Mosers Ende. Urs W. Käser

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Mosers Ende - Urs W. Käser

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nein, ich beginne mit dem Hauptgang. Und bringen Sie mir einen Dreier Merlot.« Samuel hatte plötzlich realisiert, wie hungrig er nach der langen Sitzung geworden war, und ass seinen Teller viel zu hastig leer. Gleich darauf erschien Maria schon mit dem Nachtisch. Die anderen hatten ihr Dessert schon beendet und diskutierten in Zweier- oder Dreiergrüppchen miteinander. Samuel wartete ab, bis die Gespräche am Tisch für einen Moment erloschen waren, und warf dann trocken in die Runde: »Und, habe ich recht, wenn ich ahne, dass in der Familie noch kein Verhandlungsergebnis erzielt wurde?«

      Eine bedrückende Stille entstand am Tisch. Samuels Schwestern, Susanna und Barbara, hielten sich eine Hand vor den Mund und warfen sich ängstliche Blicke zu, während Bruder Matthias nur finster vor sich hin starrte. Auch die Eingeheirateten der Familie, Michael, Linda und Bruno, wagten nichts zu sagen. Samuel blickte der Reihe nach alle in der Runde an.

      »Na, wohl alle aufs Maul gefallen, ihr Feiglinge?« Weitere Sekunden verstrichen. Plötzlich stiess die sechzehnjährige Elena Moser einen Schrei aus, erhob sich so ruckartig, dass ihr Stuhl nach hinten umkippte, und rannte schluchzend aus dem Saal hinaus. Vetter Luca und Mutter Linda eilten ihr sofort nach. Das war nun das erlösende Zeichen zum Aufbruch. Es dauerte keine Minute, und Samuel Moser war allein am Tisch zurückgeblieben. Er machte sich nicht daraus, bestellte sich einen Cognac und trank ihn in aller Ruhe genüsslich aus. Eine tolle Familie haben wir da, überlegte er grimmig vor sich hin, ein richtig explosives Gemisch! Zum Glück müssen das unsere Eltern nicht mehr erleben!

      

       Samstag, 21. Juli 2012

      Punkt acht Uhr morgens stoppte der Polizeiwagen vor dem Hotel Rosenlaui, ein junger Polizist in Uniform stieg aus und eilte zur Rezeption.

      »Ach, wie bin ich froh, dass du da bist!«, rief ihm Hotelchefin Claudia Dietrich schon von weitem entgegen.

      »Bei uns ist ja der Teufel los. Guten Morgen, Peter!« Sie schüttelte Peter Kehrli die Hand. Obwohl Claudia ziemlich gross war, wurde sie von Kehrli um einen ganzen Kopf überragt. Er mass exakt einen Meter siebenundneunzig und wirkte mit seinem dünnen Körper eher wie ein schlaksiger Jüngling als wie ein gestandener Polizist. Immerhin gaben ihm seine runde Brille und sein kurz geschnittener, dunkler Bart ein etwas männlicheres Aussehen.

      »Ich begreife das überhaupt nicht«, sagte Peter, »Onkel Matthias soll erstochen worden sein?«

      »Ja, auch wir stehen vor einem Rätsel«, erwiderte Claudia.

      »Möchtest du zuerst zu Tante Linda oder vorher den Toten sehen?«

      »Gehen wir zunächst zum Tatort«, sagte Peter, und sie stiegen gemeinsam zum Zimmer siebzehn hoch. Claudia schloss mit dem Schlüssel auf und begab sich dann wieder zur Rezeption, während Peter begann, den Toten und das Zimmer zu inspizieren. Zehn Minuten später war er schon wieder unten bei Claudia.

      »Also, liebe Claudia, wie ich schon vermutet hatte, ist dieser Fall eine Schuhnummer zu gross für unseren kleinen Meiringer Polizeiposten. Deshalb habe ich bereits telefonisch die Kriminalpolizei in Bern aufgeboten. Sie werden im Laufe des Vormittags eintreffen, um alle Spuren zu sichern und die Leiche zur Obduktion zu überführen. Das Zimmer habe ich versiegelt, so dass bis dahin nichts passieren sollte. Jetzt möchte ich aber gerne Linda und Elena sehen.«

      Als Peter Kehrli die Türe zu Zimmer vierunddreissig öffnete, stiess Linda einen Schrei aus.

      »Endlich, Peter, wie schön, dass du hier bist!« Sie sprang auf, umarmte ihren Neffen und wisperte: »Ist das doch furchtbar! Du weisst ja, wie Matthias und ich zueinander standen, aber trotzdem... Wer kann denn so etwas getan haben?« In diesem Moment kam Tochter Elena aus dem Bad zurück. Auch sie umarmte ihren Cousin, dem sie nicht einmal bis zu den Schultern reichte.

      »Wurde er wirklich… erstochen?«, fragte sie mit zittriger Stimme.

      »Es sieht ganz so aus«, erwiderte Peter, »aber sonst wissen wir noch gar nichts. Für mich ist es unbegreiflich, was da passiert ist. Aber bald wird die Kriminalpolizei aus Bern eintreffen und euch dann sicher auch befragen. Und Matthias werden sie zur Obduktion mitnehmen müssen, um die genaue Todesursache abzuklären.«

      »Was sollen wir denn jetzt machen, bis die hier sind?«, fragte Linda. Peter überlegte kurz.

      »Habt ihr schon gefrühstückt?« Beide Frauen schüttelten den Kopf.

      »Dann hole ich euch jetzt etwas vom Buffet. Oder möchtet ihr doch lieber mit den anderen Hotelgästen zusammen frühstücken?« Wiederum Kopfschütteln. Peter wandte sich zum Gehen, da fragte ihn Linda noch: »Sind eigentlich die übrigen Familienmitglieder schon orientiert?«

      »Oh, das weiss ich auch nicht. Ich werde Claudia fragen.«

      Als Peter gegangen war, nahm Linda ihre Tochter in die Arme. Lange standen sie so, eng umschlungen, mitten im Zimmer, und wiegten sich sanft hin und her. Schliesslich lösten sie sich voneinander, nahmen die beiden alten, runden Holzstühle und setzten sich vor die offenstehende Balkontüre. Elena hatte Tränen in den Augen.

      »Armer Papa, jetzt bist du tot, kommst nie, nie wieder. Weisst du, Mama, ich schäme mich so!«

      »Aber warum denn, mein Herz?«

      »Ich müsste doch jetzt wahnsinnig traurig sein. Den eigenen Vater zu verlieren! Aber irgendwie spüre ich nichts. Es ist einfach leer in mir. Das kann doch nicht normal sein!« Linda drückte ihrer Tochter die Hand.

      »Das kann ich gut verstehen. Bitte mache dir keine Vorwürfe, lass es einfach zu, wie es ist. Vielleicht kommt die Trauer erst viel später, vielleicht auch gar nie. Meine liebste Elena, wir brauchen uns ja nichts vorzumachen. Matthias war ein äusserst spezieller Mensch und hat sich immer mehr in eine Richtung entwickelt, die wir beide nicht verstehen konnten. Ich wünsche mir jetzt vor allem, dass wir zwei ganz fest zusammenhalten in dieser Zeit.« Elena schaute ihrer Mutter in die Augen.

      »Mama, ich habe dich so gern!« Ein Weinkrampf schüttelte Elena, sie sank auf die Knie und legte Linda ihren Kopf in den Schoss. Sie liess sich willig über die Haare streichen und beruhigte sich allmählich.

      Es klopfte, und Peter trat mit einem grossen Tablett ein. Er stellte es auf dem kleinen, runden Tisch ab und holte dann aus dem Flur noch einen dritten Stuhl für sich selbst. Er setzte sich und sagte dann: »Unterdessen hat Daniel Dietrich unsere ganze Familie, und ebenso die übrigen Gäste, über Matthias‘ Tod orientiert. Niemand darf das Hotel verlassen, bis die Kriminalpolizei mit den Untersuchungen und Befragungen fertig ist.« Die beiden Frauen nickten nur. Eine ganze Weile sassen die drei dann stumm beisammen, in ihre Gedanken versunken, nippten an ihrem Kaffee und kauten auf ihrem Brötchen herum. Schliesslich schenkte Peter Kaffee nach und schaute dann auf die Uhr.

      »Oh, schon halb zehn. Ich nehme an, die Leute aus Bern werden jeden Moment eintreffen, da gehe ich jetzt wohl besser nach unten. Bleibt doch bitte hier im Zimmer, ich komme euch dann holen.« Mit einer kurzen Umarmung verabschiedete er sich.

      Peter Kehrli traf Claudia Dietrich vor der Hotelrezeption.

      »Du, Claudia, ich nehme an, die Leute aus Bern werden bald hier sein. Hättest du uns irgendwo ein ruhiges Zimmer für die Befragungen? Und, ehm, vielleicht auch Kaffee dazu?« Claudia lächelte.

      »Natürlich, lieber Peter. Wenn du schon an einem Samstag arbeiten musst, sollst du es gemütlich haben. Hier, siehst du, unser zweites Büro könnt

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