Gornerschlucht. Urs W. Käser

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Gornerschlucht - Urs W. Käser

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der Apothekerin, hatte er eine treue Befürworterin einer gesunden Ernährung und Lebensweise.

      »Was könnten wir denn heute unternehmen, bei diesem grauen Wetter?«, fragte Barbara, als sie die Treppe hinunter in Richtung Frühstückssaal gingen.

      »Wie wär‘s mit der Gornerschlucht?«, antwortete Bruno. »Das sollte gut zu machen sein. Der Wetterbericht meldet keine nennenswerten Niederschläge, höchstens ein wenig Nieselregen.«

      »Gute Idee«, meinte Barbara, »dort waren wir bestimmt seit fünf Jahren nicht mehr. Und, weisst du was, Bruno? Ich bin total hungrig, heute schlage ich am Frühstücksbuffet richtig zu!«

      Bruno stupste seine Frau lachend in die Seite, und sie betraten den Saal Hand in Hand wie ein frisch verliebtes Paar.

      »Schau mal, Barbara, das Wetter bessert sich rapide. Die Sonne drückt kräftig durch die Wolkendecke, und schon sind einige blaue Flecke am Himmel zu sehen!«

      »Ja, eine richtig schöne Stimmung!«, pflichtete Barbara bei.

      Nach einer halben Stunde Weg durch die feuchtkühle Schlucht, unter sich den tosenden Gletscherfluss, links und rechts fast senkrechte Felswände, waren sie am oberen Ende der Gornerschlucht angekommen. Der Blick weitete sich, die Wände gingen in vom Gletscher rundgeschliffene Felsbuckel über, das Flussbett wurde breiter, die Strömung langsamer.

      Bruno streckte seinen Arm in die Höhe. »Was meinst du, sollen wir noch ein Stück weiter den Hang hinauf wandern? Der Blick auf den Gornergletscher wäre sicher spektakulär von dort oben.«

      »Einverstanden«, sagte Barbara, »komm, Blacky!«

      Aber Blacky weigerte sich schon nach wenigen Metern, weiterzugehen! Er fing an, zu winseln, lief mehrmals vor und zurück, streckte seine Schnauze talabwärts, und schliesslich ging das Winseln in ein langgezogenes Jaulen über.

      »Blacky, was hast du denn?«, fragte Barbara. »So extrem führt er sich sonst nie auf, da stimmt doch etwas nicht!«

      Bruno schaute sich um. »Du hast recht, Barbara, irgendetwas ist hier faul.« Blacky neben sich, stieg er vorsichtig einige Schritte den steilen, steinigen Hang hinunter.

      »Pass bloss gut auf«, rief ihm Barbara ängstlich hinterher, »dort unten geht es senkrecht in die Tiefe!«

      Bruno hatte jetzt einen Absatz mit einer Ansammlung von grösseren Felsblöcken erreicht, und Blacky schnupperte aufgeregt überall herum. Zwischen den Felsblöcken taten sich mehrere tiefe, wohl durch die Wirkung des Gletschers entstandene Löcher im steinigen Boden auf. Blacky blieb stehen und winselte in eines dieser Löcher hinein. Bruno schaute hinunter und stiess sogleich einen spitzen Schrei aus. Etwa drei Meter in der Tiefe lag ein zusammengekrümmter Mann. Der Kopf, das Hemd und die nackten Arme waren blutverkrustet. Neben seinen Füssen lag ein Wanderrucksack.

      »Ein Toter, hier im Loch«, rief Bruno mit zittriger Stimme nach oben.

      »Oh, wie schrecklich«, murmelte Barbara und hielt sich eine Hand vor den Mund.

      Bruno kraxelte, fast auf allen Vieren, wieder zu Barbara hinauf, machte eine stumme, vage Geste zu ihr, zog sein Handy hervor und stellte die Notrufnummer ein.

      »Hier Bruno Fuchs. Hören Sie, am oberen Ausgang der Gornerschlucht liegt ein Toter, in einem etwa drei Meter tiefen, senkrechten Loch. Wird nicht einfach zu bergen sein … Ja, etwa dreissig Meter unterhalb des Wanderweges … Oh, das habe ich nicht gewusst … Ja, wir warten hier solange.«

      Barbara sah ihn fragend an. »Was hast du nicht gewusst?«

      »Stell dir vor, dieser Mann – sofern er es denn ist – wird seit vorgestern vermisst, und heute Morgen sind mehrere Suchtrupps mit Hunden auf den Wanderwegen unterwegs. Und was passiert? Unser braver, alter Blacky schlägt die Profi-Spürhunde und findet zielsicher den Vermissten!«

      »Ja, wirklich erstaunlich«, bestätigte Barbara und tätschelte Blacky anerkennend den Hals.

      »Übrigens«, ergänzte Bruno, »schicken sie gleich die Rettungsflugwacht. Das Wetter hat soweit aufgeklart, dass man gut fliegen kann. Es dürfte nicht allzu lange dauern, bis die hier sind. Komm, wir setzen uns zum Warten auf diesen grossen, flachen Stein.«

      Sie setzten sich auf ihre Windjacken, stützten die Arme auf die Hände, blickten schweigend in die Ferne und hingen ihren Gedanken nach.

      Kaum eine halbe Stunde später kam mit ohrenbetäubendem Knattern ein Helikopter der Rettungsflugwacht angeflogen und landete, etwa zweihundert Meter weiter oben, auf einem kleinen, fast ebenen Wiesenstück. Vier Männer in knallorangen Overalls, jeder mit Rucksack, stiegen aus und kamen quer durch den steilen Hang zu Bruno und Barbara hinunter.

      Bruno zeigte mit seinem rechten Arm zu den Felsblöcken. »Dort unten, neben dem zweitgrössten Block, liegt er, etwa drei Meter tief in einem Loch, offensichtlich tot.«

      »Den bergen wir am besten direkt am Seil«, erwiderte einer der Männer und machte sich, gefolgt von einem seiner Kollegen, an den Abstieg, während die beiden anderen zum Helikopter zurückgingen. Der Helikopter startete und positionierte sich, in der Luft stehen bleibend, genau über den Felsblöcken. Die beiden zurückgebliebenen Männer waren unterdessen in das Loch hinabgeklettert und hatten den Toten in ein Netz, ähnlich einer Hängematte, eingebunden. Vom Helikopter senkte sich jetzt, langsam und schwankend, ein Drahtseil zu den Männern hinunter. Die Hängematte wurde mit einem Haken am Drahtseil befestigt und mit der Seilwinde hochgezogen. Der Helikopter flog auf und landete nochmals auf der Wiese, nachdem er das Netz mit dem Toten vorsichtig auf dem Boden deponiert hatte. Drei der Männer luden die Leiche gemeinsam in den Helikopter, stiegen ein, und schon flog dieser wieder senkrecht hoch und verschwand knatternd hinter dem nächsten Felsvorsprung. Die ganze Aktion hatte keine zehn Minuten gedauert.

      »Alle Achtung«, meinte Bruno Fuchs zu seiner Frau, »die machen das wahrlich nicht zum ersten Mal. Was meinst du, gehen wir auf schnellstem Weg nach Zermatt zurück?«

      Barbara lächelte erleichtert. »Oh ja, mir reicht es wahrlich für heute…«

      »Aber ich möchte den Fund doch noch ordnungsgemäss auf dem Polizeiposten melden«, ergänzte Bruno, »ich weiss nicht, ob und wann die Rettungsleute dazu kommen werden.«

      Eine Stunde später sassen sie einem staunenden Polizisten Pfammatter gegenüber. »Oh, Sie haben den vermissten Mann gefunden, schneller als unsere Suchtrupps! Falls er es ist, heisst das, aber ich vermute es stark. Alle Achtung!«

      »Mich müssen Sie nicht loben, mein Hund hat ihn gerochen«, erwiderte Bruno lachend, »ohne unsere braven Vierbeiner würde der noch ewig in diesem Loch liegen.«

      »Ja, da haben Sie recht. Übrigens, hier habe ich ein Foto des Vermissten.«

      Bruno nickte langsam. »Sein Kopf sah ziemlich schlimm aus, aber ich bin fast sicher, dass er es ist. Eine Frage noch: Wohin wurde der Tote gebracht?«

      »Ich nehme an, wie üblich ins Spital nach Brig. Ich möchte mir jetzt noch Ihre Personalien notieren, für den Fall, dass noch Rückfragen nötig wären.«

      »Sicher, gerne, hier ist mein Ausweis«, erwiderte Bruno rasch.

      »Du willst doch nicht etwa den Toten im Spital Brig aufsuchen?«, fragte Barbara, als sie wieder draussen waren.

      »Doch,

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