Arbeit im Wandel. Jeff Schwartz
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Von Disruption zu Innovation und Schöpfung
Wenn wir das Wort »Disruption« hören, denken wir im Allgemeinen an eine Störung, die etwas unterbricht. In der Wirtschaftstheorie ist eine »disruptive Innovation« etwas, das einen neuen Markt erschafft und dabei den bestehenden Markt durchrüttelt und verschiebt.25 Disruptive Innovation ist die machtvolle Vorstellung von einem durch Innovation getriebenen Wachstum. Die Disruption verschiebt die Rentabilität von einem vorherrschenden Geschäftsmodell hin zu einem neuen und dieses neue Geschäftsmodell bietet den Kunden in der Regel denselben oder sogar mehr Wert zu wesentlich geringerem Preis.26 Die negative Konsequenz: Unternehmen, die auf das alte Geschäftsmodell setzten, verlieren an Boden oder werden ganz aus dem Markt gedrängt. Netflix ist ein Beispiel für digitale Disruption, ebenso Uber, Amazon, Airbnb und zahllose weitere digitale Dienstleister, die die vorhergehenden Geschäftsmodelle veränderten.
Der Begriff »Disruption« wurde 1997 durch das Buch The Innovator's Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren von Clayton Christensen27 weithin bekannt. Allerdings hatte der Ökonom Joseph Schumpeter das Konzept der »kreativen Zerstörung« und die disruptive Kraft der Innovation bereits 50 Jahre zuvor eingeführt. Schumpeter vertrat die These, dass Innovation sowohl für den Fortschritt als auch für die Instabilität des Kapitalismus verantwortlich ist. Er schrieb diese Instabilität dem Prinzip der kreativen Zerstörung zu, welches besagt, dass die Erfindungskraft der Unternehmer eine disruptive Kraft ist, die das Wirtschaftswachstum antreibt und erhält. Frühere Produkte und Prozesse werden unvermittelt durch neue, bessere ersetzt und Unternehmen sind gezwungen, sich rasch an eine neue Umgebung anzupassen, oder sie gehen unter.28
Schumpeters Theorien nahmen die Verwandlung der Arbeitswelt schon früh vorweg. Sein Beispiel für eine transformative Kraft in der Wirtschaft, die neue Chancen eröffnete und alte Methoden beseitigte, war oft die Eisenbahn. Er wies auf die Fähigkeit der Unternehmer hin, durch die Erfindung neuer Produkte und Dienstleistungen einen immerwährenden Sturm der kreativen Zerstörung lebendig zu erhalten.29 Fasziniert vom Unternehmergeist betrachtete er die Zerstörung als Fortschrittsmechanismus. Schumpeter erkannte, dass wirtschaftliche Innovation von Unternehmern vorangetrieben wird, die bessere Möglichkeiten zur Erledigung bestimmter Aufgaben entdecken (das ist der kreative Teil). Ihr Erfolg führt dann zum Zusammenbruch alter Unternehmen und Methoden (das ist der zerstörerische Teil). Automobile ersetzten Pferdekutschen, Textverarbeitungen ersetzten Schreibmaschinen, Werbung im Internet erwies sich als stärker als gedruckte Anzeigen.
Während sich viele Aufgaben teilweise verändern und einige Jobs wohl ganz wegfallen werden, werden sich gleichzeitig neue Aufgaben entwickeln.
Der Aufstieg des Internets und der mobilen Geräte sind grundlegende Disruptoren. Sie verändern die Welt und alles, was ihnen nachfolgt. Die Coronapandemie des Jahres 2020 könnte durchaus ebenso ein solches Ereignis sein, das unmittelbar eine Krise und gleichzeitig langfristig eine Chance darstellt. Vielleicht wird nie mehr alles wie zuvor. Neue Technologien und Krisen führen zu neuen Formen der Kooperation und neuen institutionellen Beziehungen. Sie können die Zukunft beschleunigt herbeiführen.
Den Wandel der Arbeit definieren
Auch schon vor der Coronapandemie waren Veränderungen im Gange, die unsere Arbeitsweise und Arbeitsorte betrafen. Der Wandel der Arbeit bezieht sich auf Veränderungen, die sich aus neuen Technologien (darunter Automatisierung, Robotik und künstliche Intelligenz) in Zusammenhang mit neuen Beschäftigungsmodellen (darunter Freelancer, Gig Worker und Crowds) ergeben werden. Sie verändern, wie wir arbeiten, wo wir arbeiten, mit wem wir zusammenarbeiten und welche Fähigkeiten wir für unsere Arbeit brauchen.
Vorhersagen sind sehr schwer, besonders was die Technologie betrifft. Ken Olsen, der Gründer der Digital Equipment Corp., wünscht sich wahrscheinlich, er hätte 1977 nicht in so überzeugtem Brustton geäußert, dass es für Privatpersonen keinen Grund gebe, zu Hause einen Computer zu haben.30 Der CEO von Microsoft, Steve Ballmer, hielt 2007 wohl sehr wenig vom iPhone, als er verkündete: »Das iPhone hat keine Chance auf einen bedeutenden Marktanteil.«31 Und Robert Metcalfe, der Gründer von 3Com und Erfinder des Ethernets, bedauert sicherlich seine Vorhersage von 1995, das Internet werde sich rasch zu einer spektakulären Supernova aufblähen und 1996 katastrophal kollabieren.32 Alle diese Vorhersagen unterschätzten das Wachstum und die Akzeptanz neuer Technologien gewaltig.
Mein Interesse liegt daher nicht in einer Vorhersage der Zukunft, sondern im Aufstellen von Wegweisern, die anderen helfen, sich in der neuen Arbeitswelt zurechtzufinden. Einzelpersonen, die diese Wegweiser lesen, können ihre derzeitige Karriere mit verstärkter Zuversicht vorantreiben oder gar neue Laufbahnen erfinden und Weiterqualifizierungsstrategien entwickeln, damit sie für den Arbeitsmarkt gerüstet sind, den die KI mit sich bringen und der ganz bestimmte Fähigkeiten erfordern wird. Unternehmensleiter, die neue Arbeitsmodelle einführen und skalieren wollen, können mithilfe der Wegweiser die Chancen ausloten, die neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine am Arbeitsplatz mit sich bringen werden. Und bei politischen Entscheidungsträgern regen die Wegweiser vielleicht neue Entwürfe für Regulierungen, Gesetze und institutionelle Arrangements an, während sich neue Formen der Arbeit herausbilden. Wir brauchen solche neuen Regulierungen für alternative Beschäftigungsmodelle, die Weiterqualifizierung und Entwicklung der Arbeitskräfte, die Programme für den Übergang zwischen verschiedenen Aufgaben und zur Finanzierung des lebenslangen Lernens und Umorientierens. Zwar können wir vielleicht weder die Auswirkungen der KI verändern noch uns genügend gegen die vor uns liegenden Herausforderungen wappnen, aber wir können immerhin beeinflussen, wie wir uns neben ihnen her bewegen. Wir können in der Welt der KI und der Open Talent Economy mit ihren vielfältigen Beschäftigungsmodellen auf klügere Weise arbeiten, denken und leben. Und wir können beeinflussen, wie wir unsere Arbeitswelt und die Arbeitsplätze der Zukunft gestalten wollen.
Aussagekräftige Landkarten
Seit um etwa 16 500 vor Christus die ersten Landkarten in Höhlenwände geritzt wurden, verlassen wir uns auf diese Bilder und Navigationshilfen, wenn wir neues Terrain erforschen und einen Weg durch diese Welt finden wollen.33 Landkarten erzählen Geschichten, sie vermitteln Wissen und zeigen uns Zusammenhänge. Wie der Autor Reif Larsen schrieb: »Eine Karte … verzeichnet nicht nur, sie erschließt und schafft Bedeutung, sie ist ein Brückenschlag zwischen Hier und Dort, zwischen scheinbar unvereinbaren Ideen, die wir nie zuvor im Zusammenhang gesehen haben.«34 Eine Straße rechts, ein Fluss links, vor mir ein steiler Abhang. Ich als passionierter Reisender habe große Achtung vor der Aussagekraft guter Landkarten. Sie machen Informationen sichtbar und fassen sie so zusammen,