Nachhaltig investieren für Dummies. Alexandra Bolena
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Im Jahre 2109 hat das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) eine Umfrage gestartet, um die gängigsten Ausschlusskriterien zu identifizieren.
Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) ist der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz.
Wenn Sie mehr über Hintergrund und Zielsetzung dieses Forums erfahren wollen, blättern Sie doch zu Teil II dieses Buches. Hier mal vorweg die Top-Ten-Liste derjenigen Themen, die deutsche Investoren am wenigsten mögen:
1 Arbeitsrechtsverletzungen
2 Korruption
3 Menschenrechtsverletzungen
4 Umweltzerstörung
5 Kohle
6 Waffen und Rüstung
7 Tabak
8 Kernenergie
9 Pornografie
10 Alkohol
Österreich tickt ähnlich, allerdings fallen die Themen »Umweltzerstörung« und »Alkohol« aus den Top Ten raus. Ein Schelm, wer Böses denkt. Stattdessen hat man südlich Deutschlands eine ausgesprochene Abneigung gegen die Themen »Gentechnik« und »Glücksspiel«. Ebenfalls bemerkenswert: In Österreich ist Kernkraft stark verpönt und oftmals unter den Top Drei der Ausschlusskriterien institutioneller Anleger angeführt.
In der Schweiz waren die ungeliebten Zehn im Jahr 2019:
1 Waffen
2 Tabak
3 Pornografie
4 Korruption und Bestechung
5 Kohle
6 Kernenergie
7 Menschenrechtsverletzung
8 Arbeitsrechtsverletzung
9 Glücksspiel
10 Umweltzerstörung
Bis auf kleine regionale Unschärfen ist man sich im DACH-Raum jedoch ziemlich einig, in welche Branchen man besser nicht investieren soll. Doch schlechte ESG-Daten führen nicht nur dazu, dass sich Unternehmen am Kapitalmarkt immer schwerer mit neuem Kapital versorgen können, da ihre Aktien und Anleihen weniger nachgefragt werden. Noch viel dramatischer ist es, wenn ein Unternehmen in den Fokus einer Divestment-Kampagne gerät.
Divestment
Divestment ist das Gegenteil von Investment. Das bedeutet, dass Aktien, Anleihen oder Investmentfonds von Investoren gezielt abgestoßen werden.
Keine Kohle für die Kohle
Mittlerweile gibt es immer mehr gezielte Divestment-Kampagnen, um die Kohle-, Öl- und Gasindustrie zu schwächen. Der Hintergrund ist klar: Diese mächtigen Branchen mit großer wirtschaftlicher – und politischer – Bedeutung verzögern und behindern mit ihrem Einfluss immer wieder konkrete Maßnahmen und wichtige Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels. Sie wehren sich mit Bezugnahme auf Verträge, die ihnen langfristige Ausstiegsszenarien zusichern oder mit Arbeitsplatzargumenten (beides nachvollziehbare Gründe) gegen Grubenschließungen und beharren manchmal sogar auf die Erschließung neuer. Wenn jetzt aber große institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen (und immer mehr von ihnen bekennen sich zu ihrer Klimaverantwortung) ihre Marktmacht als Investoren nutzen und sich aus klimaheiklen Branchen zurückziehen, dann entsteht dort unmittelbarer Handlungsbedarf. Mit jedem Divestment wird die Notwendigkeit für klimakritische Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeiten klimapositiv zu adaptieren, dringender und das, ohne dass die Politik unmittelbar eingreifen muss.
Divestment ist aber nicht nur ein mächtiges Instrument für institutionelle Anleger, wie Pensions- und Abfertigungskassen. Auch Sie als Privatanleger können im Rahmen Ihrer Veranlagung über Einzeltitel wie Aktien oder Anleihen ein Zeichen setzen und gewisse Branchentitel abstoßen. Auch immer mehr Fondsgesellschaften folgen diesen Überlegungen und beginnen, ihre Fonds umzustrukturieren.
Aber nicht nur für Unternehmen, auch für Staaten gibt es einige recht weit verbreitete Ausschlusskriterien, die entweder zu Divestments oder dazu, dass ein ganzes Land auf einer Ausschlussliste landet, führen können. So haben die Anwendung der Todesstrafe, Menschenrechtsverletzungen oder inakzeptable Arbeitsrechte schon bei vielen Investoren dazu geführt, dass Finanztitel – Aktien oder Anleihen – aus Ländern abgezogen wurden.
Bei manchen Themen, wie zum Beispiel der Todesstrafe, ist bezüglich der Erstellung von Ausschlusslisten eine klare Ja-Nein-Regelung anwendbar. Bei vielen Themen braucht es aber Feinjustierung. Hier die vier wichtigsten Ansatzpunkte:
Position in der Wertschöpfungskette: Sollen nur die Hersteller eines kontroversen Produktes ausgeschlossen werden oder auch Händler? Und wenn Händler: bis zu welchen Umsatzgrenzen?
Definition von Umsatzgrenzen im Unternehmen: Sollen beispielsweise grundsätzlich alle Verkäufer von Tabakprodukten ausgeschlossen werden oder nur solche, die damit einen relevanten Umsatzanteil erwirtschaften? Gängig sind hier Umsatzgrenzen von fünf oder zehn Prozent. (Konkretes Beispiel: Aktien von Duty-Free-Shop-Betreibern oder Mischkonzernen.)
Definition von Grenzen global betrachtet beziehungsweise im Vergleich: Ein Ausschluss erfolgt nur dann, wenn ein Unternehmen einen bestimmten Schwellenwert – meist 0,5 oder ein Prozent– am globalen Gesamtumsatz überschreitet oder sich im Vergleich im untersten, also schlechtesten Viertel befindet.
Sollen Zulieferbetriebe bei der Analyse ebenfalls Berücksichtigung finden? Und wenn ja, bis in welche Tiefe? Da bei so gut wie allen Branchen Zulieferbetriebe in Schwellen- und Entwicklungsländern angesiedelt sind und dort bei Arbeitsschutz- und Menschenrechtsfragen meist andere Standards gelten als bei uns, ist hier der Widerstand der Wirtschaft, sich bis in die Lieferketten analysieren zu lassen, noch sehr groß. Besonders Nahrungsmittelindustrie und Textilhandel stehen hier häufig am Pranger, aber in Wahrheit ist so gut wie jede Branche betroffen, schafft es aber nicht so oft in die Schlagzeilen.
2023 soll in Deutschland erstmals ein Lieferkettengesetz verabschiedet werden, um Missstände in den globalen Lieferketten transparent zu machen. Auch auf EU-Ebene werden entsprechende gesetzliche Rahmenwerke diskutiert. Der grundsätzliche politische Wille ist ein erstes gutes Zeichen, auch wenn die Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung sicher hart werden.
Je mehr man sich mit der Thematik befasst, desto mehr Gründe werden einem bewusst, warum man Staaten, Branchen oder Unternehmen für ein Investment nicht in Betracht ziehen oder sogar sein Geld wieder abziehen sollte. Zu bedenken ist aber, dass das investierbare Universum umso kleiner wird, je enger man Ausschlusskriterien definiert.