Arbeit im Wandel. Jeff Schwartz
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Im Lauf des vergangenen Jahrzehnts war in Gesprächen mit Freunden, Kollegen und Vorständen über die Rolle der Automation sowie der neuen Technologien und Beschäftigungsmodelle bei der Veränderung der Arbeitsplätze in den USA die Sorge immer greifbar. »Wie können wir mit den Maschinen Schritt halten?«, fragen sie sich. »Welche Fähigkeiten brauche ich als Voraussetzung für die Aufgaben im Jahr 2030?«, möchten sie wissen. »Wir werden nicht mehr eine, sondern ein Dutzend Karrieren haben – wie soll das überhaupt gehen?«, sorgen sie sich. »Ich habe noch nicht einmal den Studienkredit für meine erste Berufsausbildung abbezahlt.«
Es herrscht das Gefühl, dass wir an der Schwelle von etwas Machtvollem, Unaufhaltsamem und Unbekanntem stehen, das einer Flutwelle gleicht. Sie wird über alles, was wir kennen, hinwegrollen und uns verändern – wie wir arbeiten, wo wir arbeiten und was wir arbeiten, wenn wir überhaupt noch Arbeit haben. Sehr oft sind diese Unterhaltungen von Angst überschattet. Die schwindelerregenden Fortschritte in der Robotik, der künstlichen Intelligenz (KI), der digitalen Technik und bei den neuen Arbeitsmethoden erzeugen beängstigende Bilder einer dystopischen Zukunftswelt, in der Maschinen und Software die meisten Aufgaben erledigen können und menschliche Arbeiter weitgehend unnötig sind. Selbst die Abkürzung FANG, die 2013 für die vier Überflieger-Aktien Facebook, Amazon, Netflix und Google geprägt wurde, trägt zur gedanklichen Assoziation von Technologie und Monstern bei.18
Am größten ist die Sorge darüber, ob die KI die menschlichen Fähigkeiten ergänzen oder gar ersetzen kann. Während einige nichts weniger als eine Apokalypse der Arbeit vorhersagen, konzentrieren sich andere auf das riesige Potenzial neuer Technologien, mehr Wert für die arbeitende Bevölkerung zu schaffen und uns zu befreien, damit wir unsere menschlichen Fähigkeiten besser einsetzen können. Denn die ureigenen menschlichen Fähigkeiten beherrschen auch intelligente Maschinen noch nicht: Problemlösung, kreatives Denken, komplexe Entscheidungen, Empathie und das Management von Teams. In diesem Szenario arbeiten virtuelle und diverse Teams ebenso zusammen wie Mensch und Maschine. Arbeitskräfte werden weiter beschäftigt, weil sie ihr ganzes Leben lang neue Fähigkeiten entdecken und beherrschen lernen.
»In der Medizin ebenso wie im Rechts- und Finanzwesen, im Einzelhandel, in der Produktion und selbst im Bereich der wissenschaftlichen Entdeckungen liegt der Schlüssel zum Sieg im Wettrennen nicht darin, gegen die Maschinen anzutreten, sondern mit den Maschinen«, schreiben die Autoren Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee im Jahr 2012.19 Thomas Malone vom MIT bezeichnet die bemerkenswerte Macht, die durch die Kooperation von Menschen und Computern entsteht, als »Superminds«.20 So liegt unsere Zukunft vielleicht in der Aussicht auf eine Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen – von der Suche nach neuen Heilmitteln für Krankheiten bis hin zum Design von neuen Tools und Systemen, die neue Produkte und neue Geschäftszweige erschaffen.
Inmitten dieser dramatisch unterschiedlichen Vorstellungen von der zukünftigen Arbeitswelt – einer Roboter-Apokalypse oder einer endlich befreiten Menschheit – versuchen nun viele Menschen zu begreifen, was heute anders ist als in bisherigen Zeiten großer technischer Fortschritte: Wie und wo passen sie in diese Welt und wie finden sie sich in der neuen Landschaft ohne Wegweiser so zurecht, dass sie weiterhin arbeiten können? Trotz der Aufregungen und Schlagzeilen über den Wandel der Arbeitswelt gibt es bisher kaum Leitlinien und Hilfestellungen, anhand derer sich die Menschen darin zurechtfinden könnten. Mein Ziel ist es, solche Leitlinien zu geben.
Beim Übergang in eine veränderte Welt werden Innovation und Experimentierfreude weiterhin unsere Rettungsanker bleiben.
Wir haben die Wahl
Während sich viele Aufgaben teilweise verändern und einige Jobs wohl ganz wegfallen werden, werden sich gleichzeitig neue Aufgaben entwickeln. Als im 19. Jahrhundert die Landwirtschaft mechanisiert wurde, verloren zahlreiche Landarbeiter ihre Arbeit, aber letztendlich verdienten sie dann in den Fabriken umso mehr. Die Automatisierung der industriellen Produktion ersetzte im 20. Jahrhundert wiederum viele Fabrikarbeiter, aber sie wanderten ins Dienstleistungsgeschäft ab. Wir vergessen immer wieder gern, dass eine steigende Produktivität neue Arbeitsplätze schafft. Historisch gesehen führte technischer Fortschritt immer zu mehr und nicht zu weniger Arbeitsplätzen. Und da man für die neuen Jobs oft mehr Fähigkeiten brauchte, wurden sie auch besser bezahlt.
Als Ökonom und Unternehmensberater, der das vergangene Jahrzehnt inmitten der Probleme rund um den Wandel der Arbeit verbrachte, erforsche ich dieses Thema zusammen mit innovativen Denkern und Unternehmensleitern, die mit den Chancen und Herausforderungen kämpfen, die sich in der veränderlichen Landschaft auftun. Ich lebte die eine Hälfte der Zeit in New York und die andere in Delhi und Mumbai und war in ganz Indien und anderen asiatischen Ländern tätig. Ich berate Unternehmen und Regierungsbehörden bei ihrem Versuch, mit den vor uns liegenden Rätseln zurechtzukommen. Und ich bin weiterhin täglich Zeuge der dramatischen Veränderungen, die sich an der vordersten Front einiger der größten und erfolgreichsten Unternehmen in den USA und auf der ganzen Welt ereignen.
Dieses Buch bietet Individuen, Unternehmensführern und Institutionen eine Orientierungshilfe für kluge Entscheidungen. Organisationen sind derzeit im Begriff, das zu formen, was letztendlich die zukünftige Arbeitswelt sein wird. Gleichzeitig stehen die einzelnen Arbeitskräfte vor breitgefächerten Optionen in der Frage, wie und wo sie arbeiten und welche Fähigkeiten sie sich aneignen wollen und sollten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Während wir neue Verbrauchertechnik in unserem Privatleben anscheinend gern willkommen heißen – wir haben uns inzwischen mehr als zehn Betriebssystemversionen von Smartphones (Apple und Android) erfolgreich angeeignet, seit sie in den Jahren 2007 und 2008 erstmals vorgestellt wurden –, fühlen wir uns bei technischen Neuerungen, die letztendlich unsere Arbeit tiefgreifend und sinnvoll verändern werden (wie sieht sie aus, wer erledigt sie und wo findet sie statt), eher unbehaglich.21
Die einzelnen Menschen suchen nach Möglichkeiten, weiterhin ihre Fähigkeiten einzubringen, Wert zu erzeugen und auf dem Markt eine Wirkung zu erzielen. Arbeitgeber stehen vor der wichtigen Entscheidung, ob sie mit den technischen Fortschritten die Effizienz steigern und Kosten reduzieren wollen oder ob sie erforschen wollen, wie sie die Technologie zur Umgestaltung der Arbeitsplätze einsetzen können, sodass sie mehr Wert und Sinn erhalten. Bürger, Lehrende und politische Entscheidungsträger sind aufgerufen, sich zu überlegen, wie man die Menschen auf die Veränderungen am Arbeitsplatz vorbereiten und entsprechend ausbilden könnte und welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, damit sich Personen, die zukünftig länger leben und arbeiten werden, immer wieder weiterbilden, ihre Karriere neu erfinden und neue Kapitel ihres Lebenslaufs aufschlagen können.
Die vielleicht wichtigste Frage in Bezug auf die Zukunft der Arbeitswelt lautet nicht, was wohl passieren wird, sondern was nach unserem Willen passieren soll: Welches Ziel hat der Wandel der Arbeit? Als Louis Hyman, Professor für die Geschichte der Arbeit an der Cornell-Universität, gefragt wurde, wie die Beschäftigungsverhältnisse im Jahr 2030 aussehen werden, traf er mit seiner Antwort den Nagel auf den Kopf: »Es ist schwer, über die Zukunft zu sprechen«, sagte er. »Wir haben schließlich die Wahl.«22 In diesem Jahrhundert stehen wir vor der Herausforderung, zu verstehen, welche Chancen uns die Technologie und die neuen Arbeitsweisen eröffnen. Die Forschung im Center for the Edge bei Deloitte zeigt, dass die meisten Zukunftsanstrengungen sich darauf konzentrieren, Kosten zu reduzieren, Effizienz zu steigern und Arbeitskräfte durch Technologie zu ersetzen.23 Daron Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am MIT, bezeichnet dies als die »falsche Art von KI«.24