Das achtsame Gehirn. Daniel Siegel
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Da ich jetzt die Freiheit verspürte, begriffliche Konzepte in das Bild einzubauen, erlaubte ich meinem Geist, weit zu werden und mit Bildern und Empfindungen des Apfels zu spielen, der sich seinen Weg durch mein Verdauungssystem bahnte, von meinen Körper absorbiert und damit zu einem integralen Bestandteil von mir wurde. Dann dachte ich darüber nach, wo der Apfel hergekommen war – die Leute in der Küche, die ihn (hoffentlich) gewaschen hatten, die Mitarbeiter, die ihn gekauft hatten, die Obstplantage, von der er gepflückt worden war, der Baum, auf dem er gewachsen war, und der Same, aus dem jener Baum hervorgegangen war. Angesichts der Freiheit, diese Bilder zu genießen, empfand ich plötzlich ein Gefühl von Ganzheit und Einssein mit allem – der Erde, der Menschenkette, meinem Körper.
Ich schwebte aus dem Speisesaal und wollte mit jemandem sprechen, erinnerte mich aber an die Stille. Ein Freund war im Raum gewesen, aber wir konnten nicht miteinander sprechen. Ich ging nach draußen und starrte an einem wolkenübersäten Abendhimmel den Mond an, der fast voll war. Ich fühlte eine Präsenz in meiner Nähe und stellte fest, dass mein Freund auf seinem Weg in den Schlafbereich ebenfalls nach draußen gegangen war. Er hielt einen Moment neben mir in der Stille unter den Sternen inne. In jener Stille hätten eine Million Worte nicht zum Ausdruck bringen können, wie sich jener gemeinsame Moment im Mondlicht anfühlte.
Dritter Tag
Heute traf ich mich mit einem anderen Lehrer zu einer Zweier-Begegnung. Ich versuchte, die Erfahrung mit dem Apfel zu beschreiben. Ich sagte, ich fühlte, als ob es einen strömenden Fluss gäbe, der mein Bewusstsein erzeuge, und diese Meditationspraxis befähige mich, stromaufwärts zu gelangen, um die individuellen Bäche aufzusuchen, die in jenen Fluss flossen – ein Bach der Empfindung, einer der Konzepte. Dieses Bild half mir, mich wohler zu fühlen mit dem, was in meinem Geist auftauchte. Er antwortete mir, dass er oft das Gefühl gehabt habe, es „endlich kapiert zu haben“, nur um sich dann bewusst zu werden, dass es immer etwas Neues im Bewusstsein zu erfahren gab. Er schlug vor, ich solle nicht an irgendeiner fixen Idee davon, „wie die Dinge sind“, festhalten, sondern einfach schauen, was passierte.
Ich fühlte mich abgelehnt und war von seiner Antwort irritiert. Nach diesem zehnminütigen Treffen war mein Kopf voll von ausformulierten Gedanken, und die nächsten Sitzungen waren schwierig. Eine schwierige Sitzung fühlt sich an, als ob sie nirgendwohin führt; als ob ich, statt die Weite eines ruhigen und stabilen Geistes zu fühlen, einfach wegdriften würde. Wegdriften statt nach innen zu gehen. Ich verliere mich leicht in Gedanken und komme irgendwie nicht zum Atem zurück.
Am Ende hatte dieser Lehrer Recht. Es würde noch viel komplizierter werden und sich immer wieder verändern. Ganz gleich, wie erhellend einige Erfahrungen gewesen sein mögen, man kann nie vorhersagen, wie sich die nächste Sitzung anfühlen wird. Der Geist ist immer im Fluss, und nichts scheint irgendetwas vorherzusagen. Es geht darum, Erwartungen aufzugeben und geschehen zu lassen, was auch immer geschieht.
In unserer Gruppe sind wir von der Anweisung, wir sollten einfach den Atem beobachten, dazu übergegangen, auch Geräusche wahrzunehmen und unseren Körper zu fühlen. Der Body Scan – jeden Teil unseres Körpers zu spüren, einen Bereich nach dem anderen – befähigt uns, unser Bewusstsein mit Absicht für die vorherrschenden Empfindungen in unserem Körper zu öffnen. Wir fallen einfach in das Bewusstsein unseres Körpers oder unserer Sinne hinein und nehmen auf, was immer aufsteigt.
Vierter Tag
Wir weiten jetzt das Feld des Gewahrseins aus und bewegen uns von der Konzentration auf den Atem darauf zu, achtsam und rezeptiv gegenüber allem zu sein, was auftaucht, einschließlich der Erfahrung der Achtsamkeit selbst. Nichts wird ausgeschlossen. Doch der rezeptive Geist ist kein passiver Geist. Es gibt eine Qualität der aktiven Beschäftigung, nicht nur mit dem Objekt der Aufmerksamkeit, sondern mit dem Gewahrsein selbst. Dennoch ist dieses aktive Spüren nicht angestrengt – es hat eine fließende, geerdete und intentionale Qualität.
Eine Einsicht, die heute während einer Gehmeditation auftauchte, ist ohne Worte in mein Bewusstsein gedrungen. Die Einsicht war, dass es tief in der Achtsamkeit nicht möglich ist, sich zu langweilen. Worte stellen ein Konzept dar, einen verbalen Gedanken, der sogar eine nonverbale Idee artikulieren kann. Doch eine Einsicht wie diese fühlt sich eher wie eine Verschiebung der inneren Sichtweise an als wie eine begriffliche Idee.
Heute hat eine seltsame Veränderung stattgefunden. Es fühlt sich an, als habe irgendein Teil meines Geistes, der darauf brannte, sich mit anderen zu verbinden, es aufgegeben, sich auf sie auszurichten, und sich nach innen auf mich selbst gerichtet. Ich fühle eine Welle des Gewahrseins bei jedem Schritt, eine Art der Verbindung zu mir selbst, die vorher nicht da war. Kein Moment gleicht einem anderen, selbst jeder einzelne Schritt ist anders. Ich fühle, wie sich mit jedem Schritt der Druck vom Fußballen auf die Sohle und dann auf die Ferse verlagert. Und dann spüre ich die Verlagerung des Gewichts in meinen Beinen, wenn der nächste Schritt den Druck meines Körpers aufnimmt. Jeder Schritt ist einzigartig. Es gibt keinen anderen Ort als hier, keinen anderen Moment als das Jetzt. Ich bin aufgeregt. Ich fühle eine schwebende Empfindung bei der Gehmeditation; jeder Moment ist wie mit Helium aus meinem Geist aufgeladen.
Ich möchte das jemandem erzählen, also erzähle ich es mir selbst.
Fünfter Tag
Wir haben an der vollen Achtsamkeit gearbeitet, indem wir unsere Empfindungen, Gefühle, geistigen Aktivitäten und Zustände erlebt haben. Unsere Praxis besteht darin, uns zunächst durch die Konzentration auf den Atem zu erden und dann zu einem offeneren, weiteren und neugierigeren Bewusstseinszustand überzugehen, der sich irgendwie anfühlt wie „es hervorzurufen“. Was auch immer kommen mag, wird kommen. Man sagt uns, dass es einigen Menschen hilft, einen Gedanken, eine Empfindung oder einen mentalen Zustand zur Kenntnis zu nehmen (ohne sich in ihn hineinziehen zu lassen), indem man sich vorstellt, dass er aus einem Mauseloch in der Wand kommt. Andere stellen sich vor, dass der Gedanke auf einem Bildschirm erscheint, den sie ein- oder abschalten können.
Keiner dieser Ansätze hat bei mir funktioniert. Stattdessen tauchte mein Bewusstsein des gegenwärtigen Moments vor meinem inneren Auge als Tal auf. Gedanken, Gefühle und Bilder trieben wie Wolken in dieses Tal hinein, wo ich sie sehen, sie benennen („denken“ oder „fühlen“ oder „mir vorstellen“) und sie einfach forttreiben lassen konnte, aus meinem Tal des gegenwärtigen Moments hinaus. Manchmal stieg ein Gedanke auf, ohne dass mir das bewusst geworden war, und im nächsten Augenblick hatte ich mich „in Gedanken verloren“. Es gab keine Trennung zwischen dem Gedanken und mir. Ich hatte mich nicht nur in ihm verloren, sondern ich war der Gedanke. In jenen Momenten befand ich mich nicht länger im Tal, sondern war hinauf in die Wolken gefegt worden.
Als