Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Aleister Crowley & die westliche Esoterik - Группа авторов

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Nacht mit einem jungen Araber in dieser Stadt arrangiert, damit Gide seine eigene sexuelle Identität bestätigt finden konnte.38 Für diese Europäer war eine augenscheinliche Akzeptanz von le vice contra nature [dt. etwa „widernatürliches Laster“] Teil der Verlockungen der arabischen Welt. Auch wenn die Wüste für Crowley, wie auch für Lawrence, noch von weit tiefer gehender Bedeutung gewesen ist, stand sie für den – oft ehrenvollen – Ausdruck einer heterodoxen männlichen Sexualität.

      Doch Crowleys Liebe zur Wüste und deren Bezug zu intensiver Sexualität war weit komplexer als dies. Mit „The Soul of the Desert“ [Die Seele der Wüste], das 1914 veröffentlicht wurde, verfasste Crowley einen lyrischen Lobgesang auf die mystische Kraft dieser „Wildnis aus Sand“.39 Die Wüste, so sagt er, habe die Kraft, einen Mann von allem, was er hat und ist, zu entkleiden, so dass er am Ende nackt vor dem Angesicht der Elemente stehen muss. So, schreibt er, „findet sich das Ego allein, demaskiert, nur seiner selbst und keiner anderen Dinge bewusst“ wieder.40 Es gibt nur noch das nicht reflektierende Bewusstsein eines Wanderers in den Dünen. Diese unkomplizierte Anerkennung dessen, was ist, macht es möglich, in der Wüste zu lieben, „wie es unter allen anderen Bedingungen gänzlich unmöglich ist“.41 Ein geteilter Blick, ein ausgewählter Platz im Sand, und „das Leben erregt in verschlafenem Einklang, alles, alles ist still, keine Namen, keine Schwüre werden ausgetauscht, doch mit reinem Willen ein Akt vollzogen“. „Die Liebe selbst wird so einfach wie der Rest des Lebens“.42

      Diese einfache Liebe, in der kristallisierten Kraft der Wüstenexistenz entstanden, ist das Vorspiel zu

      … der körperlichen Ekstase der Auflösung, dem Schmerz des körperlichen Todes, worin das Ego, für einen Moment, der ein Äon ist, das fatale Bewusstsein seiner Selbst verliert, und mit einem anderen eins wird, welches das größere Sakrament des Todes erahnen lässt, wenn „der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben“.43

      Doch Crowley geht weiter. In „The Soul of the Desert“ wird „die Wildnis aus Sand“ zur bildlichen Vorstellung einer erotisierten Spiritualität. Sie wird mit einer ekstatischen Erfahrung gleichgesetzt, die den orgiastischen Verlust des Selbstgefühls – den „kleinen Tod“ des sexuellen Höhepunktes – weit übersteigt. Die Wüste mit ihren endlosen sandigen Ödflächen, ihrer unentrinnbaren Einsamkeit und ihrer unerbittlichen Gleichgültigkeit gegenüber den erbärmlichen Kämpfen des menschlichen Daseins ist Ursprung der wesentlichen mystischen Erfahrung: der Auflösung „der Seele … in die überbordende Glückseligkeit Gottes“. Und für Crowley ist diese „Auflösung“ ein Synonym für das, was er hier als „die Entwerdung des Selbst in Pan“ bezeichnet. Die verschlüsselte Referenz an seine Beziehung zu Neuburg und zur Opferzeremonie mit ihm auf dem Gipfel des Da’leh Addin im Jahre 1909 ist hier deutlich erkennbar. In einer ausgesprochenen Erotisierung höchster Spiritualität schreibt Crowley: „So muss der Höhepunkt jedes [magischen] Rückzugs in die Wüste sein“.44

       „Es war wie bei Jekyll und Hyde …“

      Für Crowley waren Selbst, Ego und Seele zusammenhängende, wenn nicht gar gleichbedeutende Begriffe. Über das „Opfer“ auf dem Berg Da’leh Addin konnte er sagen, das jedes kleinste Teilchen seiner „Persönlichkeit“ verzehrt wurde; an anderer Stelle spricht er von der „Entwerdung des Selbst in Pan“. Ähnlich schreibt er von dem entscheidenden Moment in der Wüste, „wenn es nötig wird, unter dem Schattenspiel zum verborgenen Heiligtum der Seele vorzudringen“, und dass sich im selben Moment „das Ego allein findet, demaskiert, nur seiner selbst und keiner anderen Dinge bewusst“.45 Eine präzise Ontologie der menschlichen Identität zu liefern, war niemals Crowleys Anliegen, und wenn er auf das Wesen des Seins anspielte, schöpfte er aus verschiedenen metaphysischen Quellen. Crowleys Kommentare deuten jedoch darauf hin, dass er sein erfahrungsbezogenes Selbstempfinden sowohl auf einem esoterischen als auch auf einem liberal-humanistischen Verständnis von einem einzigartigen, individuellen Wesenskern gründete. Er verstand eine Menge von dem „Schattenspiel“ der Selbstdarstellung, für die der Mann Aleister Crowley ein anschauliches Beispiel war, doch hegte er eine Vorstellung von einem „verborgenen Heiligtum der Seele“ als einer Art okkultem Schrein des ultimativen „Selbst“. Der „entscheidende Moment in der Wüste“ weist auf ein Abstreifen der Schichten der „Persönlichkeit“ – eine essentielle Vorbereitung auf die Enthüllung dieses endgültigen „Selbst“.

      Crowley war ein Mann, der alles über Masken wusste. Er hatte Freude daran, mit Identitäten zu spielen. In Cambridge wurde aus ihm ein leidenschaftlicher Jakobit, der seinen Namen von Alexander zu Aleister (einer Falschbuchstabierung dessen gälischen Äquivalents) änderte, und danach in die Rolle des unechten Lord Boleskine schlüpfte, eines Gutsbesitzers aus dem Hochland. Kurz nach seiner Initiation in den Golden Dawn nahm er sich unter dem Namen Vladimir Svareff eine Wohnung in London und genoss es, als junger russischer Edelmann aufzutreten. 1904 beschloss Crowley in Kairo, sich als persischer Prinz auszugeben, und wurde zu Prinz Chioa Khan. Während Crowley diese Experimente als Spaß und Abenteuer unternahm, wirkte sich darin zweifellos eine gewisse Unruhe aus, die mit seiner Haltung zu der ihm vorgegebenen Position im Leben zu tun hatte. Zwar sicherten Crowleys Wohlstand und seine Ausbildung ihm eine gesellschaftliche Stellung, doch sein streng puritanischer Hintergrund und die kaufmännische Familientradition waren weit entfernt von seinen romantischen Phantasien von aristokratischer Abkunft und Lebensart. Crowley wollte etwas anderes sein als der Sohn eines Bierbrauers.46

      Diese angenommenen Identitäten waren jedoch nie mehr als die Phantastereien eines reichen Mannes. Es gibt z. B. keine Anhaltspunkte, dass Crowley je so als Chioa Khan gelebt hätte, wie Richard Burton und T. E. Lawrence als Araber gelebt haben. Tatsächlich war das niemals seine Absicht. Crowleys Imitation eines persischen Prinzen war nur eine Möglichkeit zu exotischer Selbstdarstellung, eine Gelegenheit, sich in prächtige Seidengewänder zu kleiden und durch Kairos Straßen zu schlendern. Es gibt keine Darstellungen, nach denen sich Crowley als traumatisch „gespalten“ empfand. Er war nicht wie Burton ständig davon überzeugt, zwei Männer zu sein, und er teilte auch nicht Lawrence’ schmerzhaftes Gewahrsein einer psychischen Störung, in welcher er buchstäblich die Dislokation verkörperte, die in theoretischen Diskussionen über Verkleidungen identifiziert wurde.47 Crowleys Annahme verschiedener Identitäten war, wie er freimütig einräumte, bloße Schauspielerei. Er empfand seine vielfältigen Rollen nicht als „Selbste“.

      Anders sah es mit seiner magischen Identität aus. Crowley war Perdurabo, und als Meistermagier reiste er durch die zeitlosen Aethyre eines Magus des sechzehnten Jahrhunderts. Das magische Selbst war in einem spezifischen Sinne Teil von Crowleys Vorstellung von Identität. Seit seiner Initiation in den Golden Dawn gewann Crowley, wie die anderen Eingeweihten, ein Verständnis von Magie als komplexe Wechselbeziehung zwischen der Person des Magiers und der Anwendung des magischen Willens. Um 1900 experimentierte er mit der bewussten Bewegung zwischen zwei eigenständigen Selbsten und perfektionierte eine Praxis, die zu einem großen Teil Robert Louis Stevenson geschuldet ist:

      Als Mitglied des Zweiten Ordens [des Golden Dawn] trug ich ein bestimmtes, juwelenbesetztes Goldornament über meinem Herzen. Ich nahm mir vor, dass ich, wenn ich es trüge, keinen Gedanken, kein Wort und keine Handlung zulassen würde, außer solchen, die meine magischen Bestrebungen direkt betrafen. Wenn ich es ablegte, erlaubte ich mir hingegen letztere Dinge nicht; ich würde zutiefst uneingeweiht sein. Es war wie bei Jekyll und Hyde, nur, dass die beiden Persönlichkeiten einander ausglichen und ergänzten.48

      Crowleys Bezugnahme auf Stevensons Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde [Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde] ist aufschlussreich. Dieser sehr populäre Roman aus dem Jahre 1886 handelt von einem angesehenen Arzt, der sein besonderes Wissen dazu nutzt, ein zweites Selbst zu schaffen, das sich mittels eines erschreckenden Transformationsprozesses in seinem Körper manifestiert. Der abscheuliche Mr. Hyde – „die Bestie Hyde“ – ist die sprichwörtliche Verkörperung all dessen, was sein Schöpfer nicht ist; er ist die Schattenseite

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