Das heilende Potenzial der Achtsamkeit. Jon Kabat-Zinn
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Wir sind es nicht gewohnt, uns den Körper als ein Selbst vorzustellen, das ein ebenso komplexes Ding ist wie unser kognitives Selbst, aber wir funktionieren tatsächlich auf diese Weise (…) Um wieder zu meiner sozialen Analogie zurückzukehren: Ich kaufe mein Brot jeden Tag bei einem Bäcker in Paris, dessen Familie diese Bäckerei bereits seit 200 Jahren betreibt. Er ist Teil der Gesellschaft und weiß, wie er sein Brot zu backen hat. Wenn ich eines Tages plötzlich einen anderen Bäcker in derselben Bäckerei vorfinde, der vielleicht die gleichen Dinge tut und das gleiche Brot verkauft, wird das trotzdem nicht dasselbe sein. Mein Bäcker gehört aufgrund der langen Geschichte seiner Interaktionen an diesen Ort; er kennt die Leute des Viertels schon seit Langem und sie sprechen eine gemeinsame Sprache. Sie könnten versuchen, diesen französischen Bäcker zu imitieren, aber wenn Sie nicht die richtige Geschichte haben und dieselbe Sprache und Fähigkeit zur Kommunikation besitzen, dann werden die Nachbarn Sie ablehnen. Was meine Zellen an ihrem Ort etabliert und es meinen Leberzellen erlaubt, sich als Leberzellen zu verhalten, meinen Thymuszellen erlaubt, sich als Thymuszellen zu verhalten und so weiter, das ist die Tatsache, dass sie diese gemeinsame Sprache besitzen, sodass sie in einem Kontext miteinander operieren können. Auf ähnliche Weise weiß der Bäcker, dass auch der Bankier zu seiner Gemeinschaft gehört, selbst wenn der Bankier etwas ganz anderes tut. Da wir so sehr an das Funktionieren unseres Körpers gewöhnt sind, wissen wir die Komplexität dieses emergierenden Prozesses, der sein Funktionieren aufrechterhält, gar nicht mehr zu würdigen. So ähnlich wie im menschlichen Gehirn, bei dem das Erinnerungsvermögen oder die Empfindung eines Selbst emergierende Eigenschaften aller Neuronen sind, gibt es im Immunsystem eine emergierende Fähigkeit, den Körper zu erhalten und eine Vergangenheit mit ihm zu haben, – ein Selbst zu haben. Als emergierende Eigenschaft ist das etwas, was entsteht, das aber nicht irgendwo existiert… Meine körperliche Identität ist nicht in meinen Genen oder in meinen Zellen lokalisiert, sondern im Komplex ihrer Interaktionen.«
Wir können uns an diese vitale und dynamische Perspektive erinnern, wenn wir uns in Band 4 mit der Metapher der Welt als lebendigem Körper beschäftigen.
Keine Fragmentierung
Heilwerden ist ein Prozess, zu dem gehört, dass wir unsere Ganzheit anerkennen und uns standhaft dagegen wehren, uns fragmentieren zu lassen, selbst wenn wir vor etwas Angst haben oder vom Leben zerbrochen werden. Heilwerden heißt letztlich, dass wir mit den Dingen, so wie sie sind, Frieden schließen, statt ständig darum zu ringen, sie zu zwingen, so zu sein, wie sie einmal waren oder wie wir sie gern haben würden, damit wir uns sicher fühlen können, oder einfach, um unseren Willen zu bekommen. Wie mein Freund und Kollege Saki Santorelli gesagt hat, geht es bei Heilung darum, zu wissen, dass wir zerbrochen und doch ganz sein können.
Emily Dickinson formulierte diesen endemischen Impuls, Teile von uns selbst abzuspalten, uns angesichts unserer eigenen Ängste und Wunden zu fragmentieren, mit unglaublicher Prägnanz:
Mich zu verbannen aus mir selbst
– besäße ich die Kunstfertigkeit –
meine Festung wäre uneinnehmbar
für jedes Herz.
Doch da ich selbst es bin, der mich belagert –
wie könnt ich Frieden finden,
wenn nicht, indem ich das Bewusstsein
unterwürfe?
Und da wir beide für einander Herrscher sind,
wie könnt dies sein,
wenn nicht durch Abdankung –
des Ich – von mir?
Wie oft verbannen wir uns freiwillig, doch ohne uns dessen bewusst zu sein, aus uns selbst, wie oft geben wir unsere Ganzheit auf, wie oft unterwerfen wir unser Bewusstsein, unsere Empfindungsfähigkeit und unseren gesunden Menschenverstand, unsere Souveränität und die Möglichkeiten wahrer Heilung in der Hoffnung, Unverletzlichkeit zu finden, uns selbst vor weiteren Schmerzen zu bewahren und unser Leiden zu lindern?
Was ist der Preis, den wir für eine solche Abdankung zahlen? Und ist er die Sache wert?
Was wäre, wenn wir uns entschlössen, mutig zu sein und unser Bewusstsein nicht mehr zu unterwerfen? Oder es wenigstens für einen Moment nicht mehr zu tun?
Wer wären wir dann?
Wie würden wir uns im Inneren fühlen?
Wie würden wir uns nach Außen verhalten?
Keine Trennung
»Ein