Er, Sie und Es. Marge Piercy

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Er, Sie und Es - Marge Piercy

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verknoteten sich unter der Steppdecke. »Rabbi Berger hatte keinen Grund, so mit dir zu reden«, sagte Gadi. »Du hattest recht, ihm gefiel nur nicht, wie du es gesagt hast.«

      Sie zuckte die Achseln, drückte sich näher an ihn. »Er sagt, ich habe eine schlechte Einstellung.«

      »Gut. Bleib dabei.«

      »Er ist so knochig. Meinst du, er klappert, wenn er die Treppen runterrennt?«

      »Bin ich zu mager?«

      »Du bist überhaupt nicht zu irgendwas, Gadi.«

      »Das sagst du jetzt. Glaubst du, wir werden mal wie andere Ehepaare? Ständig Krach und Sticheleien. Meine Eltern waren nicht so, soweit ich mich überhaupt erinnern kann, wie es war. Sie sprachen immer ihre eigene Sprache, in Höchstgeschwindigkeit. Sie arbeiteten den ganzen Tag zusammen, und abends redeten sie dann ohne Punkt und Komma, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen.«

      Gadis Zuhause roch wie ein Krankenhaus. Es war unnatürlich still. Shira war eine fröhlichere und geschäftigere Atmosphäre gewohnt. Malkah glaubte an die leiblichen Genüsse: gutes Essen, hübsches Geschirr, Vorhänge an den Fenstern, bequeme, gesunde Sitzhaltung an den Computern, die Kontakte immer gereinigt, sterilisiert. »Wär das nicht schön, wenn wir in meinem Haus leben könnten?«

      Gadi küsste sie leicht, streifte sie nur mit den Lippen. »Dein Haus ist der gute Ort meiner Träume. So war es schon immer.«

      »Wegen des Innenhofs. Wie die Synagoge.« Ein ganzes Makro innerhalb der Mauern ihres Hauses, alles grün und blühend, wie das Paradies. »Wär das nicht schön, wenn wir den Mut hätten, jetzt da zu sein?«

      »Eines Tages werden wir ihn haben. Wir ziehen uns völlig aus und liegen im Gras unter dem Pfirsichbaum. Du bist mein Pfirsich. Ich könnte dich verschlingen.«

      Er küsste sie wieder, härter diesmal, ihre Lippen waren weich und feucht und gierig, sie schnappten und saugten, ihre Zungen schlangen sich umeinander. In letzter Zeit schufen ihre Körper einen eigenen hitzigen Raum. Jahrelang hatten sie sich in den Armen gehalten und manchmal geküsst, doch dieser Teil wurde stärker und mächtiger. Er schob ihren Pullover hoch, um ihre Brüste zu berühren. Sie wuchsen und er spielte gern damit. Sie fühlte sich dann wie geschmolzen, als ob das Gewicht sich in ihr nach unten verlagerte. Küssen war früher immer Teil der Phantasievorstellungen, Teil der Spiele, doch in letzter Zeit wurde es etwas Eigenes.

      Er ließ von ihr ab und lehnte sich lächelnd zurück. »Mach die Augen zu, Shira. Ganz fest zu. Ich mache meine auch zu. Jetzt taste. Wir sind blind. Wir sind ohne Augen. Wir sind zwei blinde Geschöpfe, die sich begegnen, um einander zu erforschen. Und wir sprechen verschiedene Sprachen, also können wir nicht reden. Wir können uns nur berühren und Geräusche machen.«

      Langsam, langsam erbaute sie sich seinen Körper aus der rötlichen Dunkelheit ihrer zusammengekniffenen Lider. Seine Hemdknöpfe fühlten sich riesengroß an. Der Verschluss an seiner Hose war stachlig und rau unter ihren tastenden Fingern. Sie brauchten Stunden, so kam es ihnen vor, um sich gegenseitig auszuziehen, bis sie zusammen glatt, heiß, nackt waren. Sie spürte sein Herz an ihrer Wange rasen. Heiß und kalt, lockig und glatt, fest und seidig, drahtig, metallisch. Sein Körper war eine weitläufige Stadt, sie füllte ihren Kopf.

      Seine Hand glitt zwischen ihre Beine, berührte sie an der gleichen Stelle wie vor einer Woche, als sie im warmen, seichten Wasser der Bucht waren und den Haien zum Trotz schwammen, den Haien mit Flossen und den Menschenhaien, die nach Fleisch jagten. Trotzig schwammen sie ohne Schutzfett, nackt unter der giftigen Sonne und der giftigen Luft. Damals hatte sie ihn überrascht weggestoßen. Jetzt brannte sie und ihr Fleisch toste um ihn wie ein Feuer im Wind. Sie drückte sich an seine Hand. Er machte ihre Finger von seinem Penis los und ließ ihn an ihr entlanggleiten. Anfangs konnte er nicht hinein. Sie hatte Angst, aber sie konnte das Spiel nicht brechen, sie fragte nicht, was er tat, sie protestierte nicht. Nie brach sie das Spiel. Es war ein Bann. Es war das, worauf sie sich zubewegt hatten, das wussten sie beide.

      Er stöhnte. Es tat beiden weh. Sie stießen ihre Körper ineinander in verbissener Konzentration. Schließlich schaffte er es, ziemlich weit einzudringen, aber dann schrie sie vor Schmerz auf und er erschlaffte in ihr. Er glitt hinaus. Beide lachten und hielten einander.

      »Es ist nicht so leicht, wie es sich in den Stimmies anfühlt.«

      Sie prustete abfällig. »Woher willst du das wissen? Deine Eltern haben deine verschlüsselt, genau wie Malkah meine.«

      »Ich habe sie rückprogrammiert. Ich kann jeden Abdruck haben, den ich will.«

      »Fühle ich so gut wie die Schauspielerinnen?«

      Er lachte. »Nur du weißt, wie du fühlst. Ich wollte dir nicht wehtun.«

      »Es tut nicht echt weh. Willst du es noch mal versuchen?«

      Er war ungefähr halb eingedrungen und sie küssten sich leidenschaftlich, da schreckte sie ein lautes Geräusch auseinander. »Was ist das?«, fragte sie leise.

      »Psst! Jemand auf dem Flur?« Er sprang auf und zog sich an. Nachdem sie angespannt gelauscht hatte – niemand schien oben zu sein, das war es nicht, was sie erschreckt hatte –, sprang sie aus dem Bett und griff sich ihre Sachen.

      Dann hörten sie es wieder, jemand schrie unten. Ein lautes Krachen und dann, unverkennbar, das Geräusch einer verbotenen Laserwaffe. Gadi riss die Tür auf und lief zur Treppe, Versteck hin, Versteck her. Sie blieb nur stehen, um sich die Schuhe anzuziehen, dann jagte sie ihm nach, knöpfte sich im Laufen das Hemd zu und die Hose.

      Niemand war auf dem Flur, als Gadi die Tür der Mansarde aufmachte. Während er zum Labor stürzte, nahm sie sich die Zeit, die Tür zu schließen. Sie wollte nicht, dass Avram dahinterkam, wie oft Gadi und sie das Dachgeschoss benutzten. Sollte sie ihm nachgehen oder einfach hinausschlüpfen? Dann hörte sie Gadi von unten schreien und rannte zu ihm. Ihr fiel wieder das Geräusch der Waffe ein. Sie rief seinen Namen und rannte schneller. Hier war es recht friedlich gewesen. Sie erinnerte sich, was sie in der Schule über den letzten hässlichen kleinen Krieg gelernt hatte, in dem fast ein Viertel der Stadtbewohner umgekommen war, bis endlich Cybernaut den miteinander Krieg führenden freien Städten Frieden aufgezwungen hatte. Mehrere dieser Städte versorgten Cybernaut mit Programmen, Schimären, Fisch, Algen und Medikamenten aus dem Meer. Die Multis bestanden auf Frieden.

      Gadi war nicht im Vorraum, sondern schon weitergegangen. Avram arbeitete an einem Projekt für einen Multi, Olivacon. Anders als Malkah, die sich mit Fehlinformation beschäftigte, mit Pseudoprogrammen, abgefälschten Daten, dem Aufbau von Strukturen, die Basen durch Irreführung schützten und Schimären genannt wurden (ein Ausdruck, den Malkah selbst vor dreißig Jahren dafür geprägt hatte), arbeitete Avram an künstlicher Intelligenz. Er baute Verteidigungssysteme zur Abwehr von Einbrüchen in einen Multi oder eine Stadtbasis; die Konzerne beraubten sich ständig gegenseitig und Informationspiraten stahlen und verkauften Daten und Systeme. Der einfachste Weg, jemanden zu ermorden, war, ihn eingestöpselt zu erwischen und hirntot zu brennen. Was sie jedoch sah, als sie Gadis Stimme durch die nächsten beiden Räume in einen Teil des Labors folgte, den sie noch nie betreten hatte, war Avram, der sich über seinen Assistenten beugte. David lag zusammengekrümmt an der hinteren Wand. Noch jemand lag auf dem Boden, jemand, den sie noch nie gesehen hatte. David schien bewusstlos zu sein, obwohl seine Lider flatterten. Gadi beugte sich unschlüssig über seinen Vater, der David hielt und auf ihn einsprach. Eine Werkbank und ein Werkzeugständer waren umgestürzt und lagen inmitten wie wahnsinnig aufblinkender und summender Geräte.

      Sie blieb bei dem Fremden stehen. Er war offensichtlich tot. Nein. Sie schaute

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