Ruhrpottliebe. Lena Schätte
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„Ihr habt ja keine Klingel, ihr Hinterweltler!“
„Das hat uns schon jede Menge Sternensänger, Vorwerkvertreter, Klingel-Missionare und anderes Gesindel erspart.“
Wir hinterlassen unsere Schuhe wild verteilt auf dem roten Teppich am Eingang und gehen direkt rüber in mein Zimmer. Es sieht schrecklich aus, überall ist Kleidung und Papiermüll verteilt, doch vor Carmen muss ich mich zum Glück für nichts schämen. Sie rupft sich das Pflegekraft in Ausbildung, Carmen Rotblatt-Schild von der Brust und lässt sich auf meine Couch sinken.
„Ich hab Sachen zum Cocktailsmixen mitgebracht“, verkündet sie und verteilt einige Limetten, ein Paket mit braunen Brocken Zucker und eine Flasche Schnaps auf der Couch. Ich steuere einige Säfte und ein Brett bei, auf dem sie die grünen Früchte liebevoll in Scheiben schneidet.
„Ich hab eine Idee!“, verkündet Carmen, nachdem sie das Ganze in zwei extragroße Gläser mit Zuckerrand verfrachtet hat. „Ich bin auf einer Internetplattform für Singles angemeldet.“
Ich stöhne genervt, denn ich weiß, was als Nächstes kommt.
„Und ich dachte“, sie beugt sich herüber zu mir und legt ihren Kopf spielerisch auf meine Schulter, wie ein kleines Mädchen bei seiner Lieblingskindergärtnerin, „… wir nehmen die Baustelle mal so richtig in Angriff.“
„Hast du mein Liebesleben gerade mit einer Baustelle verglichen?“
Sie richtet sich wieder auf.
„Ja, aber so eine, auf der das Geld knapp geworden ist. Es spielen zwar noch ein paar Nachbarskinder im Schutt, aber sonst tut sich da nix mehr! Du meldest dich da einfach an, triffst dich vielleicht mit wem, und wenn nicht, dann eben nicht.“
„Da sind doch eh nur arme Schweine und Freaks!“
„Na, danke.“
„So war das nicht gemeint.“
„Komm schon.“
„Naaa gut“, gebe ich mich geschlagen, denn ich weiß: Sie wird eh nicht aufhören zu nerven, bevor sie ihren Masterplan durchgesetzt hat. Freudig springt sie von der Couch und holt meinen Laptop. Das blaue Design der Seite brennt in meinen Augen, und der billige Elektro aus dem chateigenen Internetradio, in dem ein Typ namens Kenny mit penetrant greller Stimme immer wieder Grußnachrichten à la Mandy grüßt ihren Sebastian und lässt ausrichten, dass sie ihn ganz doll liebt! vorliest, nervt mich schnell.
„Wie bist du darauf gekommen?“
„Ach, ich bin nachts vorm Fernseher eingeschlafen, und als ich wieder aufgewacht bin, lief da diese Werbung.“
„Klingt ja vielversprechend! War da zufällig auch eine nackte Frau mit Klebesternchen auf den Nippeln, die gestöhnt hat, deeeutsche Määänner, ruuufen a‘?“
Sie lacht gehässig und verpasst mir einen Hieb, ihre Fingerknöchel bohren sich dabei schmerzhaft in meine Schulter.
Während sich Carmen im Bad von dem Shirt befreit, das nach alten Menschen riecht, und duscht, wühle ich mich durch einen Haufen Fragen, die das Internetportal mir bei meiner Anmeldung stellt. Angeblich dienen sie dazu, meinen Charakter zu erfassen und zu erkennen, was für ein Typ Frau ich bin, doch mir kommt es eher vor wie ein Schubladensystem. Ein bisschen wie bei diesen Ankreuz-Psychotests in der BRAVO früher.
Als Carmen wieder zu mir stößt, erstellen wir gemeinsam mein Profil. Sie riecht nach Mango-Shampoo und Deodorant. „Erst mal brauchst du einen Nickname. Verbinde es mit irgendwas, das zu magst. Einer Band, einem Film“, erklärt sie, während sie sich neben mir die braunen Locken trocken rubbelt. Nach kurzer Überlegung tippe ich Pulp Fiction ein und bin überrascht, dass dieser Name noch verfügbar ist. „Körpergröße …. 169 cm“, lese ich die erste Spalte des Profils samt Lösung laut vor und fülle sie aus. „Gewicht/Figur … wahlweise dünn, schlank, sportlich, normal, ein paar Kilo mehr oder moppelig. Moppelig?“ Ich verschlucke mich an meinem Cocktail. Wie immer hat Carmen viel zu viel Schnaps hineingemischt, und meine Stirn beginnt bereits nach den ersten Schlucken zu kribbeln.
„Ja …“, lacht sie aufgedreht.
„Hm … also, ich sehe mich als sportlich, aber der ein oder andere würde mich bestimmt als moppelig bezeichnen“, nuschle ich vor mich hin.
„Sportlich? Kugelstoßerin oder was? Nimm normal!“, beschließt Carmen.
„Haarfarbe? Blond … Sternzeichen? Skorpion … als würde das irgendwas zur Sache tun … Raucherstatus? Gelegentlich!“
„Schreib das nicht!“
„Warum? Ist doch die Wahrheit.“
„Ja, aber da gibt es immer eine Reihe von Fitnessfreaks, die denken, du hast ein Gesicht wie ein voller Aschenbecher, nur weil du dir hin und wieder eine ansteckst … lass die Zeile einfach frei.“
„Na gut, Frau Expertin. Weiter im Text: Beziehungsstatus … vergeben, offene Beziehung, komplizierte Beziehung, verheiratet mit Nachwuchs, verheiratet ohne Nachwuchs, geschieden, verwitwet, Single, suchend …“
„Suchend ist praktisch ein Codewort für einsam, stehe meiner Mutter unnatürlich nahe, masturbiere überdurchschnittlich oft, rasiere mich nur im Hochsommer, und ziehst du mich aus, findest du weiße Baumwollunterhosen mit Stockflecken … also Single.“
„Okay. Beruf?“
„Denk dir einen Begriff aus, der deinen Beruf zwar umschreibt, irrsinnig wichtig klingt, es aber nicht genau auf den Kopf trifft“, weist sie mich an und lässt noch etwas braunen Zucker in ihr Glas rieseln.
„Ähm … Assistenz in der Justizbranche.“
„Dann schreib doch gleich: Aktenschlepper“, prustet sie los, und ich werfe ihr einen ernsten Blick zu.
„Wann fängt deine Ausbildung eigentlich an?“
„Nach dem Praktikum. Also noch gut 10 Tage.“
„Wie wäre Bürokratin? Klingt offiziell, mit leicht historischem Flair.“
„Okay, weiter … Ausbildung/Abschluss … das geht ja wohl niemanden was an. Weiter … ich suche?“
„Jetzt wird’s interessant!“
„Wahlweise feste Beziehung, Freundschaft, Affäre, Mailkontakte oder was sich eben ergibt.“
„Jetzt musste aufpassen!“, fuchtelt Carmen wild mit ihrem Drink in der Luft herum. „Feste Beziehung klingt zu bedürftig. Als wärst du neulich 30 geworden und hättest einsam vor den tausend Kerzen gesessen und beschlossen, dass es endlich Zeit wird, ein Kind zu werfen. Freundschaft klingt armselig. Als würdest du jemanden suchen, mit dem du dich über deine Star-Trek-Figurensammlung unterhalten und eine Fahrgemeinschaft für die Cosplay-Messe gründen kannst.“
Sie räuspert sich kräftig und zupft ihren übergroßen Pullover zurecht.
„Affäre