Ein Haus voller Robinsons. Adrian Plass

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Ein Haus voller Robinsons - Adrian Plass

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dass er für sie betete, auf, nach vorn zu kommen und sich anzustellen, und dann betete und prophezeite er über uns allen, einer nach dem anderen. Leute fielen um und wurden mit dem Geist erfüllt und geheilt, und Kathy, zu mir hat er Dinge gesagt, die tief bis in mein Innerstes drangen und buchstäblich mein Leben verändert haben. Weißt du was? Gott hat mich in dieser Woche auf die erstaunlichste Weise vollkommen verwandelt, und -“

      „Joscelyn, Joscelyn, was redest du denn da?“

      Diesmal kam ich durch, wahrscheinlich, weil ich die Worte mit aller verfügbaren Energie durch die Telefonleitung geschleudert hatte.

      Joscelyn geriet aus dem Tritt und hörte sich über meine Frage verdutzt an.

      „Entschuldige - wie meinst du das? Was redest - warum fragst du mich, was ich rede? Ich erzähle dir, was diese Woche geschehen ist.“

      „Ich meine, Joscelyn, dass du mich, seit ich dich kenne, ungefähr einmal pro Monat angerufen oder besucht hast, um mir zu erzählen, dein Leben sei durch irgendjemanden oder irgendetwas auf die erstaunlichste Weise total verändert worden. Aber mir kommst du jedes Mal hinterher immer noch ganz genauso vor wie vorher. Ich meine, seien wir ehrlich: Wenn du wirklich schon so oft von Gott radikal verändert und verwandelt worden wärst, wie du meinst, dann wäre inzwischen von dir selber nichts mehr übrig, oder? Du müsstest inzwischen Elmat Zog vom Planeten Vorgan sein.“

      „Aber ich -“

      „Was du vermutlich eigentlich meinst“, fuhr ich unbarmherzig fort, „was du höchstwahrscheinlich in Wirklichkeit sagen willst, ist, dass du einfach wieder einmal einen kleinen, aber wichtigen Schritt hin zu der Erkenntnis getan hast, dass du eine Sünderin bist wie wir alle und dass Gott dir vergibt.“

      Plötzlich stiegen in mir all die Dinge auf, die ich bei unseren bisherigen Gesprächen immer gedacht, aber nie ausgesprochen hatte, und strömten heraus. Im Kopf hatte ich das alles schon oft gesagt. Es war, als brauchte ich nur einen wohlformulierten Text abzulesen.

      „Warum du das in diesen Blödsinn von wegen, total verwandelt‘ kleiden musst, ist mir schleierhaft. Ist dir denn nicht klar, dass du die ganze Zeit eigentlich nur von dir redest? Das machen Christen nun einmal so, Joscelyn. Wir alle tun das. Ich mache es auch. Ich bin ganz genauso. Ich schwafele endlos über mich selbst und meine Beziehung zu Gott und wie ich zurechtkomme und wie weit ich gekommen bin, und die ganze Zeit versucht Gott, auch einmal ein Wort dazwischenzubekommen und zu sagen:, Hör mal, es geht doch gar nicht um dich - es geht um mich und um das, was ich für dich getan habe. Hör auf mit der Nabelschau und sieh endlich in meine Richtung! Ich habe nämlich deinen blöden Nabel längst errettet, genauso wie den Rest von dir. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass du nie diese wunderbare Persönlichkeit werden wirst, von der du meinst, du müsstest sie sein, bevor ich überhaupt bemerke, dass du existierst.‘ Was du brauchst, Joscelyn, wenn ich das einmal sagen darf, ist, dass du endlich lernst, dich zu entspannen.“

      Mit diesem letzten, unfassbar heuchlerischen Ratschlag von mir, der am wenigsten entspannten Person im Universum, beendete ich meine Predigt, und an beiden Enden der Leitung trat tiefe Stille ein. Schließlich wurde sie an meinem Ende vom Schrillen der Türklingel unterbrochen. Ich war mehr als erleichtert, dass sich mir ein so unverfänglicher Fluchtweg bot.

      „Hör mal, Joscelyn, ich muss jetzt Schluss machen, es ist jemand an der Tür. Du bist doch nicht böse wegen dem, was ich gesagt habe, oder?“

      „Nein, nein …“

      „Also, pass auf, ich rufe dich später wieder an, okay?“

      „Okay …“

      Ein dünnes Stimmchen. Noch nie hatte sich Joscelyn so entmutigt und niedergeschlagen angehört. Mit gequälter Entschlossenheit legte ich den Hörer zurück auf die Gabel. Was hatte ich getan? Für wen hielt ich mich denn? Was würde Mike sagen, wenn er erfuhr, dass ich versucht hatte, Joscelyns geistlichen Optimismus auszublasen wie eine billige Kerze? Ich seufzte, als mir plötzlich einfiel, dass später meine Freundin Dip Reynolds auf einen Kaffee vorbeikommen wollte, weil sie mir etwas Wichtiges zu sagen hatte. Noch ein potentielles Opfer? Vielleicht war ich bis dahin schon wieder etwas menschenähnlicher. Dip hatte immer einen guten Einfluss auf mich.

      Als ich die Tür öffnete, stand unser neues Milchmädchen neben einer Kiste Milchflaschen vor mir auf der Schwelle. In der Hand hatte sie ein kleines Bündel dünner Zettel. Sie war ein junges, dünnes, beinahe sehr hübsches Mädchen mit großen, vertrauensvollen Augen, ovalem Gesicht und zwei schwarzen Locken, die ihr über die Wangen hingen. Ihr Gesichtsausdruck war sehr ernst. Seit sie vor ein paar Wochen die Auslieferung für unseren Bezirk übernommen hatte, hatte sie eine neue Methode entwickelt, um die Rechnungen zu verteilen und das Geld einzusammeln, die angeblich ihr und uns, ihren Kunden, die Sache mit der Bezahlung der Milch erheblich erleichtern sollte. Ich war durchaus offen für den Gedanken, dass sie uns die Sache hätte leichter machen können - wäre es uns nur je gelungen, sie zu begreifen. Doch weder Mike noch ich waren in der Lage gewesen, das neue System auch nur ansatzweise zu verstehen, obwohl wir das Mädchen an einem Samstagmorgen sogar hereingebeten hatten, um uns mit ihr an den Küchentisch zu setzen und uns die Sache erklären zu lassen.

      Wohlgemerkt, das lag ebenso sehr an uns wie an ihr - vermutlich sogar noch mehr. Mike verfügt in den meisten Dingen über einen durchaus klaren Verstand, aber Gott sei Dank haben wir beide eine chronische Unfähigkeit, zu verstehen, wovon die Rede ist, wenn jemand schneller als im Kriechtempo über irgendein Thema im Zusammenhang mit Geld zu uns spricht.

      So war es auch vor einigen Jahren gewesen, als wir dabei waren, das hohe, schmale, dreistöckige viktorianische Haus zu kaufen, in dem wir nun von Trog zu Schlafquartier die Treppe hinauf und hinab krabbelten wie eine Familie neurotischer Hamster.

      Der Mann, der für unser Darlehen zuständig war, hätte genauso gut die Sprache eines verschollenen südamerikanischen Stammes sprechen können, soweit es uns staunende, hirnvernebelte Robinsons betraf. Alle paar Minuten, wenn unser Kreditberater Luft holen musste, meldete sich Mike, der sich optimistisch mit einem Notizblock und einem Kuli bewaffnet hatte, kläglich zu Wort: „Und was werden wir nun wahrscheinlich insgesamt pro Monat bezahlen müssen?“ Sodann nannte der Mann widerstrebend einen Betrag, den Mike sich notierte, worauf der Mann nach einer meisterhaft bemessenen Kunstpause beiläufig hinzufügte, darin seien natürlich noch nicht zwei oder drei weitere kostspielige, aber unverzichtbare Posten enthalten, auf die er später noch zurückkommen werde. Mike strich die Zahl wieder durch, die er sich soeben notiert hatte, fuhr sich verzweifelt mit der Hand durch die Haare und machte schon den Mund auf, um eine weitere Frage zu stellen. Inzwischen hatte der Mann jedoch wieder zu reden begonnen, und es dauerte wieder einige Minuten, bis es möglich wurde, die ganze Routine ein weiteres Mal zu durchlaufen. Am Ende kamen wir uns vor wie hirnamputierte Schimpansen in einer Ballettschule.

      Unsere Begegnungen mit diesem obskuren Fachchinesisch hatten freilich auch ihre Reize. So intelligent dieser junge Mann vermutlich auch war, hatte er sich im Laufe seiner beruflichen Zusammenkünfte mit Kunden unbewusst angewöhnt, jeden zweiten Satz mit den Worten „Ehrlich gesagt“ zu beginnen. Als der Termin für unser drittes Gespräch mit ihm näher rückte, schlossen wir wie zwei ungezogene Kinder einen Pakt: Da wir ohnehin nicht die leiseste Ahnung hatten, wovon er redete, wollten wir uns die gute Stunde, die wir mit ihm zubringen mussten, lieber damit vertreiben, mitzuzählen, wie oft er diesen verdächtigen verbalen Winkelzug anwandte. (Mike ist zu solchen milden Bosheiten fähig, wenn er sich Mühe gibt, und ich finde es herrlich, wenn er das tut.) An jenem Tag muss es unserem Kreditberater große Befriedigung verschafft haben, wie wir jedes seiner Worte aufsaugten, ohne ihn zu unterbrechen. Ich glaube, wir waren bei vierundzwanzig angelangt, als das Gespräch sich seinem Ende näherte, und an diesem Punkt beschloss ich,

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