nicht gänzlich unwissend sein.

      „Ja! War super!“ Er lächelt mich schüchtern von der Seite an.

      „Du bist also Fan von den Roosters.“

      „Ja, schon lange.“

      „Aber die verlieren doch ständig, oder nicht?“

      „Ich bin halt nicht nur Fan, wenn der Pokal im Schrank seht“, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück.

      „Ja, aber wenn es nie was zu feiern gibt, ist das doch auch langweilig, oder nicht?“

      Er zuckt nur mit den Schultern. Da fällt mir auf, er trägt ein dünnes silbernes Kettchen, das irgendwo zwischen Brusthaaransatz und Hemdkragen verschwindet. Ich mag keine Männer, die Halsketten tragen, weil meine Mutter sie auch nicht mag. Aber na ja, ich werde ihm wohl noch eine Chance geben.

      Als wir in der Menge untertauchen, wirkt Ben noch immer ein wenig unentspannt. Ständig späht er herüber zu mir, und wenn ich dann zurückschaue, streut das Lächeln in seinem Gesicht zu einem riesigen fetten Grinsen. Um uns schwirren Kinder mit tropfenden Eishörnchen, Frauen mit großen Sonnenbrillen und Männer mit schlechten Tattoos aus dem vorvorletzten Sommer umher.

      „Ich hab dich schon vor unserem Telefonat gekannt“, gesteht er, als wir von der Fressmeile auf die Straße voller orientalischer Kramläden wechseln.

      „Wie meinst du das?“

      „Du hast doch mal in einem Restaurant gearbeitet, unten am See, oder nicht?“

      „Ja, und?“

      „Ich war da mal, und du hast gekellnert.“

      Es gab nur eine ungefähr zweiwöchige Phase, in der ich kellnerte, bis alle sich von meiner Fallsucht überzeugt hatten und ich in die Küche verfrachtet wurde, wo das Geschirr auf dem PVC-Belag nicht ganz so schnell zersprang. Doch in dieser kurzen Zeit war ich gestresst, verschwitzt und genervt von alten Männern, die einem gönnerhaft 20 Cent Trinkgeld geben und dann noch ein „Aber gib nicht alles auf einmal aus!“ hinterherschieben.

      „Ich hab mich an dich erinnert, als ich dich wiedergesehen habe. Du hast an dem Tag ein schwarzes Shirt mit der Grinsekatze aus Alice im Wunderland getragen und warst schnell im Biernachschenken. Ich hab meinen Bruder ins Haus tragen müssen“, schließt er seine Story, und ich freue mich, da das Grinsekatzen-Shirt tatsächlich in meinem Schrank hängt.

      Die Rolltreppe im Kaufhaus treibt uns näher zueinander, unentwegt lächelt

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