Ruhrpottliebe. Lena Schätte
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„Ah!“
„Und Mailkontakte. Klingt ein bisschen zu sehr nach E-Mail für dich mit Meg Ryan und Tom Hanks. Hallo, lieber Seattle 35, ich bin heute über eine Brücke gelaufen. Da hab ich mich so tiefsinnig gefühlt. Brücken sind ja auch so tiefsinnig. Und das Leben ist so tiefsinnig. Was meinst du? Da ist, was sich eben ergibt‘ genau das Richtige“, schließt sie und grinst zufrieden.
„Finde ich nicht. Ich finde, ,was sich eben ergibt‘ klingt nach , Wir treffen uns und nichts muss, aber wenn du pimpern willst, bin ich natürlich gerne dabei‘! Das ist nicht unbedingt die Einstellung, mit der ich zu einem Date gehe …“
„Dann lass es halt frei“, brummt sie sichtlich beleidigt, dass ich ihre Internet-Dating-Eloquenz infrage stelle.
„Dann ist hier noch eine Zeile mit Charakterbegriffen.“
„Da schreibst du drei Wörter hin. Die meisten Frauen schreiben Sonnenuntergang, Spazierengehen und Katzen, die meisten Männer Party, Sport und Autos.“
Sie scheint schon ein wenig betrunken zu sein, denn aus ihrem niedlichen Kichern wird langsam, aber sicher ein geräuschvolles Grunzen. Ich überspringe die Rubrik.
„Jetzt muss ich ein Foto hochladen.“
„Die meisten Frauen laden Fotos hoch, bei denen sie aus ungefähr drei Meter Höhe fotografiert wurden, damit ihre Gesichter auch ja schön schlank aussehen.“
„Hast du über das Thema mal eine Facharbeit geschrieben?“
„Nö, man sammelt eben Erfahrungen.“
Nachdem Carmen auf der Couch eingeschlafen ist und Slatko es sich unbemerkt auf ihrem weichen Busen gemütlich gemacht hat, bekomme ich meine erste Nachricht im Online-Dating-Karusell.
„Hey Girl, I’m Gassimou. My friends call me Mo. I´m student in Berlin. Love your face on the photo and would like to meet ya. Greets.“
Leicht erschrocken betrachte ich das tiefschwarze, ernste Gesicht des Schreibers. In seinem Profil steht nicht viel, bloß ein paar Floskeln à la My german is awful, but I love German Girls with blonde hair and blue eyes. Kurz schaue ich zu Carmen, die laut schnarcht.
„Ach ja, hier sind also keine armen Schweine und Freaks unterwegs?“, flüstere ich ihr kaum merklich zu, als ich die Nachricht lösche und mich auslogge.
Kapitel III
„War man eben noch lediglich das Leben und Lieben satt
Und ist jetzt dank Trank ganz krank vom Sinn
Morgengrauen mittendrin und ich bin ohne her und hin
Weil ich hin bin und nicht mehr Herr der Lage.“
Sebastian 23
„Weißt du, wie schnell so eine hellgraue Couch versaut ist?“, blinzelt Katja ihren Kevin mit mütterlicher Fürsorge an und streicht ihm ein paar Pizzabrötchenkrümel vom Bauchansatz. Schon wieder frage ich mich, wie zum Teufel ich auf die Idee kommen konnte, mit einem Pärchen, noch dazu mit einem, wie die beiden es sind, essen zu gehen. Manche alten Freunde sollte man einfach in der Schublade lassen.
„Aber florales Muster kommt mir auch nicht in die Tüte, Schatz“, erwidert Kevin bestimmt und schmunzelt mich an, anscheinend darauf wartend, dass ich ihm beipflichte, was ich gewiss nicht tun werde. Noch eine Weile diskutieren sie über Teppichböden, unfreundliche Verkäufer in Möbelhäusern unserer wunderbaren Einzelhandelswüste nahe der Dortmunder Autobahnausfahrt und die perfekte Farbe für eine neue Couch. Wahrscheinlich wird der liebe Kevin mehr Zeit auf ihr als auf Katja verbringen.
Das herzzerreißende Szenario am anderen Tischende führt mir mein Scheitern als Single vor Augen, wie eine Walze, die langsam über mich rollt und mir die Innereien aus allen Poren drückt. „Och Kev-Kev!“, faucht Katja, als Kevin den Rest Cola aus seinem Glas versehentlich auf die beigefarbene Tischdecke kippt. Kev-Kev? Da kann sie dem armen Jungen auch gleich eine Kugel ins Knie jagen. Während Katja ihrem Liebsten die Cola von der Chino tupft, sorgt sie locker-lässig dafür, dass die Situation noch unangenehmer wird.
„Du, der Kevin hat übrigens noch ’nen ganz netten älteren Bruder, den solltest du unbedingt mal kennenlernen.“
„Ja, genau“, pflichtet Kevin ihr überflüssigerweise bei, und ich höre mir eine Weile die Vorzüge des Bruders an, der ein echter Verkaufsschlager zu sein scheint. Bis vor ein paar Monaten war Katja selbst noch die Promiskuität in Personality, immer auf der Jagd, in ihrem Handtäschchen Zettel mit ihrem Namen und ihrer Handynummer, ein kleines Herzchen über dem j. Doch nun hat sie Kevin gefunden, ihr treudoofes Schoßhündchen, und plötzlich ist James Blunt gar nicht mehr so furchtbar schwul. Spazierengehen entpuppt sich als eine überaus anregende Freizeitbeschäftigung, und der Anzahl der Male zufolge, an denen sie mein Angebot auszugehen wegen eines DVD-Abends ausgeschlagen hat, wäre ihr ein Führungsposten als Filmkritiker bei Deutschlands populärsten Fernsehzeitungen bombensicher. Und Kevin? Er lebt nun ein Leben im offenen monogamen Vollzug, in dem er mit plüschigen rosafarbenen Hello-Kitty-Handgranaten beworfen wird.
„Ja, scheint ja ein netter Kerl zu sein“, heuchle ich und lenke das Gespräch auf gemeinsame Freunde, um nicht komplett dem Zynismus zu verfallen. Carmen hat mal etwas sehr Schlaues gesagt. Nicht dass sie nicht generell ein sehr schlauer Mensch wäre, doch manchmal hat sie diese hellen Momente, in denen sie mir einen Einblick in die tiefen Erkenntnisse der Carmen-Rotblatt-Verhaltenspsychologie gewährt. Dabei umschmeichelt sie gleißend weißes Licht, und ich erkenne die Weisheit in ihren meist betrunkenen Augen. Einmal, in einem dieser Momente, hat sie jedenfalls gesagt: „Dana, weißt du was?“
Ich erkannte die Gunst der Stunde.
„Ja, bitte?“
„Weißt du, welche Art von Paaren ich besonders schlimm finde? Also im Grunde sind sie ja alle furchtbar, eine regelrechte Mutation aus Aids, Krebs, Pest und Tuberkulose für jeden, der nicht mit Zweisamkeit gesegnet ist, aber es gibt diese eine Sorte, die alle anderen in den Schatten stellt. Praktisch die Schalker unter den Pärchen: die, die schon zu einem einzigen Knäuel aus rosa Fleisch geworden sind, das nur noch Sätze von sich gibt, die von dem Wörtchen WIR angeführt werden. Die, die auf Konzerte gehen, aber nicht ein einziges Mal auf die Bühne sehen, weil sie mit Knutschen beschäftigt sind. Die, bei denen Händchenhalten einfach nicht reicht. Ineinander verhakt laufen sie durch die Städte, die Arme so fest um die Körper geschlungen, dass sie kaum noch laufen können, aber Hauptsache, 90 % des Körpers berührt den anderen kontinuierlich. Und falls sie dann hinfallen und sich die Knie aufschürfen, ist das völlig okay, denn sie tun es als beziehungspflegende Aktivität. Wenn man nicht so ein Schalke-Paar werden will, muss man Folgendes tun: Man muss sich hin und wieder im übertragenen Sinne voneinander wegstoßen, um zu erkennen, dass man noch ein eigenständiger Mensch ist und nicht längst ein siamesischer Zwilling.“
Bei Kev-Kev und Katja scheint sich das Zeitfenster dafür schon längst geschlossen zu haben. Würde es durch irgendeinen unglücklichen Zufall dazu kommen, dass man die beiden trennt, wäre es wie bei einem Astronauten, der nach einer anstrengenden, harten und wirklich sehr, sehr langen Mission zurück auf die Erde kommt … die Muskeln haben sich zurückgebildet, und der vermeintliche Held wird wie ein dünnes Würmchen mit Rollstuhl zu seiner Familie gerollt.
Kaum