Ein Quantum Zeit. Volkmar Jesch

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Ein Quantum Zeit - Volkmar Jesch

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näher die dahinterstehenden Gesetzmäßigkeiten an, versuchen wir die Prinzipien der weiteren Gegenwartsentwicklung zu entschlüsseln, um auf dieser Basis zu prüfen, ob wir in der Zeit zurückgehen können, oder ob uns die Entropie oder andere kosmische Gesetze daran hindern. Wollen Sie das wirklich alles hören?«

      »Ja«, antwortet sie kurz und bündig.

      »Gut. Ich sehe, Sie trinken Wasser mit Eis. Das Eis ist schon fast ganz geschmolzen. Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum das Eis eigentlich schmilzt? Ihnen mag vielleicht diese Frage seltsam vorkommen, weil wir diesen Vorgang gleichsam verinnerlicht haben. Nie haben wir den umgekehrten Vorgang gesehen, und ich will Ihnen gleich sagen, dass er auch noch nie im Universum passiert ist.«

      »Ich denke doch, dass es den umgekehrten Vorgang gibt«, sagte sie und legte eine bedeutungsvolle Pause ein. »Stellen Sie eine Schale warmes Wasser in den Gefrierschrank, dann wird das Wasser zu Eis gefrieren. Das ist die Umkehrung des Vorganges, in dem das Eis schmilzt.«

      »Nein, es ist nicht die Umkehrung, es ist der gleiche Vorgang. Sie werden gleich verstehen, warum das so ist.«

      Veränderung des Blickwinkels

       Bring vor, was wahr ist,

       schreib so, dass es klar ist,

       und verficht es, bis es mit dir gar ist.

       Leitspruch von Ludwig Boltzmann,

       Physiker

      »Dass Eis im Wasser schmilzt oder Wasser im Eisschrank gefriert, scheinen triviale Erkenntnisse zu sein«, fuhr er fort. »Bei näherem Hinsehen sind die Vorgänge überhaupt nicht trivial, sondern höchst komplex.

      Zur näheren Analyse springen wir in den Bereich der atomaren Struktur und stellen uns die Atome einmal als Teilchen, als Partikel, vor. Denken Sie an den Formationsflug der Teilchen in einem hüpfenden Ball. Dieses Bild wollen wir jetzt aufgreifen und die Sichtweise deutlich verfeinern. Neben der phänomenologischen Behandlung der Entropie als Ausdruck der Nicht-mehr-Nutzbarkeit von Energie kann man nämlich die Entropie auch atomistisch deuten.19 Und dabei werden wir wieder auf die Wahrscheinlichkeit treffen und noch mehr über sie erfahren.«

      »Moment, es gibt zwei Möglichkeiten, Entropie zu deuten?«, staunte sie. »Und das bringt uns auch dem Verständnis näher, warum man die Zeit nicht zurückdrehen kann?«

      »Nicht nur das. Es bringt uns dem grundlegenden Verständnis der Vorgänge im Innersten der Natur näher. Auf einmal verstehen wir, warum bestimmte Dinge in unserer Welt passieren und andere wiederum nicht«, antwortete er. »Beide Deutungen der Entropie bedeuten das Gleiche, wobei uns die mathematischen Einzelheiten hierzu nicht wirklich interessieren sollten. Es ist immer dieselbe Entropie.

      Es war der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann, der Ende des 19. Jahrhunderts die grundlegende Einsicht zum Verständnis der Entropie gewann. Boltzmann wurde 1844 in Wien geboren. In der Schule immer Klassenbester, legte er sein Abitur mit 17 Jahren ab. Bereits mit 25 Jahren wurde Boltzmann ordentlicher Professor für mathematische Physik in Graz. Aufenthalte in Heidelberg und Berlin folgten, bevor Boltzmann wieder nach Wien zurückkehrte. Später wechselte er nach Graz und Leipzig.

      Boltzmann war ein genialer Physiker. Er las aber auch über philosophische Probleme der Naturwissenschaften. Diese Vorlesungen waren so berühmt, dass auch der größte Hörsaal in Wien nicht ausreichte, um alle Zuhörer zu fassen.

      Boltzmanns Größe wurde schon zu Lebzeiten anerkannt. Doch seine Thesen waren umstritten. Vor allen Dingen seine Auffassung zur atomaren Beschaffenheit der Materie wurde von dem Physiker Ernst Mach, der an der gleichen Universität lehrte, heftigst bekämpft, was dem manischdepressiven Boltzmann sehr zu schaffen machte. Mach, immerhin einer der prominentesten Naturwissenschaftler seiner Zeit, soll den jüngeren Kollegen Boltzmann nach einem Vortrag einmal gefragt haben: ›Und haben S’ schon einmal ein Atom g’sehn, Herr Kollege?‹20

      Doch Boltzmann hatte recht, und er sollte derjenige werden, der auf der Basis eines atomaren Aufbaus der Materie dem Verständnis der Entropie die entscheidende Richtung gab. Die Konstante, die die Formel zur Entropie prägt, wird ihm zu Ehren ›Boltzmann-Konstante‹ genannt.

      Albert Einstein hielt Boltzmanns Theorie für die wichtigste, die je entwickelte wurde. Seine, also Einsteins Relativitätstheorie, habe zwar Newtons Theorie abgelöst, doch auch sie werde irgendwann von einer anderen Theorie verdrängt werden, so Einstein selbstkritisch. Aber die Theorie von Boltzmann sei ewig. Die werde niemals abgelöst werden.

      So genial Boltzmann auf der einen Seite war, so schrullig war er wohl auch. Um mit Milch versorgt zu sein, so wird kolportiert, kaufte sich Boltzmann eine Kuh und trieb sie selbst mitten durch die Stadt nach Hause.

      Boltzmann starb 1906 in der Nähe von Triest. Er beging Selbstmord. Das bedeutet aber nicht, wie mancher Physiker spöttelt, dass es gefährlich ist, über die Entropie nachzudenken.

      Max Planck war so angetan von der Boltzmannschen Formel zur Entropie21, dass er dafür sorgte, dass die Formel auf dem Grabstein Boltzmanns auf dem Wiener Zentralfriedhof eingemeißelt wurde.

      Entropie2

       Entropie ist etwas, was man nicht versteht,

       aber man gewöhnt sich daran.

       Max Planck,

       Physiker

      Welches war nun Boltzmanns grundlegende Einsicht? Die bisher behandelten Phänomene stellen, genau genommen, nur einen, wenn auch sehr wesentlichen Teilbereich der Entropie dar. Es gibt auch andere Phänomene, die der Entropie zugeschrieben werden, etwa dass wir im Winter frieren, was ja nicht mit Reibung zu erklären ist.

      Um die Entropie in all ihren Ausprägungen zu verstehen – und das ist die Voraussetzung für ein grundlegenderes Verständnis zur Zeit – müssen wir zwischen dem Makro- und dem dazugehörigen Mikrozustand unterscheiden. Als den Makrozustand bezeichnen wir den Zustand in unserer Welt, einen Zustand, wie wir ihn eben für einen Moment unmittelbar vor dem Unfall näher beschrieben haben. Jetzt gehen wir tief in die Materie und wenden uns dem Mikrozustand zu, dem Zustand in der Welt der ganz kleinen Teilchen.«

      »Wodurch werden Makro- und Mikrozustand, sagen wir einmal des Glases Mineralwasser charakterisiert, das gerade vor mir steht?«, fragte sie.

      »Nun, ganz einfach. Zum Makrozustand gehören etwa die Angabe der Temperatur des Wassers oder der Druck im Wasser. Um den Mikrozustand zu erkennen, verändern wir die Sichtweise und schauen auf die atomare beziehungsweise molekulare Ebene. Es ist so, als würde man das Glas Wasser zunächst auf die herkömmliche Art auf seine Gegebenheiten untersuchen und sich dann eine Lupe kosmischen Ausmaßes holen, um nachzuschauen, was sich tatsächlich im Inneren des Wassers abspielt, damit dessen Temperatur oder der Druck in der Flasche realisiert werden können.

      Was sehen wir unter der Lupe? Teilchen flitzen ständig hin und her, wechseln die Richtung und stoßen aneinander. Halten wir jetzt einmal ihre Bewegung gedanklich an, stellen uns quasi einen atomaren Schnappschuss mit sehr kurzer Belichtungszeit vor, dann sehen wir einen Zustand in der atomaren Welt. In der nächsten Millisekunde beziehungsweise in einem noch viel kürzeren Zeitraum gibt es bereits den nächsten Zustand, weil sich dann die Teilchen schon wieder woanders hinbewegt haben. Wir nennen diese einzelnen Zustände Mikrozustände. Für einen neuen

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