Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Группа авторов

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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz - Группа авторов Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz

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noch andere mit dem Pfarrer bekannte Geistliche eintrafen, hatte der Beamte gleich ein staatsgefährdendes Komplott vermutet. Auch im zuständigen Darmstädter Ministerium, wo Lennig inzwischen weniger aufmerksam beobachtet worden war, erhielt man Kenntnis davon. In Preußen wurden in der Streitfrage zur Konfession der Kinder in gemischtkonfessionellen Ehen am Ende die staatlichen Vorschriften durch den 1840 auf den Thron gelangten preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zurückgenommen. Dem jungen König war an einer friedlichen Koexistenz mit der Kirche gelegen. Im hessischen Großherzogtum waren zu dieser Zeit ähnliche Auseinandersetzungen ausgeblieben.

      Während seiner Zeit als Pfarrer in der kleinen Landpfarrei Gaulsheim waren mehrere Versuche unternommen worden, den hervorragend ausgebildeten Lennig doch noch als akademischen Lehrer für die Priesterausbildung an der neuen Fakultät in Gießen zu gewinnen. Schon 1831 wurde dort seine Berufung als Professor für biblische Exegese vorgeschlagen, auch in der Absicht, die verärgerten Mainzer mit der Gießener Fakultät zu versöhnen. Aber er lehnte das Angebot genauso ab wie jenes von Seiten Bischof Humanns im Jahre 1834, eine Professur in der theologischpraktischen Ausbildung am Mainzer Seminar zu übernehmen. In den Jahren 1836 und 1837 wurden ihm dann in Gießen mit Zustimmung Bischof Kaisers zuerst eine Professur für die Fächer Moraltheologie und Pastoraltheologie, danach die Professur für Exegese angeboten. Gerade für letztere wurde er auch wegen seiner vielseitigen Kenntnisse der biblischen Sprachen als besonders geeignet erachtet. Doch Lennig lehnte eine Tätigkeit als Professor im protestantischen Gießen erneut kategorisch ab. Das vermochte sogar das persönliche Erscheinen Bischof Kaisers, der ihn schon früher in Gaulsheim besucht hatte, in Begleitung von Universitätskanzler Freiherr von Linde nicht zu ändern. Denn wenn der ungeliebten Gießener Staatsfakultät durch das Ausbleiben von Neuberufungen nach Todesfällen und Wegberufungen von Professoren an andere Fakultäten ihre Existenzgrundlage schwinden sollte, lag das nur in Lennigs Interesse. So verblieb er in der dörflichen Zurückgezogenheit von Gaulsheim, wo er nicht nur gute Kontakte zu seinem Nachbarpfarrer in Ockenheim pflegte, sondern auch Windischmann, Walter und Klee aus Bonn sowie Brentano, Veit und andere mehr in seinem gastfreien Pfarrhaus zu ernsthaftem Austausch in politischen Fragen und zu geselliger Runde empfing.

      Als 1839 der katholische Mainzer Abgeordnete Johann Maria Kertell in der Zweiten Kammer in Darmstadt einen Antrag zur Rückverlegung der Theologischen Fakultät von Gießen nach Mainz stellte, fand sich Lennig nicht einmal dazu bereit, ihn mit einer argumentativen Darlegung zu unterstützen. Er fürchtete wohl sonst bei der großherzoglichen Regierung erneut Aufmerksamkeit zu erregen.

      Achtete Lennig darauf – möglicherweise schon mit Blick auf eine spätere Besetzung des Mainzer Bischofsstuhls – sich weder in Rom noch in Darmstadt zu kompromittieren? Sicher war er eingenommen von einem starken konfessionellen und mentalitätsmäßigen Ressentiment gegen das protestantische Gießen. Eine Tätigkeit als Professor an der theologischen Fakultät und in der Pfarrseelsorge Gießens hätte er aber auch als Herausforderung begreifen können. Die Priesteramtskandidaten waren in Gießen zweifellos manchen Einflüssen ausgesetzt, die ihnen später im Mainzer Priesterseminar Schwierigkeiten bereiteten. Hier hätte er sich bewähren können. Fehlte ihm die Fähigkeit und Bereitschaft, sich in einer kritisch-aufgeklärten und liberalen Umgebung als Wissenschaftler und akademischer Lehrer zu behaupten und sich als Seelsorger einer kleinen katholischen Minderheit mit der evangelischen Bevölkerung zu arrangieren? Offenbar sah er seinen künftigen Platz in der seelsorglichen Praxis in einem katholischen geprägten Umfeld sowie in der Organisation und Verwaltung des kirchlichen Lebens. Zumindest fällt auf, dass er sein zurückgezogenes und ruhiges Leben in Gaulsheim auch nicht zur Publikation wissenschaftlicher Studien nutzte.

      Auf persönliche Veranlassung Bischof Kaisers übernahm Lennig am 10. September 1839 die Pfarrei St. Petrus und Marcellinus in Seligenstadt. Dort unterstützte ihn sein am 19. Dezember 1839 zum Priester geweihter Neffe Christoph Moufang von Januar 1840 bis Dezember 1843 als Kaplan. Seinen Dienst als Pfarrer dieser bedeutenden Pfarrei versah Lennig mit großer Einsatzbereitschaft in der Feier der Liturgie und in der Unterweisung der Gläubigen in Predigt und Katechese. Lennig beschränkte sein Engagement aber nicht auf den engeren kirchlichen Bereich. Beachtung verdient die von ihm 1841 initiierte und durchgesetzte Einführung von Lehrerinnen für die Mädchenschule in Seligenstadt. Sie zeugt von einem wachen Sinn für die pädagogischen Bedürfnisse der Mädchen, deren schulische Situation sich deutlich verbesserte. Zugleich belegt diese Maßnahme seine Einsicht, dass einer guten, kirchlich geprägten Ausbildung von Mädchen als zukünftigen Müttern für die katholische Ausrichtung der Familien in einem Staat, dessen konfessionsverschiedene Bevölkerungsteile sich unausweichlich annäherten, ein nicht zu unterschätzender Wert zukam.

      Ende 1841 sollte ein ungewöhnlicher Vorgang an der Gießener Fakultät dann doch dazu führen, dass Lennig seine Zurückhaltung in kirchenpolitischen Fragen für einen Moment aufgab. Auf Beschluss des großherzoglichen Ministerrats in Darmstadt war dem an der Gießener Fakultät lehrenden Kirchenhistoriker und Priester Kaspar Riffel am 19. November die Lehrerlaubnis entzogen worden, allerding ohne dass dafür ihm selbst und dem Mainzer Bischof noch der Öffentlichkeit eine Begründung mitgeteilt wurde. Den Anlass für diesen Schritt vermutete man in Riffels Publikation „Christliche Kirchengeschichte der neuesten Zeit“ (Mainz 1841). Darin hatte er die Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts harscher Kritik unterworfen und Martin Luther, den er als ihren Hauptverursacher benannte, mit schärfster Polemik überzogen. Unabhängig von dieser Tatsache verurteilte Lennig das Vorgehen der Regierung, die offenbar in Geringschätzung der Katholiken eine Erklärung schuldig geblieben war, in einer als Denkschrift des Dekanats Seligenstadt an Bischof Kaiser abgefassten Stellungnahme. Er sah in dem Vorgang nicht nur einen erneuten Beweis für die Bevormundung der katholischen Kirche durch die Regierung, sondern auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit katholischer Theologen. In gänzlicher Abhängigkeit vom Staat sei die katholische Theologie an der Gießener Fakultät eine Staatsangelegenheit, wodurch die künftigen Geistlichen ihr katholisches Selbstverständnis und ihre Beziehung zur Kirche verlören. Die Konsequenz konnte für ihn daher nur die Rückverlegung der Theologischen Fakultät nach Mainz sein. Dieser Denkschrift schlossen sich acht der 16 Dekanate des Bistums an. Wenngleich Bischof Kaiser sich durch das Verhalten der Regierung brüskiert sah, so wollte er doch der dringenden Empfehlung Lennigs nicht folgen. Davon ließ ihn sicher auch der durch Riffel selbst über längere Zeit an der katholischen Fakultät verursachte Unfrieden und dessen insgeheime Opposition gegen ihr Fortbestehen Abstand nehmen.

      Der bewährte Mitarbeiter Bischof Kaisers

      Als im Jahre 1844 Bischof Arnoldi zur Hl.-Rock-Wallfahrt nach Trier aufgerufen hatte, erhob der liberal gesinnte schlesische Kaplan Johannes Ronge öffentlich Protest gegen diesen in seinen Augen unsinnigen und unzeitgemäßen religiösen Brauch. Da der von ihm erhoffte Erfolg ausblieb, löste sich Ronge aus der Kirche und gründete mit einigen Anhängern, die sich gleichfalls von der Kirche getrennt hatten, eine eigenständige „moderne“ deutsche Nationalkirche. Dieses Vorhaben fand die Unterstützung der antikatholischen, liberalen und radikalen Presse, insbesondere des Frankfurter Journals. Im Großherzogtum Hessen sammelten sich zunächst in dem Seligenstadt benachbarten Offenbach Sympathisanten unter liberal gesinnten Bürgern, vor allem Fabrikanten und Kaufleute, aber auch unter Arbeitern, die sich der Kirche in ihrem neuen Lebensumfeld entfremdet hatten. Kennzeichen der Rongeschen Bewegung waren die Reduktion des Christentums auf eine reine „Vernunftreligion“ ohne Lehramt und Dogma und ohne die meisten sakramentalen Handlungen. Getragen von nationalem Pathos und einer damit einhergehenden konfessionellen Irenik befürwortete man Ehen von Angehörigen verschiedener Bekenntnisse, verwarf die Abhängigkeit von Rom als kirchlichem Zentrum und damit einhergehend die von einem zölibatären Klerus gebildete kirchliche Hierarchie. Bei der protestantischen Geistlichkeit traf die neue Sekte auf vielfältige Unterstützung und auch die Regierung unternahm nichts, um ihr Treiben abzustellen, wenngleich der Großherzog sich sonst zum Schutzherrn der katholischen Kirche erklärte und in ihre Belange eingriff.

      Musste diese Erfahrung sehr bedrückend auf Bischof Kaiser wirken, so sah sich Lennig in seiner Haltung vollauf bestätigt. Entschieden wandte er sich gegen die Sekte in seiner Nachbargemeinde. Da Bischof Kaiser selbst einen völlig erfolglosen

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