Ein Quantum Zeit. Volkmar Jesch

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Ein Quantum Zeit - Volkmar Jesch

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Kellnerin gebracht hatte, trank sie. Er tat ihr gut.

      Das gibt es doch gar nicht, dachte sie. Ich bin wirklich vom …, nein, sie war nicht vom Pech verfolgt. Sie musste sich eingestehen, dass es durchaus im Rahmen des Wahrscheinlichen gelegen hatte, dass jemand bei diesem Unfall verletzt worden sein konnte, möglicherweise sogar schwer. Sie hatte an diese Möglichkeit nur nicht gedacht. Christophers Weltbild stimmte immer noch, obwohl, musste es auch noch ein bekannter Politiker sein? Auch die fuhren gelegentlich Auto und hatten Unfälle. Hatten die nicht alle einen Fahrer? Dienstlich wohl, aber nicht auf der privaten Reise in den Urlaub. Irgendjemand musste ja ihr Unfallgegner sein. Zwar weniger wahrscheinlich, das alles, aber durchaus im Bereich des Möglichen.

      Jetzt war sie wirklich auf dem Berg gefangen. Über den ärztlichen Rat hätte sie sich noch hinwegsetzen können, aber für die Polizei musste sie sich zur Verfügung halten. Schöne Sch…

      Auf der anderen Seite stand nicht fest, dass der Unfallgegner wirklich schwer verletzt und, vor allen Dingen, sie schuld an dem Unfall gewesen war. In einem war sie sich sicher: Sie hatte nicht abrupt gebremst. Daran würde sie sich erinnern. Es war alles ganz normal gewesen, eine ganz gewöhnliche Fahrt, wenn man von dem starken Regen einmal absah, bis sie aufgrund des rückwärtigen Aufpralls ins Schleudern gekommen und ihr geliebtes Auto auf die Leitplanke gedonnert war. Sie war vorsichtig gefahren, wie alle anderen Fahrzeuge in der Kolonne, vermutlich auch ihr Unfallgegner bis zum Aufprall. Nicht zuletzt war ihr Vater mit dem Auto bei einem Wolkenbruch ins Schleudern geraten und … Sie wollte nicht auch noch daran denken.

      Sie ging nach dem Frühstück auf ihr Zimmer und rief einen ihrer Freunde an, der gerade sein Jura-Examen bestanden und eine Anstellung als Anwalt in einer internationalen Anwaltssozietät angetreten hatte. Ihm erzählte sie alles. Er versprach ihr, zu helfen und, für den Fall der Fälle, auch einen ausländischen Rechtsanwalt zu besorgen. Seine Kanzlei hatte entsprechende Verbindungen. Er würde aber nichts veranlassen, bevor nicht die Ergebnisse des Unfallgutachters vorlägen, meinte er. Sie sollte nur ihrer Versicherung die Daten des Unfallgegners mitteilen, was sie unmittelbar nach dem Telefonat auch tat. Und sie solle sich überhaupt keine Sorgen machen. Wer auf ein anderes Auto auffahre, trage auch nach anderen Rechtsordnungen die Schuld am Unfall. Die Aussage stimmte zwar nicht so ganz, er wollte sie aber beruhigen, und genau das erreichte er auch.

      Nachdenklich blieb sie doch. Sie überlegte nochmals hin und her, ob sie vielleicht unvermittelt gebremst haben könnte. Doch obwohl sie in den letzten Winkeln ihres Gedächtnisses kramte, konnte sie sich an einen Bremsvorgang nicht erinnern.

      Sie musste ihre trüben Gedanken schnellstmöglich loswerden. Sie wollte doch sowieso nicht weg und hatte sich auf eine weitere Diskussion mit ihrer neuen Bekanntschaft gefreut. Jetzt, wo jemand verletzt worden war, hatte die Frage nach dem Zurückdrehen der Zeit auf einmal an Bedeutung gewonnen. Ach was, das war doch sowieso nicht möglich. Aber warum nicht, das interessierte sie dann doch brennend.

      Er konnte es ihr bestimmt erklären, auch wenn er manchmal weit ausholte. Vielleicht musste das aber so sein.

      Sie telefonierte lange mit ihrer besten Freundin und erzählte ihr alles. Das tat ihr gut. Dann ging sie in die Bibliothek. Sie wollte schauen, ob sie vielleicht doch ein Buch finden würde, vielleicht ein Buch in englischer Sprache. Da konnte sie auch gleich ihre Sprachkenntnisse vertiefen. Insgeheim hoffte sie, dass er vielleicht auch schon da sein würde, war er aber nicht. Sie hatten sich auch für später verabredet. Bei der freundlichen Bedienung bestellte sie sich ein Mineralwasser mit Eis und setzte sich in einen der bequemem Bibliothekssessel. Es war ein brauner Ledersessel, so richtig gemütlich, um darin zu versinken. Ihr Blick schweifte durch die Bibliothek, die ihr jetzt so vorkam, als wäre sie einem Kriminalroman von Agatha Christie oder Edgar Wallace entliehen. Massive Bibliotheksregale, umrahmt von edler Holzvertäfelung an der Wand. Die Einrichtung versprach allerdings mehr als die Auswahl der Bücher. Bei näherer Betrachtung war nichts Richtiges für sie dabei.

      Sie dachte über ihre Situation nach.

      Durch einen äußerst unglücklichen, nein, durch einen unwahrscheinlichen Umstand war sie in dieses luxuriöse Sanatorium oder in dieses exzellente Hotel der oberen Kategorie geraten. Doch offenbar war das nicht zu ihrem Nachteil geschehen. Zwar hätte sie jetzt eigentlich die Pisten unsicher machen müssen, aber irgendwie konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie die Zeit hier besser genutzt hatte, als sie sie im ganzen Skiurlaub hätte nutzen können. Das Gespräch mit ihm bescherte ihr eine neue Sicht der Dinge. Wie interessant ist das denn, über Energie und Zeit zu philosophieren, wenn man gerade von dem einen anscheinend zu wenig und dem anderen offensichtlich zu viel hatte?

      Es war schon erstaunlich, wie ihr Gesprächspartner die Welt sah. Sie hatte noch niemanden kennengelernt, der so radikal Verknüpfungen herstellte, wo sie überhaupt keine erwartet hätte, und einem Gespräch so schlagartig eine neue Wendung gab.

      Sie hatte durchaus einen großen Bekanntenkreis. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf, war sie später zum Studieren in eine Großstadt gezogen. Sie hatte zwar ihr kleines Dorf über alles geliebt und fuhr dort regelmäßig hin, um alte Freunde zu besuchen, aber sie wollte auch die Welt kennenlernen, war begierig, neue Erfahrungen zu machen. Sie arbeitete inzwischen in einem großen Konzern und hatte sich gerade für eine Stelle in New York beworben.

      Kollegen beschrieben sie als kommunikativ, was aber oft nur gespielt war. Sie würde sich eher als schüchtern einstufen, auch vorsichtig beim Eingehen von Beziehungen. Charakterlich war sie oft aufbrausend, nie aber wirklich böse, eher innerlich ein wenig unstet. Die richtige Balance war noch nicht gefunden, sie hatte aber angesichts ihres Alters von 27 Jahren noch jede Menge Zeit.

      Doch was war er für ein Mann? Er war nicht nur eloquent, sondern auch sonst eine auffällige Erscheinung. Er vermittelte den Eindruck, einen einmal eingeschlagenen Weg zielgerichtet zu verfolgen. Als ob er auch im Berufsleben den Ton angeben würde. Privat schien er eher verschlossen zu sein. Jedenfalls hatten sie noch nicht über persönliche Dinge gesprochen. Sie wollte das baldmöglichst nachholen.

      Sie lächelte insgeheim. Bislang hatte sie sich nicht näher mit physikalischen Themen befasst. Das sah sie nun komplett anders, weil er die schwierigsten Themen so einleuchtend erklärte, dass sie Freude daran hatte. Zwar waren seine Ausführungen manchmal ein wenig fordernd, aber durchgehend interessant, und er war immer für eine Überraschung gut.

      Sie war durch die Diskussion richtig wissbegierig geworden und hoffte, dass er noch viel Zeit haben würde, sie mit grundlegenden Einsichten zu versorgen. Sie fühlte sich fit und hatte den Grund für ihren Aufenthalt, ihren Unfall, wieder gänzlich aus dem Gedächtnis verdrängt.

      Das Thema Zeit schien wirklich komplex zu sein. Sie dachte über die Diskussion am Vorabend nach. Die in ihrem Gehirn produzierten Bilder drängten sich nach vorne. Teilchen in einem Ball rasten als Flugzeugstaffel auf den Boden zu, verwirbelten durch den Aufprall, um fortan ihr weiteres Dasein als entropische Wärmeenergie zu fristen, herabgestiegen von königlichen Höhen einer hochwertigen Energie in ein Aschenputtel-Dasein. Genial.

      Weil überall Reibung stattfand, selbst in ihrem Körper, wenn sie etwas tat, um die Ordnung herzustellen, nahm die kosmische Unordnung trotzdem ständig zu. Die Entropie »schlug zu«, wie er das so schlagwortartig zusammengefasst hatte. Aber mit welcher Intensität tat sie das? Konnte man ihr nicht vielleicht doch ein Schnippchen schlagen?

      Das Beispiel von Stephen Hawking war ja wirklich imposant gewesen. Von wieviel Millionen Millionen Einheiten war die Rede gewesen? Sie wusste es nicht mehr. Vielleicht hatte Christopher noch mehr Beispiele für derartig astronomische Dimensionen. Die Zahlen, mit denen er um sich geworfen hatte, waren wirklich atemberaubend.

      Bei Zeiteinheiten war er nicht weniger zimperlich. Wie konnte er auf die Idee kommen, dass sich ein Zimmer irgendwann in ganz ferner Zukunft selbst gereinigt

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