Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland

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Extra Krimi Paket Sommer 2021 - A. F. Morland

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mittlerweile den dumpfen Verdacht, dass einige Stellen, die zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufgerufen sind, uns wie Schachfiguren hin und her schieben wollten. Plötzlich spielen die Figuren nicht mehr mit, was sehr peinlich ist, und deshalb wird der Amtsmechanismus greifen. Keiner war’s, keiner wollte was, man geht kollektiv in Deckung.«

      Darüber grübelte sie bis zur nächsten Vollbremsung, es hatte sich schon wieder ein Stau aufgebaut, und seufzte: »Das alles kommt mir manchmal wie ein Albtraum vor.«

      »Auch daran gewöhnt man sich!«, tröstete Rogge.

      Weil es schon dämmerte, versuchten sie gar nicht erst, ein Hotel auf der Insel zu finden, sondern mieteten sich in einem mächtigen vierstöckigen Bau aus der Zeit der Jahrhundertwende ein. Zwei Einzelzimmer, die letzten, ganz großes Glück, dass vor einer Viertelstunde ein Gast abgesagt hatte; Rogge starrte den älteren Mann unbewegt an und zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt, was den grauhaarigen Knaben mächtig verstimmte. So konnte man Kunden auch vergraulen, aber das behielt Rogge für sich.

      Eine Martha Zinneck war tatsächlich im Telefonbuch eingetragen; Rogge rieb sich über das knisternde Kinn und strich alle Pflichten für heute: Morgen war auch noch ein Tag.

      In der Halle schauten sie sich unsicher an und lachten wie auf Kommando los: Beide unterdrückten ein Gähnen.

      »Zu früh, um schon ins Bett zu gehen!«, befand Rogge.

      »Aber zu müde für einen großen Stadtbummel.«

      Ein Taxifahrer empfahl ihnen ein Restaurant und sie folgten seinem Rat. Das mächtige Frühstück lag ihm noch im Magen, Rogge hielt sich lieber an den Wein, der herrlich entspannte.

      »Kennen Sie Lindau?«, fragte Charlotte unvermittelt.

      »Kennen wäre zu viel gesagt, ich bin vor Jahren einmal hier gewesen. Mit meiner Frau, auf einer Urlaubsreise.«

      »Mich hat’s immer schon nach Frankreich gezogen.« Wahrscheinlich hatte ihr genau das an Zinneck gefallen. Oder auch imponiert, weil er nicht nur perfekt Englisch und Französisch sprach, sondern in beiden Ländern und Kulturen lebte, sich dort zu Hause fühlte. Wenn sie zusammen eingeladen wurden, beneidete sie ihn manchmal wegen der Selbstverständlichkeit, mit der die Franzosen Zinneck akzeptierten, so, als habe er schon immer zu ihnen gehört. Auch nach Jahren, die Charlotte in Frankreich gelebt hatte, war sie immer noch die Deutsche gewesen, »Jean« dagegen besaß zufällig einen deutschen Pass. Es hatte sie gekränkt, bis sie begriff, dass Zinneck ihre Verstimmung gar nicht verstand, weil er es nie anders kennen gelernt hatte. Es hatte auch nicht unbedingt mit Selbstbewusstsein zu tun, an dem es ihm übrigens nicht fehlte, sondern mit seiner Unbefangenheit. Zinneck drängte sich nicht auf, aber er bezweifelte nie, dass er mit allen Leuten mindestens auf gleicher Stufe verkehrte. - Ach, es war schwer zu beschreiben. Sie hatte Jahre gebraucht, sich einen kleinen Freundeskreis aufzubauen, er klopfte an und ihm wurden alle Türen weit geöffnet.

      »Hat Zinneck seine Geschäfte nie erwähnt?«

      Selten, sehr selten sogar. Man brauchte lange, um zu merken, dass er sehr verschwiegen sein konnte. Diskret, so nannte er es ironisch, aber das war eine Beschönigung, manchmal redete er viel, um viel zu verschweigen. In Cannes hatte Zinneck mit einer Gruppe französischer Geschäftsleute verhandelt, die in Nordafrika investierten, und Kontakte zu deutschen und englischen Geldgebern und Produzenten hergestellt. Das lag ihm, er dirigierte gerne andere Menschen an unsichtbaren Fäden, dann blühte er auf. Anfangs hatte Charlotte seine Klugheit, sein Fingerspitzengefühl bewundert und erst später voller Unbehagen registriert, dass Zinneck gerissen war. Doch da waren sie schon verheiratet gewesen - sie verbesserte sich: Da hatte sie angenommen, mit ihm verheiratet zu sein, obwohl Zinneck von seiner ersten Frau noch nicht geschieden war.

      »Hat er nie von seiner Familie erzählt?«

      Doch. Dass seine Mutter hier in Lindau lebte und von ihm nichts mehr wissen wollte. Der Vater bei einem Arbeitsunfall umgekommen, zwei Schwestern, beide verheiratet, mit den Schwägern verband ihn eine herzliche Abneigung. Man ging sich aus dem Wege, seit Zinneck sich früh von der Familie losgesagt hatte.

      »Sind Sie nicht misstrauisch geworden?«

      Nein. Nicht, solange sie in Frankreich wohnten. Auch noch nicht, als er plötzlich darauf drängte, fortzuziehen. Manches hätte ihr auffallen müssen, aber damals - sie verstummte und schob mit gesenktem Kopf ihr Glas hin und her. Nach einer langen Pause atmete sie tief durch. Jetzt durchschaute sie seine Taktik. Wie ein dummes Gör war sie darauf hereingefallen. Erst bemühte er sich um sie, bis sie mit ihm ins Bett stieg, dann zeigte er ihr die kalte Schulter und brachte sie dazu, ihm nachzulaufen. Ein uralter Trick, wie oft hatte sie sich über Romane geärgert, in denen Frauen so dumm dargestellt wurden und den Männern in die Falle nachliefen. Dass sie selbst ... Aber da war es zu spät gewesen und er hatte sie nie mit anderen Frauen betrogen. Belogen, getäuscht, hingehalten, ja, aber nicht betrogen. Rogge schaute sie stumm an und spürte, wie seine Zweifel wieder wuchsen.

      »Vor diesem Abend in Kassel hat er das Wort Liga nie ausgesprochen?«

      Nein. Nicht direkt. Manchmal hatte Zinneck ein Konsortium erwähnt und darunter hatte sie sich eine Gruppe von Kaufleuten oder Financiers vorgestellt, mit denen er über Kreuz geraten war. Doch warum - sie zuckte die Achseln. Geschäftlich ging’s ihm nicht schlecht, Geld war immer da, und Charlottes leise Befürchtung, Zinneck habe es auf ihr Erbe abgesehen, war schnell verflogen. Nur diese Unruhe, dieses ewige Umziehen, Weiterziehen ... Natürlich stimmte was nicht mit ihm, und als Zinneck sich weigerte, ihr Rede und Antwort zu stehen, starb ihre Liebe.

      Warum hatte Zinneck sie überhaupt geheiratet - oder, wenn alle Einzelheiten stimmten, so getan, als heiratete er sie? An ihrem Geld schien er nicht interessiert zu sein, große Liebe hatte er für sie wohl auch nicht empfunden, da drängte sich natürlich der Verdacht auf, dass er Charlotte als Schutz benötigte. Falls Zinneck wirklich vor diesem Konsortium geflohen war, das sich vor einer Zeugin hüten musste. Denkbar, sozusagen um vier oder fünf Ecken gedacht, und so schien Zinneck vorgegangen zu sein, war auch ein anderes Motiv. Eine reiche Erbin erklärte, dass Zinneck über viel Geld verfügte, zumindest nach außen hin, und wenn er bei einem Geschäft, in das er als V-Mann eingeschleust worden war, wirklich abgesahnt hatte, würde sein Führungspersonal eine Begründung für diesen plötzlichen Reichtum verlangen. Zinneck wäre nicht der erste V-Mann gewesen, der zuletzt drei Herren diente, dem Auftraggeber, den Überwachten und sich selbst. In dieser Grauzone von Lüge, Gefahr und Abenteuer versagten viele, weil die tägliche Anspannung sie überforderte und die ständige Versuchung Maßstäbe verschob. Wenn Rogge mit einem Informanten redete, ging er immer davon aus, dass der Mann seine Kenntnisse auch der anderen Seiten verkaufte, aus Geldgier und aus Selbstschutz.

      Charlottes vorwurfsvolles Hüsteln riss ihn aus seiner Grübelei: »Soll ich Ihnen mal sagen, was ich heute wirklich glaube?«

      Rogge blubberte ein Ja und beäugte sie aufmerksam.

      »Er war ein Spieler. Keiner, der sich beim Roulette oder an diesen Automaten ruinierte, aber einer, der ohne diesen Kitzel nicht leben konnte, alles auf eine Karte zu setzen.«

      »Ja«, stimmte Rogge zu und lächelte befreit. »Zu diesem Schluss bin ich auch gekommen.«

      »Dann verraten Sie mir mal, wieso ich ausgerechnet auf einen Spieler hereingefallen bin.«

      Mit der Antwort ließ Rogge sich viel Zeit. Charlotte war eine hübsche, attraktive und intelligente Frau; selbst das billige Kleidchen, das sie in Neuenburg gekauft hatte, stand ihr gut und das Dämmerlicht in der niedrigen Gaststube verdeckte die Müdigkeit in

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