Ein Haus voller Robinsons. Adrian Plass

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Ein Haus voller Robinsons - Adrian Plass

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muss, bevor man überhaupt wieder aufs Spielfeld darf, geschweige denn vorwärts ziehen.

      „Kath, hast du dir die Sache mit dem Besuch bei Pete und Dawn schon überlegt?“

      Oh, wie ich es hasse, wenn Leute versuchen, mich zu managen. Ich wusste genau, was Mike vorhatte. Da er genau wusste, dass im Augenblick mit mir über das, was gerade passiert war, unmöglich auf ruhige und gesittete Art zu reden war, schlug er einen weiten Konversationshaken, so ähnlich wie diese cleveren Hütehunde im Fernsehen, um mich dann im richtigen Moment unausweichlich in die Enge zu treiben. Und er hatte seine Route mit Bedacht gewählt.

      Mein älterer Bruder Pete, den ich seit Anbeginn der Zeit tief verehrte, war vor fünfzehn Jahren mit seiner Frau nach Australien ausgewandert. Nicht, dass ich immerzu nur an meinen großen, dunkelhaarigen, lachenden, seine kleine Schwester liebenden Pete gedacht hätte, aber hin und wieder durchfuhr mich ein wirklich schmerzhafter Krampf bei dem Gedanken, dass ich ihn vielleicht nie wieder von Angesicht zu Angesicht sehen würde und dass meine beiden hübschen Nichten in Brisbane aufwuchsen, ohne je ihre Tante kennen zu lernen, deren Fähigkeit, Leute Tag für Tag auf die Palme zu bringen, eine Fernsehserie wie „Die Lindenstraße“ noch abgestandener wirken lässt, als sie es tatsächlich ist. Ich hatte immer vorgehabt, etwas von dem Geld, das meine Mutter mir hinterlassen hatte, dafür zu verwenden, hinzufliegen und sie zu besuchen, aber Sie wissen ja, wie das mit Geld ist. Es wird ausgegeben. Doch dieses Jahr, sogar genau in einer Woche, sollte ich meinen fünfzigsten Geburtstag feiern. Wir hatten noch zweitausend Pfund auf einem Building-Society-Konto liegen, das wir vor ein paar Jahren, als die mit Zinsen um sich warfen wie ein Düngerspritzgerät zur Pflanzzeit, auf Jacks schlauen Rat hin eröffnet hatten. Zu meiner Überraschung hatte Mike vorgeschlagen, dass das Geld dazu verwendet werden sollte, Felicity und mich zu einem Familientreffen zu den Antipoden zu schicken.

      Wunderbar, nicht? Ja, natürlich, aber haben Sie schon einmal gemerkt, was alles Komisches passieren kann, wenn einem endlich etwas angeboten wird, das man schon immer wollte? In viel kleinerem Maßstab hatte ich das schon umgekehrt erlebt, nämlich bei jenen seltenen Gelegenheiten, bei denen mein Sinn für Dramatik mich zu dem Versuch antrieb, den beiläufig geäußerten Traum eines anderen Wirklichkeit werden zu lassen. In dem Moment, wenn Phantasie und Wirklichkeit sich berühren, kann eine Wirkung entstehen wie bei einem Elektroschock. Die Leute mögen es nicht, wenn man mit ihren Träumen herumpfuscht; vielleicht, weil sie sich so hervorragend dazu eignen, sich die Wirklichkeit vom Leib zu halten.

      In diesem Zusammenhang erinnere ich mich, wie ich vor ungefähr einem Jahr mit Mike und unserem Hauskreisleiter und so ziemlich allen anderen Ärger bekam, außer meiner Freundin Dip, als ich jemandem just zu diesem Thema eine Frage stellte.

      In unserer Bibelgruppe hatten wir ein jüngeres Pärchen (das sich inzwischen etwas explosiveren, charismatischeren Weidegründen zugewandt hat) namens Bernard und Julie. Sie waren seit fünf oder sechs Jahren verheiratet. Der Mann, Bernard, war ein sympathischer, lockerer Typ, der mit einem Lieferwagen herumfuhr und irgendetwas Unerklärliches für das Wasserwerk tat; und sie war wohl auch ganz in Ordnung, wenn auch ein bisschen albern und unreif (nicht, dass ich über die kleine Närrin richten wollte, versteht sich). Ich glaube, sie war so etwas wie Zahnarzthelferin in einer der Praxen in unserem Ort. Vielleicht waren ihr all die Angst und der Schmerz, deren Zeugin sie wurde, irgendwie an die Nieren gegangen.

      Julie schwärmte wie besessen für Ralph Fiennes, von dem ich nur wusste, dass er ein beliebter Filmschauspieler ist. Wann immer sie über ihn sprach, und das tat sie oft und ausführlich, bekam sie total glasige Augen und erzählte, wie toll sie ihn fände und dass sie dauernd von ihm träume und wer weiß was noch alles. Es ging mir ziemlich auf die Nerven, muss ich zugeben, und auch ihrem Mann schien es ein bisschen zu stinken, obwohl er in unserer Gegenwart nie ein Wort darüber sagte. Eines Abends, als wir nach der Bibelarbeit noch zusammensaßen und Kaffee tranken und Julie es irgendwie geschafft hatte, das Gespräch von einer Diskussion darüber, an welcher Stelle des Gottesdienstes die Bekanntmachungen erfolgen sollten, auf die Frage umzulenken, was schöner sei, „Ralphs“ Haare oder sein Mund, stellte ich ihr eine vollkommen harmlose Frage - na ja, das hier soll ein wahrheitsgemäßer Bericht werden; also bekenne ich, dass sie ganz so harmlos nicht war, auch wenn ich es damals steif und fest behauptete.

      „Julie“, sagte ich, „darf ich dich etwas über Ralph Fiennes fragen?“

      „Oooh ja, bitte“, seufzte sie, offensichtlich etwas überrascht über mein Interesse.

      „Du schwärmst ziemlich für ihn, nicht wahr?“

      „Oooh ja!“

      „Nun, angenommen, du bekämst einen Anruf von ihm - von Ralph Fiennes, meine ich - morgen früh, okay?“

      „Oooh, ja?“

      „Und er würde sagen:, Hallo, Julie, ich komme heute um halb vier bei dir vorbei, um eine wilde Sexorgie mit dir zu feiern‘ - also, meine Frage ist, würdest du?“

      Das Schweigen, das auf diese rein sachliche Erkundigung folgte, war so tief, dass ich schon dachte, keiner von uns würde je wieder sprechen oder sich bewegen. Ob wir wohl bis zum Ende der Zeiten hier herumsitzen würden wie Schauspieler in einer eingefrorenen Theaterszene? Es war natürlich keine besonders bibelstundengeeignete Frage. Julie war puterrot angelaufen, Mike hatte sein Ich-dachte-du-hättest-dir-solche-Sachen-abgewöhnt-Gesicht aufgesetzt, und die meisten anderen schienen einfach nur peinlich berührt zu sein. Die beiden Einzigen, für die das nicht galt, waren meine Freundin Dip, die ihren Kopf in den Nacken gelegt hatte, um die Zimmerdecke zu studieren, und sich mit zusammengepressten Lippen ein Lächeln verkniff, und Bernard, der seinen Kopf in Richtung seiner Frau neigte, als brannte er darauf, ihre Antwort auf meine Frage zu hören.

      Mike war hinterher ziemlich verschnupft deswegen, und Simon Davenport, unser Hauskreisleiter, rief mich am nächsten Tag an und fragte mich, wie ich meine Äußerung empfände. Übersetzt war dies die kräuseläugige, konfliktvermeidende Fassung der Botschaft: „Du hättest das nicht sagen sollen.“ Um des lieben Friedens willen stimmte ich ihm zu.

      Schon komisch, solche Träume.

      Und mein Australien-Traum war wirklich eine heikle Sache. Ein Teil von mir wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Felicity loszufliegen und meinen Bruder und seine Familie zu besuchen, doch ein anderer, jammervoll unreifer Teil von mir hatte eine Heidenangst vor einem tatsächlichen Zusammentreffen nach all den Jahren. Wenn ich nun alles vermasselte? Was, wenn die überwältigende Bedeutung dieser Begegnung meinen ganzen emotionalen Haushalt einfrieren und die ganze Sache unbehaglich und angespannt werden ließ?

      Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass all meine goldenen Erinnerungen sich in ein bleiernes Gewicht des Versagens verwandeln könnten. Voll Inbrunst wünschte ich mir, ich wäre jemand, der nicht bis zum Erbrechen über alles grübelt und nachdenkt; jemand wie Mike, der, wenn ich versuchte, ihm meine Ängste begreiflich zu machen, ein völlig ratloses Gesicht machte und dann nickte wie ein guter Seelsorger und sagte: „Sei einfach du selbst, dann wird schon alles klappen.“ Am liebsten hätte ich laut geschrien, dass es gerade dieses „Ich-selbst-sein“ war, das mir Sorgen machte.

      „Die Antwort auf deine Frage, Mike“, erwiderte ich, ohne mich umzudrehen oder mit meiner Spültätigkeit innezuhalten, „ist, dass ich vorhabe, hin und her zu schwanken und immer wieder meine Meinung zu ändern, bis die Entscheidung unausweichlich wird. Dann werde ich wahllos eine Entscheidung treffen, die sich als falsch erweisen wird. Ich hätte angenommen, dass du das weißt, auch ohne zu fragen. Du weißt doch, wie konsequent ich bin.“

      Ein Seufzen kam vom anderen Ende der Küche. Ich war sicher, wenn ich genau hinhörte, würde ich Mikes Gehirn denken hören, dass zu mir einfach nicht durchzukommen war, wenn ich so aufgelegt war. Trotzdem versuchte er es noch einmal.

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