Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Aleister Crowley & die westliche Esoterik - Группа авторов

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Wegen verflochten,/​die zu dir führen, meine Königin, die du mir das Leben gabst,/​als mein ganzes Herz noch grün war“].71 Diese Zeilen, die an Pan gerichtet sind, beinhalten ein Element von Crowleys Verbindung zu Neuburg – er ist sowohl „Herr“ als auch „Königin“ –, das zumindest eine unterschwellige Botschaft für dieses Gedicht, wenn nicht gar für die ganze Sammlung darstellt. Gleichermaßen lässt Neuburg in seinem Titelgedicht wenig Raum für Zweifel hinsichtlich des Gemeinten: „there is a Great One, cold and burning/​Crafty, and hot in lust,/​Who would make me a Sapphist and an Urning,/​A Lesbian of the dust“. [Es gibt einen Großen, kalt und feurig/​Ausgefuchst und heiß vor Lust,/​Der mich zur Lesbe macht, zum Urning/​einer Lesbierin aus dem Staub].72 Ob mit diesem „Großen“ Crowley gemeint war oder nicht – deutlich wird, dass Neuburg seine Spiritualität als sexualisierte (oder bisexualisierte) „Lesbe“ und als „Urning“ erlebt hatte. Der Gebrauch des Wortes „Urning“ liefert einen besonderen Hinweis über Neuburgs Gedankenwelt. Der Begriff, der aus Platons Symposion bekannt ist, wurde ein halbes Jahrhundert zuvor von Karl Heinrich Ulrichs in dessen Ausführungen zur Homosexualität übernommen und taucht in Edward Carpenters Buch The Intermediate Sex (London 1908), das großen Einfluss auf Neuburg hatte, erneut auf. Als großer Bewunderer Carpenters, welcher selbst von östlicher Religion und Philosophie beeinflusst war, und besonders angetan von der Idee, dass Homosexualität möglicherweise eine neue Evolutionsform sei, sog Neuburg augenscheinlich die Diskussionen über das, was Carpenter als „Doppelzüngigkeit der Natur“ bezeichnete – die weibliche, in einem männlichen Körper gefangene Seele und umgekehrt – begierig in sich auf. In The Triumph of Pan verarbeitet Neuburg dieses Thema, indem er zeitgenössische Ausführungen über Homosexualität mit dem beständigen Motiv des Hermaphroditen verquickt. Indem er sich in seinem Gedicht sowohl als Frauen begehrende Frau, als auch als Männer begehrender Mann positioniert, zeichnet Neuburg das Bild eines radikal andersgearteten „Hermaphroditismus“: zwei „Umkehrungen“ „in einem“.

      Crowley hingegen erlebte seine Bisexualität, in der klassischen Sprache der Psychoanalyse formuliert, als „das Zusammentreffen zweier heterosexueller Begierden innerhalb einer einzelnen Seele“.73 Dies bedeutete, dass Crowley sich – als begehrender Mann – Luft über das machte, was er für den ultimativen Ausdruck von Männlichkeit hielt: die (wenn auch abgewandelte) „wilde männliche Leidenschaft, zu erschaffen“; als begehrende Frau trachtete er danach, zum schönen Objekt dieser „wilden männlichen Leidenschaft“ zu werden. Oft verwendete er den Namen „Alys“ (eine verweiblichte Form von Aleister), um seine Weiblichkeit zu markieren, und als Alys nahm er an, was er für die weibliche sexuelle Rolle hielt. In seiner Beziehung zu Victor Neuburg nahm Crowley die dienende Position einer begehrenden Frau ein. Indem er dies tat, verfing er sich jedoch in Phantasien, die weit über das rezeptiv „Weibliche“ hinausgingen. Als Objekt männlicher Begierde war Crowley einem Szenario hörig, das von orgiastischer Gewalt gekennzeichnet war. Dies zeigte sich zum Beispiel in seiner Beziehung zu Neuburg in der zentralen Bedeutung, die der Gott Pan innehatte – „’All-Verzehrer, All-Erzeuger’“; „Panik“ zu erleben, bedeutet, sowohl Ekstase als auch Schrecken als Aspekte des Gottes zu erfahren.74 Pan, jener Vertreter des heidnischen Griechenlands, der für homosexuelle Männer in der viktorianischen Zeit von besonderer Bedeutung war, und der in der christlichen Vorstellung lange mit dem Teufel assoziiert wurde, war ein machtvoller Verkünder der sexualisierten Magie, die die beiden Männer initiiert hatten.75 Wenn Crowley und Neuburg von Pan sprechen, ist dessen Bild mit Hitze und Gewalt aufgeladen: ein Gott, halb Mann, halb Tier, der Männer wie Frauen gleichermaßen überwältigt und vergewaltigt. Crowley, der in jüngeren Jahren Schmerzen fürchtete und sie vermied, warb als Frau aktiv darum. Und als begehrende Frau agierte er Phantasien aus, in denen er selbst zum Ziel seiner eigenen, unerkannten Frauenfeindlichkeit wurde. Falls seine „duale Struktur“ die sadistischen Impulse seiner männlichen Sexualität durchgängig umwandelte, unterstützte sie – wie der große Kreis aus losen Felsen auf dem Da’leh Addin – eine Art Geschlossenheit. In seiner dualen Identifikation opferte Crowley sich selbst als Objekt seiner eigenen Begierden.

      Das „Opfer“ auf dem Da’leh Addin, während dessen Crowley die „Entwerdung des Selbst in Pan“ und die Vollendung mit „dem ersten und dem letzten Atemzug … Gottes“ erlebte, bezeichnet in der Tat eine Ursprungsszene von beachtlicher Wichtigkeit. Darin wurde eine erotische Beteiligung an Schmerz und Schändung, die sich zunehmend in den „abstoßenden Ritualen“ seiner magischen Praxis ausformte, in lebhaftem Gespann mit Phantasien von Bestialität und männlicher Vergewaltigung ausgelebt. Das starke masochistische Element, das sich durch Crowleys unterschiedliche sexuelle Identifikationen zog, und das er als konstituierendes Element seiner Männlichkeit wie seiner Weiblichkeit betrachtete, erlangte im Augenblick der Opferung seine Vergöttlichung.76 Doch markiert das „Opfer“ auch gleichermaßen die Auslassung von Identifikationen – magischen wie weltlichen –, um die die Beziehung Crowley-Neuburg unendlich kreiste. So, wie Crowley darauf insistieren konnte, dass Neuburg, der eine Inkarnation des wilden Gottes war, zugleich ein „Masochist“ und ein „Päderast“ gewesen sei, erlebte Neuburg Crowley, seinen augenscheinlich feminisierten Liebhaber, als „homosexuellen Sadisten“. Wahrscheinlich hatte Crowleys ausdrückliche Weiblichkeit wenig mit der scheinbaren Machtlosigkeit zu tun, die sie pries. Eine sexuelle Szene, die von der Ausgestaltung einer Vergewaltigungsphantasie dominiert wurde, war vermutlich, wie alles andere in ihrer Beziehung, von Crowley selbst gelenkt und kontrolliert. Das Ritual auf dem Berg kommentiert Crowley einfach mit den Worten: „Da opferte ich mich selbst“. Aktiv und passiv; Bekenntnis und Leugnung; dieser, der opfert, und jener, der geopfert wird – Crowley kennt die Doppelsinnigkeit des Bundes. Und in einem abschließenden Anflug von Verleugnung und Verdrängung schließt er die Beschreibung mit den Worten: „Da war ein Tier in der Wüste, doch es war nicht ich“.77

      Crowleys Vision ist eine manichäische, in der sich die Prinzipien von Licht und Dunkelheit in ewigem Kampf befinden und höchste magische Fertigkeiten untrennbar mit einer „wilden“ Bestialität verbunden sind. Er ist der erleuchtete Magus und das „Tier in der Wildnis“, „beides in einem … in einer einzigen identischen Gleichsetzung“. Nachdem er 1909 den Abyssus überquert hatte, erkannte er The Book of the Law schließlich an, und mit ihm seine Bestimmung als Prophet des Horus. Als solcher nahm er den Titel des Tieres 666, des „Tieres“ aus dem Buch der Offenbarung an, mit dem er sich seit seiner Kindheit identifiziert hatte. Seine Anerkennung dieser Benennung, die in Neuburgs Triumph of Pan zelebriert wird und in okkultistischen Kreisen ein Synonym für den Namen Crowleys ist, markierte eine neue Phase seines magischen Schaffens.78 Schmerz, Blut und Exkremente wurden zu Markenzeichen seiner „abstoßenden Rituale“, und seine Anhänger wurden verpflichtet, das „Zeichen des Tieres“ an ihren Körpern zu tragen.79 Als in den 1920ern Horrorgeschichten über sein Treiben in der Abtei von Thelema zu kursieren begannen, denunzierte die populäre Presse Crowley als eine „den Teufel anbetende menschliche Bestie“.80 In einer ironischen Umkehrung seiner eigenen früheren Vorstellung seiner „zwei Persönlichkeiten“ verkörpert Crowley in der öffentlichen Wahrnehmung eine Art geifernden, animalischen Mr. Hyde. Er wurde in die monströse Kreatur der Crowley-Legende verwandelt, in einen Schwarzmagier von mythischer Größe, dessen dämonische Fassade an W. T. Steads Jack the Ripper erinnert – den sadistischen Mörder, der einen erotisierten und „unkontrollierbaren Geschmack an Blut“ findet.81 Crowley wurde zum modernen Vertreter des „Bestienkultes“ des Fin de Siècle, zum Monster, das die dunkle Seite des Mondes anheult.82

      In diesem Kapitel habe ich einen Aspekt meiner umfassenderen Ausführungen zum multidimensionalen Verhältnis zwischen der Ritualmagie des Fin de Siècle und maßgeblichen zeitgenössischen Befürchtungen präsentiert. Die Untersuchung des magischen Wirkens Crowleys in der Wüste ist Teil der Begründung, die ich für die magische Praxis als wichtige, wenn auch unorthodoxe Artikulation dessen vorbringe, was wir heute als modernes Selbstgefühl verstehen. Eine Deutung von Crowleys Erlebnissen in Nordafrika besteht gewiss darin, dass die fortgeschrittene Ritualmagie auch dann, wenn sie das okkulte Ziel der Wiederaufrichtung eines zersplitterten und gespaltenen Selbst verfolgt, zu einer radikal „modernistischen“ Dezentrierung des Subjekts auffordert.83 Crowleys Experiment zeigt gleichermaßen, dass die magische Praxis

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