Wu. Frank Rudolph

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Wu - Frank Rudolph

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Körper ist, gibt es eine durchaus wissenschaftliche Begründung für seine tatsächliche Existenz. Wenn der Mensch noch als Embryo im Mutterleib ist, erfolgt die gesamte Versorgung (Ernährung und Atmung) über die Nabelschnur. Da der dantian unterhalb des Nabels liegt, ist das Energiezentrum des Menschen somit schon in seiner Embryonalzeit festgelegt.

      Die alten chinesischen Meister der Kampfkunst und Medizin (beides gehörte ursprünglich zusammen) erforschten alles, was mit dem dantian zusammenhängt, über Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende hinweg sehr genau und entwickelten daraus eben jene Trainingsmethoden, die als Gong-Übungen bezeichnet werden. Sie dienen dem Training, der Gesunderhaltung und der Pflege des Zinnoberfeldes.

      Auch im Westen ist dies eigentlich inzwischen nichts Neues mehr, und selbst Künstler nutzen die Kraft des dantian: Der italienische Opernsänger Luciano Pavarotti, eine der hervorragendsten Stimmen des 20. Jahrhunderts, entdeckte die Dantian-Atmung für sich und trainierte sie mit großem Erfolg. Als er eines Abends mit Lampenfieber vor einem großen Konzert in seinem Hotelzimmer saß, hörte er im Zimmer nebenan ein Baby pausenlos schreien. Er wunderte sich darüber, dass ein Säugling ununterbrochen mit starker Lautstärke schreien kann, was selbst für einen Mann wie ihn ein Problem wäre. Er erforschte dieses Phänomen und stieß dabei auf die Bauchatmung und damit auf den dantian. Ein Neugeborenes besitzt eben noch genau diese Fähigkeit und atmet mit dem Zinnoberfeld, welches schon im Mutterleib sein Energie- und Vitalzentrum war. Natürlich könnte man nun fragen, was das Beispiel Pavarottis mit Kampfkunst zu tun hat. – Tatsächlich alles, denn für die Kampfkunst gilt das gleiche Prinzip: Mit zunehmendem Alter verlieren wir meist die tiefe Bauchatmung sowie viele andere ursprüngliche Eigenschaften. Mit dem Training der Gong-Übungen will man genau diese Eigenschaften fördern und entwickeln.

      Die sogenannten inneren Stile, das qigong (气功), das luohogong (罗汉 功) und das yanchigong (砚弛功), sind verschiedene Arten von Trainingsmethoden. All diese Übungen haben nichts Mystisches an sich. Es handelt sich einfach um hartes, ausdauerndes und wohldurchdachtes Training. Gong-Übungen haben auch das Merkmal des isometrischen Kraftaufbautrainings, wie es heute überall auf der Welt viele Profisportler mit sehr guten Ergebnissen nutzen.30

      Im chinesischen wushu wird diese Art des Trainings bereits sehr lange erforscht und angewandt. Doch auch hier geht man inzwischen oft den leichteren Weg und wählt die größere Bequemlichkeit. So ist zwar die weiter hinten im Buch vorgestellte Trainingsmethode des zhanzhuang (站壮) in China noch gut bekannt, wird aber heute kaum noch von jemandem praktiziert, da diese Art Übung als »zu anstrengend« gilt. Was man heute in chinesischen Parks und teilweise auch in Europa sieht, ist eine sehr abgeschwächte Form dieser Übungen und nicht mit dem Original zu vergleichen. Ursprünglich musste man hierfür stundenlang in tiefen Stellungen verharren, eine Tortur, die allerdings für den korrekten Kraftaufbau im kampforientierten wushu nötig ist. Aufgrund dieser Gong-Praxis konnte ein Meister die Fähigkeiten seines Gegenübers bereits an dessen Stand und dessen Gang ablesen. Auf diese Weise war es für einen Scharlatan schwer, sich als Meister auszugeben.

      Ähnlich verhält es sich bei einer anderen Übung, welche besonders wichtig ist im wushu, dem Dauer-Handstand. Auch hier bestätigt die westliche Sportwissenschaft, dass der Trainingseffekt um so besser ist, je länger die Muskelspannung währt. Im Chinesischen wird dies changjin (长劲) genannt – das Anwachsen und Entwickeln der Kraft. Allerdings muss man anmerken, dass man im wushu (und dies gilt wohl auch für alle anderen Kampfkünste) unter Entwicklung der Kraft nicht den Zuwachs an Muskelmasse versteht, sondern die Zunahme an Flexibilität und Funktionalität des Körpers. Das heißt, 70 Kilogramm Körpermasse, die schnell und flexibel eingesetzt werden können, sind besser als 100 Kilogramm Steifheit. An den westlichen Boxern sieht man das sehr gut. Mike Tyson hat sicherlich eine enorme Muskelmasse, die er aber durch entsprechendes Training flexibel im richtigen Moment zum Einsatz bringen kann, und das ist das Entscheidende. So ist es in erster Linie nicht wichtig, wie groß die Kraft ist, sondern wie man sie anwendet und auf den Punkt bringt.

      Hier in Deutschland staunte ich nicht schlecht, als ich Zeuge von Kursen und Workshops über chinesisches gong wurde und die dort vorgestellten Übungen tatsächlich nichts anderes waren als die morgendlichen Parkübungen von alten chinesischen Damen. Ich will das jedoch nur bedingt kritisieren, denn oft steckt einfach Unwissenheit dahinter. Echtes gong sieht man auch in China eher selten. Ob es jedoch von betrügerischer Absicht oder einfach von ausgeprägtem Geschäftssinn zeugt, wenn solch fragwürdiges gong zu völlig überzogenen Preisen angeboten wird, sei dem Urteil des Lesers überlassen. Natürlich hat das gemütliche Training, das so viele Menschen täglich in den chinesischen Parks betreiben, nichts mit Gong-Training und wushu zu tun. Es ist wenig mehr als ein Zeitvertreib in China und wird sehr selten von echten Könnern angeleitet. Echtes wushu und gongfu, das möchte ich abschließend nochmals betonen, ist sehr anstrengend und mühsam, und leider sterben die alten Techniken auch in China aus und werden so gut wie nicht mehr praktiziert.

      Es gibt in China spezielle Übungskomplexe, die jeder kampforientierte Wushu-Schüler absolvieren muss. Einer dieser Komplexe ist das yanchigong (砚弛功). Das Schriftzeichen yan bedeutet Tuschestein, und das Schriftzeichen chi steht für entspannen und lockern. Für einen chinesischen Tuschestein wird die Tusche durch sehr langwieriges und langsames Mahlen verarbeitet, um so die beste Qualität zu erreichen. Genauso sind die Übungen des yanchigong – langsame Bewegungen, bei denen sich Spannung und Entspannung abwechseln. Jede Position, die der Körper einnimmt, beeinflusst die inneren Organe, wie ich es bereits am Beispiel der natürlich eingezogenen Brust erklärt habe. Durch das Zusammenspiel der einzelnen Übungen werden nach und nach sämtliche Organe stimuliert, was sich wiederum auf die Energie für das Training auswirkt. Das Training stärkt den Körper, und der starke und gesunde Körper wiederum ermöglicht ein gutes Training. Während des Übens muss sich das Zeitgefühl ändern. Das heißt, der Stundenzeiger der Uhr sollte sich sozusagen in den Minutenzeiger verwandeln. Ohne eine derart veränderte Wahrnehmung der Zeit wäre das traditionelle Gong-Training kaum zu ertragen.

      Das yanchigong besteht aus 21 Bewegungen, die in drei Teile zu jeweils sieben Übungen eingeteilt werden. Gerade die letzten sieben Bewegungen haben es in sich. Hierfür muss man in verschiedenen sehr tiefen Stellungen stundenlang ausharren. Der erste Teil fördert den Blutdurchlauf im Körper. Man bewegt sich beispielsweise langsam in die Hocke und geht dann ebenso langsam wieder nach oben, wodurch die Durchblutung erheblich verbessert wird. Der zweite Teil unterstützt das Gewebe und die inneren Organe. Diese Bewegungen sind wesentlich komplizierter. So benutzt man jeweils nur ein Bein, um in die Hocke zu sinken und sich anschließend wieder aufzurichten. Auch zieht man seine Knie oft zum eigenen Körper, was sehr gut ist für die inneren Organe. Der dritte Teil ist sehr schwer. Er dient allen inneren Organen und fördert eine innere Körperkraft. Es wird statisch trainiert, in tiefen Stellungen, ohne sich zu bewegen. Ich selbst, obwohl kein trainingsfauler Mensch, habe mit dieser Art des Übens Schwierigkeiten. Wenn man dieses gong durchhält, ist der Effekt allerdings sehr gut. Bei meinem Lehrer Li Zhenghua und auch bei ein oder zwei anderen Meistern, die in ihren jungen Jahren ähnliche Trainingsmethoden anwendeten, sah ich Muskelpartien am Bein, die ich bis dahin noch gar nicht kannte. Und das, obwohl diese Herren schon um die 60 Jahre alt sind.

      Foto 14

      Foto 15

      Fotos 14 und 15: Bewegungsfolge aus dem ersten Teil des yanchigong. Man beachte die eingezogene Brust; das Herz wird durch diese Stellung »eingewickelt« und dadurch in eine pflegende und beruhigende Position gebracht. Man geht hierbei ganz langsam nach unten und wieder nach oben; je langsamer,

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