Er, Sie und Es. Marge Piercy
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Читать онлайн книгу Er, Sie und Es - Marge Piercy страница 18
»Verstehe. Aber ich finde es albern.« Sie lächelte in den Spiegel.
»Menschen fürchten manchmal intelligente Maschinen, Shira, besonders Menschen, die nicht mit einem hochentwickelten Computer aufgewachsen sind. Oder sie haben nichts gegen stationäre Computer, aber haben Angst vor einem, der einen Körper hat und umherlaufen kann. Ich erachte solche Gesetze für wichtig, um den Menschen das Gefühl von Sicherheit zu geben.«
»Aber, Haus, was geschieht mit jemand, der gegen dieses Gesetz verstößt?«
»Das ist nicht direkt ein Gesetz, Shira, sondern ein Konzernübereinkommen mit mehr als Gesetzeskraft. Künstliche Intelligenz hohen Ranges ist auf das Netz und die Basen beschränkt, auf stationäre Computer wie mich. Mobile Roboter müssen auf den ersten Blick als Maschinen erkennbar sein und dürfen nur mit genügend Intelligenz für ihre mechanischen Aufgaben ausgestattet sein. Die Strafe ist sofortige Ächtung und Tod.«
»Tod?« Shira fuhr herum, sie musste an Avrams Gewehr denken. »Bist du sicher?« Das war eine törichte Frage an einen Computer. »Ich meine, Tod, ich kann es kaum glauben. Wer würde dich töten, wenn du einen illegalen Roboter baust, der sehr schlau ist und wie ein Mensch aussieht? Die Ökopolizei?«
»Das untersteht nicht ihrer Gerichtsbarkeit. Bei den Sicherheitstruppen der Multis arbeiten Berufsmörder, Shira. Es gibt auch hochbezahlte Freiberufler, die aus der Megalopolis operieren oder aus den küstennahen freien Städten. Steht diese Information in Zusammenhang mit deiner Schularbeit? Soll ich dir auf deinem Terminal eine Karte der küstennahen freien Städte abbilden, die Piraten- oder Auftragskillerenklaven sind? Ich bin programmiert mit den Einzelheiten der Konzernübereinkommen und der Geschichte der Cyberaufstände, falls du dich mit irgendwelchen Aspekten dieser Ereignisse beschäftigen möchtest.« Der Computer klang hoffnungsvoll. »Ich kann dir auch Unterricht in elementarer Roboterkunde erteilen.«
»Nicht nötig. Ich war nur neugierig«, sagte Shira und fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. »Das ist so etwas, was die Leute immer wieder sagen: Roboter können nicht wie Menschen gestaltet sein – und dann fragst du dich eines Tages, warum.«
»Wenn ich mobil wäre, könnte ich kochen und Botengänge für dich erledigen, doch jetzt verstehst du, warum das gänzlich unmöglich ist. Wird es nicht Zeit für dich, das Abendbrot aus der Kantine zu holen?«
6
ShiraWir wissen zu viel und zu wenig
Zwei Tage vor ihrem siebzehnten Geburtstag sagte ihr das Haus, es sei eine versiegelte Nachricht für sie da – kodiert und nur ihr zugänglich. Es war der Bezirkserziehungsausschuss, der die Ergebnisse ihrer Versteigerung bekannt gab. Schüler, die die Große Prüfung innerhalb der obersten zwei Prozent bestanden, wurden von Universitäten ersteigert. Vierzehn Hochschulen hatten für sie geboten. Sofort strich sie die heraus, die sie auf keinen Fall besuchen wollte, ganz egal, wie viel sie ihr zahlten. Dann druckte sie die Liste aus und sprang auf, um Gadi zu suchen. Er musste auch seine Ergebnisse bekommen haben. Die allgemeinen Zulassungen gingen zur gleichen Zeit heraus wie die Versteigerungsergebnisse. Sie mussten ihre Auswahl aufeinander abstimmen.
Er hatte ihr gesagt, er müsse Avram helfen. Seit sie zufällig in das Experiment mit dem ersten Cyborg hineingestolpert waren, Alef, das sich als gewalttätig erwiesen hatte, traute Avram ihnen zu, dass sie seine Geheimnisse für sich behielten, und rief sie, wenn er Hilfe brauchte. Bet war die Cyborg-Entsprechung eines Autisten und war auseinandergenommen worden. Gimel verrichtete Arbeiten im Labor, aber Avram fand seine Intelligenz mangelhaft.
Sie identifizierte sich an der neu verstärkten Labortür, die sie Avram ankündigte und dann, offensichtlich auf seinen Befehl hin, einließ. Sie sah Gimel auf einem Laborhocker sitzen, kerzengerade. Wäre es ein richtiger Mensch gewesen, hätte sie gesagt, es habe einen Besenstiel im Hintern, wie ihr Portugiesischlehrer. Gimel hatte die gleichen angenehmen, freundlichen Züge, die zuvor Bet und Alef getragen hatten. Bisher hatte Avram Gimel nicht zerstören müssen. Es schien fügsam, die Cyborg-Entsprechung von langsam. »Ich habe die Verbindungen im rechten Kniegelenk fertiggestellt«, sagte es in einer tiefen Männerstimme, die ausdrucksloser war als die Stimme ihres Hauses. »Na dann verbinde das linke Gelenk«, schnauzte Avram. Sie wartete darauf, dass Avram von der Armschale aufblickte, in die er ein Netzwerk von Sensoren einbaute. Sie hütete sich, ihn zu unterbrechen. Sie wünschte sich einen Augenblick, er würde sie auffordern, an dem Knie mit Gimel zu arbeiten oder an dem Arm mit ihm. Sie mochte die Laborarbeit. In der Schule hatte sie dieses Jahr einen Robotertaucher gebaut. Gadi hasste es, eng mit Avram zusammenzuarbeiten, aber sie hatte es sogar gern, wenn Avram ihre Mithilfe befahl.
Schließlich wandte sich Avram zu ihr um. Seine Augen hefteten sich auf ihre Schuljacke. »Kleine Shira«, sagte er und lächelte. »Falls du Gadi suchst, er ist oben. Wie erträgst du nur meinen anspruchsvollen Sohn?«
»Gadi ist … wundervoll, Sir. Er ist gescheit und –«
»Wenn er gescheit ist, warum zeigt er das nicht in der Schule, wo es zählt? Die Ergebnisse sind doch heute herausgekommen, nicht? Wie viele Universitäten bieten für dich?«
Sie zeigte ihm die Liste. »Gutes Mädchen. Wärst du doch meine Tochter, Shira! Malkah platzt vor Stolz, wenn sie über dich redet.«
»Echt?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Malkah so viel Aufhebens machte.
Sie dankte ihm und lief hinaus, mit Gimel im Gefolge, das hinter ihr die Tür sicherte. Gadi war wohl oben und lernte. Avram war schon seit langem dahintergekommen, dass Gadi und sie die alten Dienstbotenschlafkammern benutzten, doch Shira spürte eine unausgesprochene Übereinkunft. Avram würde so tun, als wüsste er nicht, was sie trieben, und sie würden niemals zu irgendjemand etwas sagen von seiner illegalen Arbeit mit Cyborgs in Menschengestalt. Avram war ein Mann, der immer in Eile war, ein Getriebener, aber sie hatte gemerkt, dass er sie inzwischen mochte. Vielleicht meinte er, sie sei ein ausgleichender Einfluss auf Gadi. Hoffentlich war sie das.
Sie stieg hinauf, und ihre Schritte verlangsamten sich immer mehr. Sie hoffte, sie betete, während sie die Treppen emporschlich, dass wenigstens eine Universität für Gadi geboten (oder ihn wenigstens zugelassen) hatte, die für sie auch in Frage kam. Er hatte sich nicht wie sie vorbereitet. Er stritt sich ständig mit Avram. Seit Saras Tod verfiel das Haus. Natürlich nahmen sie die meisten Mahlzeiten in der Allmende-Kantine ein und ein Reinigungsroboter, der wie eine Kreuzung aus einem Dackel und einem altmodischen Staubsauger aussah, hielt das Haus benutzbar, aber ihre Wohnung wirkte wie ein instand gehaltener, doch unpersönlicher öffentlicher Ort, ein Hotel oder eine Herberge. Über Saras sterbenden Körper hinweg hatten Vater und Sohn Haltungen gegenseitiger Schuldzuweisung eingenommen; jetzt, ein Jahr später, konnten sie von ihren Angriffs- und Verteidigungsposen nicht ablassen, nur weil der Vorwand begraben war. Das Haus war merkwürdig, eine Art Museum für antikes Spielzeug, das Avram seit neuestem sammelte. Maschinen schluckten altmodische Münzen, man stieß eine Kugel durch ein blinkendes Labyrinth; in Spielen, die man in der Hand hielt, glitten winzige Silberkügelchen über Löcher in gezeichneten Gesichtern und Landschaften.