Schwarzfahrt. Alexander Pelkim
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»Ich hoffe, du wirst es uns gleich verraten«, sagte Chris mit ironischem Unterton, »ansonsten müssen wir …« Jasmins Blick ließ ihn verstummen und er schluckte das Wort »raten« hinunter.
»Hier taucht der Name Peter Lackner auf …«
»Unser Gesuchter?«
»Wenn es nicht ein Namensvetter ist, dann …«
»Warte mal! Der ist Taxi gefahren? Wann und wo?«, stoppte Habich Jasmins Ausführungen.
»Er hat den Taxischein seit …, seit acht Jahren.«
»Also etwa ab der Zeit, als der erste Mord passierte. Wo ist er gefahren?«
»In Würzburg. Mehr weiß ich nicht. Den Unternehmer, bei dem er fährt oder gefahren ist, kenne ich nicht. Deren Meldungen fehlen noch. Diese Unterlagen sind von der Behörde und sie listen die aktuellen Inhaber eines Taxischeines auf.«
»Das wiederum bedeutet, er hat noch einen Schein und könnte noch aktiv sein.«
»Laut diesen Daten hier, ja. Aber genau erfahren wir es, wenn die Taxiunternehmer uns ihre derzeitigen Fahrer benannt haben.«
»Na, das ist doch schon mal ein Anfang. Dann hoffe ich, wir bekommen alle notwendigen Informationen bis morgen. Mach noch mal Dampf bei den Unternehmern.« Er erhob sich. »Und jetzt ist für heute Schluss.«
Jasmin und Chris schauten sich an. Es war für sie absolut neu, dass ihr Chef pünktlich Feierabend machte. Rautner grinste und bemerkte: »Du wirst doch nicht irgendetwas vorhaben?«
»Und wenn, dann ginge es dich nichts an«, maßregelte Habich seinen jungen Kollegen. »Auch wenn es dich überrascht, ich habe ein Privatleben.«
»Kaum vorstellbar.« Rautner schüttelte amüsiert den Kopf. Er ließ sich von dem Ton seines Chefs nicht irritieren. »Du wirkst so … so …«
»Bemüh dich nicht, die richtigen Worte zu finden«, winkte Habich ab und verschwand durch die Tür.
Pünktlich um 19 Uhr stand Hauptkommissar Habich mit seinem Wagen bei der angegebenen Adresse in der Kettelerstraße. Genauso pünktlich trat Dorothea Wollner aus dem Haus und stieg zu ihm ins Auto. Sie sah umwerfend aus in ihrem lässigen Look aus Jeans, leichtem Pullover und Lederjacke. Selbst im Jogginganzug würde sie manche Frau im Abendkleid ausstechen, fand Habich. Diese Beurteilung war natürlich eher seiner Gefühlslage zuzuordnen. Er hatte kein Auge von ihr lassen können auf dem Weg vom Haus zu seinem X3. Sie hatte es bemerkt und fragte nun, als sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte: »Nehmen Sie mich so mit? Ich fühle mich in legerer Kleidung am wohlsten.«
»Ich würde mit Ihnen sogar so zum Wiener Opernball gehen«, versuchte er ein Kompliment. Dorothea Wollner quittierte es lächelnd.
»Der Weg dorthin wäre mir etwas zu weit, da ich ganz schön hungrig bin«, gestand sie.
»Dann will ich Sie schnellstens von Ihrem Leiden erlösen«, bemerkte Habich und gab Gas.
Der Weg vom Frauenland hinunter in die Stadt war zu der abendlichen Stunde keine langwierige Angelegenheit. So langsam beruhigte sich der Feierabendverkehr, denn die meisten Berufstätigen und die, die einkaufen waren, strömten aus der Stadt hinaus. In der Ludwigstraße fand der Hauptkommissar einen freien Parkplatz. Von dort aus waren es nur noch ein paar Schritte bis zum Ziel. Die Tatsache, dass Habich im Restaurant mit Namen begrüßt wurde, zeigte seiner Begleitung, dass er hier öfters verkehrte. An einem kleinen Seitentisch mit zwei bequemen Sitzbänken nahmen sie Platz. Ohne Umschweife widmeten sie sich der Speisekarte, die ihnen der Kellner gleich nach der Ankunft vorgelegt hatte.
Beide nahmen als Vorspeise Kürbis-Ingwer-Suppe. Die Rechtsmedizinerin wählte Rinderfiletspitzen auf Wokgemüse in Sojasauce mit Kartoffelspalten für den Hauptgang, der Hauptkommissar bevorzugte die Viertel Bauernente mit Kartoffelklößen und Wirsinggemüse. Dazu bestellte Habich für sich und seine Begleitung eines seiner Lieblingsgetränke, einen feinherben fruchtigen Bacchus.
»Trinken wir darauf, dass Ihnen meine erste Empfehlung zusagt«, meinte Habich, nachdem die Getränke vor ihnen standen, und hob sein Glas.
»Mir gefällt schon mal das Ambiente«, nickte Frau Doktor Wollner mit einem Blick in die Runde. »Wenn jetzt das Essen noch so gut schmeckt, wie es sich auf der Karte gelesen hat, bin ich höchst zufrieden.«
»Lassen Sie sich überraschen.«
Nachdem sie angestoßen hatten, probierte Habichs Begleitung vorsichtig den Frankenwein. Aus der Lippenbefeuchtung wurde ein zweites Nippen und schließlich ein kräftiger Schluck.
»Habe ich Ihren Geschmack getroffen?«, fragte ihr Gegenüber und deutete auf das Getränk.
»Ja, durchaus! Der Wein ist sehr köstlich«, sagte sie, während sie das Glas abstellte. Sie stützte die Ellenbogen auf, verschränkte die Hände und legte ihr Kinn darauf. »Sie scheinen hier Stammgast zu sein.«
»Sagen wir, ich gönne mir hier hin und wieder ein Essen und einen guten Wein.«
»Erzählen Sie mir etwas über sich. Sie sind doch der Sprache nach auch kein Franke.«
Nur zögernd begann er zu erzählen, aber das Lächeln der Pathologin war entwaffnend, man konnte ihr nichts abschlagen. Nach der Kürbis-Ingwer-Suppe wusste sie so viel über den Privatmenschen Habich, soviel dieser bereit war offenzulegen. Als sie sich dem Hauptgang zuwendeten, erfuhr Dorothea Wollner mehr über Habichs beruflichen Werdegang. Dass er als junger Kommissar über den Boxsport vor über zwanzig Jahren in Würzburg seine neue Heimat gefunden hatte. Ab der Nachspeise – Frau Doktor Wollner hatte Crème brûlée mit marinierten Beeren und Vanilleeis gewählt, Habich entschied sich für die Käsevariation mit Feigensenf – war es an der Rechtsmedizinerin, von ihrer Vergangenheit zu plaudern. Sie stammte aus Niedersachsen, hatte in Hamburg Medizin studiert und sich in Berlin zur Fachärztin für Rechts- oder Gerichtsmedizin in den Bereichen Pathologie, Psychiatrie, Psychotherapie und forensische Psychiatrie weitergebildet.
»Und wo waren Sie schon überall im Einsatz?«, fragte Habich.
»Meine erste Tätigkeit war in Magdeburg. Nach drei Jahren bekam ich eine Anstellung in Hannover, sozusagen in meiner Heimat.«
»Wie sind Sie denn dann hier zu uns, quasi in die Provinz ,geraten?«
Nachdenklich schleckte die Frau ihren Löffel ab. »Schuld daran ist ein etwas unrühmliches Kapitel in meinem Leben. Obwohl Schuld … Schuld kann man es nicht nennen. Anlass war eine Scheidung … meine Scheidung. Na ja …, vielmehr der Abstand, den ich danach gewinnen wollte. Da kam mir diese Stelle hier gerade recht.«
»Oh, das tut mir leid!«
»Muss es nicht. Sie haben nichts damit zu tun.« Sie hob das Weinglas und prostete Habich zu. »Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Ich möchte mir den schönen Abend nicht durch solche Dinge vermiesen lassen.«
»Dann wollen wir lieber noch ein bisschen von Ihrer neuen Heimat sprechen. Ich erzähle Ihnen etwas über Würzburg, Unterfranken und den Wein.«
An diesem Abend sollte Dorothea Wollner in Sachen Heimatkunde noch einiges Geschichtliche aus der Region und über die Region zu hören bekommen. Es war eines der Lieblingsthemen des Hauptkommissars. Nach dem zweiten Schoppen wechselte