Schwarzfahrt. Alexander Pelkim
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»Wo kann ich die junge Dame finden?«
»Ihre derzeitige Adresse kennen wir nicht …«
»Dann vielleicht, wo sie arbeitet.«
»Meine Frau sagt mir gerade, sie sei Krankenschwester im Klinikum Kitzinger Land.«
»Okay, das reicht mir fürs Erste. Danke für die Auskunft.« Habich legte auf und machte sich Notizen. Erneut griff er zum Hörer. Nach zwei Telefonaten, mit der Stadtverwaltung Dettelbach und dem Einwohnermeldeamt in Kitzingen, wusste er die Wohnadresse von Valerie Rissek. Plötzlich fiel ihm ein: »Haben wir eigentlich schon einen Bericht der Gerichtsmedizin?«
»Nein!«, kam die zweifache Antwort.
»Dann werde ich dort mal vorbeifahren und mich nach dem Stand der Dinge erkundigen. Anschließend versuche ich diese Freundin von Tanja ausfindig zu machen.«
»Ach, und wir haben weiterhin Innendienst?«, beschwerte sich Rautner.
»Hat sich dieser Lackner schon gemeldet oder hast du ihn gefunden?«
»Bisher noch kein Lebenszeichen.«
»Also was beschwerst du dich. Mach ihn ausfindig.«
»Soll ich ihn in die Fahndung geben.«
»Nein! Wir warten noch bis morgen.«
»Dann könnte ich mich doch bei den Arbeitskollegen näher über ihn erkundigen und fahr noch mal bei seiner Wohnung vorbei. Vielleicht ist er ja irgendwo aufgetaucht.«
»Gut, mach das. Aber vergiss auch nicht Tanjas letzten Freund, von dem sie sich am Jahresende getrennt hat, diesen Dieter Ranko. Wir müssen mehr über ihn wissen und ob er ein Alibi hat.«
»Das kann ich doch machen«, bot sich Jasmin an.
»Wenn du Zeit dazu findest, soll es mir recht sein.«
Habich grinste beim Hinausgehen. Er wusste, wie ungern Chris Schreibtischdienst verrichtete. Da ging es dem jungen Kommissar wie ihm selbst. Lieber war er draußen, um vor Ort zu ermitteln, Leute zu befragen, zu observieren oder Ähnliches. Nur kamen sie bei ihrer Arbeit nicht umhin sich auch mit Papierkram zu befassen. Gott sei Dank war Jasmin in dieser Hinsicht geduldiger und nahm den beiden vieles ab, was irgendwie mit Schreibtischarbeit zu tun hatte.
Mit seinem Wagen fuhr er in die Versbacher Straße, wo die Rechtsmedizin ihren Sitz hatte. Frau Doktor Wollner traf er in ihrem Büro an. Sie diktierte gerade Berichte.
»Oh, Herr Hauptkommissar, gerade habe ich an Sie gedacht«, sagte sie lächelnd, nachdem sie ihre Arbeit unterbrochen hatte. Habich wirkte im ersten Augenblick verlegen, was sein Blick auch deutlich ausdrückte. Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Sie warten doch sicherlich auf meinen abschließenden Obduktionsbericht?«
»Oh, ja, ja! Das … das war der Grund meines Besuches«, antwortete er mit belegter Stimme.
»Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet«, antwortete sie schelmisch und reichte ihm einen Aktenordner.
»Gibt es neue Erkenntnisse?«
Sie blickte auf ihren Computer. »Nun ja! Wie schon vermutet wurde sie mit dem Seidenschal erdrosselt. Andere Anzeichen für eine tödliche Verletzung gibt es nicht. Auch der toxikologische Befund ist negativ, also keine Vergiftung oder Ähnliches. Die Todeszeit kann ich auf 18 bis 20 Uhr eingrenzen. Ich weiß nicht genau, wie lange sie der Witterung ausgesetzt war. Was ich außerdem definitiv sagen kann, ist, dass sie gefangen gehalten und misshandelt wurde. Das beweisen Hämatome an ihrem Körper, von denen die ältesten maximal fünf bis sechs Tage alt sind. In dieser Zeit wurde sie auch nicht regelmäßig ernährt. Das zeigt ihr körperlicher Gesamtzustand. Wollen Sie den ganzen Bericht noch in digitaler Form per E-Mail haben?«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können Sie es mir zusätzlich noch als PDF-Datei schicken. Also, dann danke, ich muss weiter«, verabschiedete sich Habich und wollte das Büro verlassen.
Die Stimme der Gerichtsmedizinerin hielt ihn zurück. »Sagen Sie mal, Herr Hauptkommissar, ich habe gehört, Sie sind ein Liebhaber des hiesigen Weines und der fränkischen Küche. Stimmt das?«
»Sooooo! Sie haben ja anscheinend schon viel über mich gehört«, stellte Habich fest. »Ich dagegen von Ihnen noch kein bisschen.«
»Das ließe sich ändern. Ich erzähle Ihnen etwas von mir, wenn Sie mir gastronomische Empfehlungen geben könnten und mir Gesellschaft leisten. Ich bin neu hier in Würzburg, kenne niemand und habe keine Ahnung, wo man gut essen und trinken kann. Zudem bin ich noch nicht ganz eingerichtet, die Küche fehlt noch, was das Kochen im Moment etwas schwierig macht«, erklärte die Pathologin freundlich lächelnd.
»Ich denke darüber nach und lass es Sie wissen«, sagte er beim Hinausgehen.
Was war denn das jetzt? fragte sich Habich verwundert im Flur des Gerichtsmedizinischen Institutes. Hatte Frau Doktor versucht ihn anzumachen oder war das eher harmlos zu sehen und die Fantasie ging mit ihm durch. Na ja, eigentlich hatte er sich nach mehreren Fehlschlägen geschworen die Finger von der holden Weiblichkeit zu lassen, aber diese Rechtsmedizinerin war schon verdammt hübsch, nein, sie war eine Wucht, korrigierte er sich selbst. Und nicht nur das, nett schien sie auch zu sein und sie wollte mit ihm ausgehen. »Alter Narr«, schimpfte er sich auf dem Weg zu seinem Wagen in Gedanken, »du hast doch selbst gehört, wie sie sagte, dass sie nur Empfehlungen braucht. Die Einladung war sicherlich nur eine Höflichkeit von ihr.« Obwohl, so ganz abgeneigt war er nicht, musste er sich eingestehen. »Vielleicht … vielleicht könnte man ja einen Versuch wagen«, dachte er laut. Wie lange war das mit seinen Beziehungen zu Frauen her, überlegte Theo. Es musste eine gefühlte Ewigkeit sein. Gut, nach dem Ende seiner letzten festen Bindung hatte es noch drei flüchtige Abenteuer ohne den Erfolg auf Dauerhaftigkeit gegeben. Dazu hatte seine Enttäuschung zu tief gesessen. Tamara, seiner letzten Liebe, hatte es hier nicht gefallen. Sie bezeichnete Würzburg und die Region als Provinz und da sie ein Großstadtkind war, hatte es sie dorthin zurückgezogen. Sie hatte Trubel, Kurzweil und die Stadtluft gebraucht und war wieder zurück nach Frankfurt gegangen. Ihr Ultimatum an ihn, nach Frankfurt in seine Geburtsstadt mitzugehen, hatte er verstreichen lassen. So wie seine Liebe zu Tamara schwand, so entstand eine andere Liebe zu der neuen Heimat.
Er rangierte seinen X3 aus der Parklücke und fuhr los. Das schmale Gesicht der hübschen Rechtsmedizinerin mit der schlanken, ebenmäßigen Nase, den blauen Augen und dem blondgelockten Haar ging ihm nicht aus dem Sinn, bis er das Ortsschild von Kitzingen erreichte.
Zuerst suchte er Valerie Rissek in ihrer Wohnung. Auf sein Klingeln meldete sich niemand. Anschließend fuhr er zur Kitzinger Klinik. In der dortigen Abteilung der Inneren Medizin fand er die Gesuchte. Die Nachricht vom Tod ihrer Freundin wirkte wie ein Schock auf die junge Frau.
»Können wir nach draußen gehen? Ich brauch etwas zu rauchen«, bat sie ein wenig verstört. »Was ist passiert?«, fragte sie, als ihre Zigarette brannte.
Habich verriet ihr so viel, wie er für richtig hielt. »Erzählen Sie mir etwas über Ihren gemeinsamen Abend«, forderte er dann Tanjas Freundin auf.
Frierend schlug Valerie die dünne Strickjacke enger um ihren Körper. Mit hastigen Lungenzügen rauchte sie zwei Zigaretten hintereinander, während sie berichtete: »Ich habe