Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Группа авторов

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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz - Группа авторов Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz

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style="font-size:15px;">      Die nächste schwere Enttäuschung war für Lennig das Ausbleiben eines geharnischten Protests Bischof Burgs gegen die Anfang 1830 als „Landesherrliche Verordnung“ in 39 Artikeln erlassenen Bestimmungen zur Regelung des Verhältnisses der Staaten in der oberrheinischen Kirchenprovinz gegenüber der katholischen Kirche. Das Bestreben des evangelischen Landesherrn und seiner Regierung, auf die kirchlichen Verhältnisse der katholischen Staatsangehörigen in gleicher Weise Einfluss zu nehmen wie auf jene evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, wurde von konservativen Katholiken als massive Bedrohung erachtet, die es abzuwehren galt. Die Darmstädter Regierung bekämpfte – wie auch die Regierungen in Württemberg, Baden und Nassau – das Papalsystem und wollte ihre Einflussnahme in kirchliche Belange durch eine vollständige Kontrolle der von ihr abhängigen territorial verfassten Staatskirche sichern. Die vom spätabsolutistischen Herrschaftsstil Großherzog Ludwigs I. geprägte Regierung provozierte bewusst mittels einseitiger staatlicher Gesetzgebung unausweichliche Konflikte, um dann der katholischen Kirche ihren Platz zuzuweisen. Doch die Herrschaftsansprüche über die Kirche, welche der Staat aus seiner vermeintlichen Allgewalt ableitete, weckten vor allem den Widerspruchsgeist der Katholiken und festigten ihre Bindung an den Papst und die römische Kurie. Gerade die Bindung an eine Autorität außerhalb des Staates machte die Katholiken der Regierung wiederum suspekt. Lennig berichtete nach Rom über die 39 Artikel der Landesherrlichen Verordnung und wurde dafür seinerseits durch Bischof Burg beim zuständigen Ministerium in Darmstadt als Unruhestifter denunziert, was zwangsläufig zu einer weiteren Entfremdung führte. Ein Versuch Burgs, Lennig doch noch für seine kirchenpolitische Linie zu gewinnen, indem er ihm eine Professur am Mainzer Seminar mit späterer Transferierung nach Gießen anbot, schlug fehl. Folglich stellte sich Burg dem Vorhaben Lennigs, zu Studienzwecken für einige Zeit Mainz zu verlassen, nicht entgegen.

      An diesem Vorgang wird beispielhaft deutlich, wie mit dem jungen Priester Lennig und dem um eine Generation älteren Bischof Burg Repräsentanten zweier gegeneinander hermetisch abgeschlossener und sich einander ausschließender Konzepte von Kirche und Theologie aufeinander trafen: hier der Ultramontanismus mit enger Bindung an den Papst als höchste und unabhängige Autorität in der Kirche und einer Theologie, die vor allem der Tradition von kirchlicher Lehre und kirchlichem Leben dient, dort das Staatskirchentum, das die Kirche als eine ihrer Natur nach zwar überzeitliche, aber gleichwohl staatstragende Einrichtung sieht, die einer modernen, von der Aufklärung beeinflussten Theologie bedarf.

      Adam Franz Lennig erreichte im Mai 1830 in Begleitung seines Bruders Friedrich Bonn, wo er das Studium bei dem aus Mainz stammenden Philosophen Karl Joseph Windischmann aufnahm, der in Gegnerschaft zu Georg Hermes stand. Während Hermes ein rein vernunftbegründetes Konzept von Theologie zu entwickeln suchte, bemühte sich Windischmann um ein aus der göttlichen Offenbarung abzuleitendes philosophisches System. In Windischmanns Haus konnten die beiden Lennigbrüder ihre Wohnung nehmen, da ihre Familien denselben Mainzer Kreisen zugehörten und miteinander bekannt waren. Weiter hörte Lennig Vorlesungen bei dem Juristen und Kanonisten Ferdinand Walter, nach Moritz Lieber der zweite Schwiegersohn Windischmanns. Durch ihn wurde Lennig abermals in seinem Denken bestärkt, leitete Walter doch die staatliche Autorität ganz aus der Religion ab. Auch sein ehemaliger Mainzer Lehrer, der inzwischen zum Dogmatikprofessor berufene Heinrich Klee, verfolgte einen streng kirchlichen Kurs: Nationalkirchen in der Gestalt von Territorialkirchen seien das Gegenteil der von Christus gestifteten Kirche, die ja gerade als Weltkirche alle Völker zu einer geistigen Einheit und Allgemeinheit verbinden will. Die territorialkirchliche Zersplitterung führe dagegen zu einer Vernichtung der Katholizität, letzten Endes zur Vergötterung des Staates und schließlich zu dessen eigenem Verderben.

      Als Lennig 1831 nach Mainz zurückgekehrt war, blieb sein Verhältnis zu Bischof Burg weiter angespannt, da er sich getreu seinen Prinzipien weigerte, eine gemäß den Bestimmungen der Landesherrlichen Verordnung durch den Großherzog vergebene Pfarrei zu übernehmen. Die Ausübung des Patronatsrechts durch den Großherzog wertete er als einen direkten Eingriff des Staates in die Autonomie der Kirche. Durch diese Haltung geriet er in einen offenen Konflikt mit Bischof Burg, der ihm verschiedene Pfarreien anbot, die anzunehmen Lennig sich aber stets auch im direkten Gespräch mit dem Bischof weigerte. All diese Konflikte mit Burg sollten noch Jahre später ihre Wirkung in Lennigs Denken und Handeln entfalten. Zwar kam Lennig seinen priesterlichen Pflichten an verschiedenen Mainzer Kirchen nach, nicht aber in der ordentlichen Pfarrseelsorge. Der Mangel an Priestern veranlasste Bischof Burg schließlich, einen Ausweg zu suchen.

      Pfarrer in Gaulsheim und in Seligenstadt

      Am 6. Juli 1832 konnte tatsächlich die Ernennung Lennigs zum Pfarrer von Gaulsheim bei Bingen erfolgen. Burg war es gelungen, eine gesonderte Genehmigung des zuständigen Ministeriums in Darmstadt zu erlangen, welche die Verleihung dieser Pfarrpfründe, so wie es noch unter Bischof Colmar übliche Praxis war, nur durch den Bischof selbst und nicht durch die großherzogliche Regierung ermöglichte. Bis 1839 sollte Lennig hier seinen Dienst als Pfarrer leisten und die dörfliche Abgeschiedenheit für weitere Studien zum Alten Testament und zu den Kirchenvätern nutzen. Doch pflegte er auch regen Kontakt zu seiner Familie in Mainz, besonders zu seinem Schwager Wilhelm Moufang, sowie zu zahlreichen Personen, denen er freundschaftlich verbunden war.

      Die sogenannten Kölner Wirren des Jahres 1837 mit der öffentlichen, militärisch unterstützten Inhaftierung des Kölner Erzbischofs Clemens August von Droste zu Vischering am 20. November sorgten dann auch im beschaulichen Leben Lennigs in Gaulsheim für einige Aufregung. Der Kölner Erzbischof hatte sich beharrlich der Anordnung der preußischen Regierung widersetzt, bei gemischtkonfessionellen Eheschließungen auf das Versprechen einer katholischen Kindererziehung seitens der Ehepartner zu verzichten. Die Inhaftierung des Erzbischofs löste tatsächlich landesweit große Empörung unter den Katholiken aus und fachte in Mainz erneut den Widerspruchsgeist des Kreises um Wilhelm Moufang an, wie aus der Korrespondenz seines Sohnes Christoph, der sich zum Theologiestudium in München aufhielt, mit seinem Onkel Friedrich Lennig hervorgeht. Zum sogenannten Münchner Kreis, in dem Christoph Moufang verkehrte, gehörten neben Fritz Windischmann, dem Sohn des Bonner Philosophen, der später Generalvikar Erzbischof von Reisachs in München wurde, auch Joseph Görres, Georg Philipps und Clemens Brentano. Letzterer wollte in Adam Franz Lennig sogar schon den geeigneten Nachfolger auf dem Kölner Erzbischofsstuhl sehen. Wenngleich Lennig diesen Gedanken gegenüber seinem Neffen Christoph in einem Brief vom 11. Januar 1838 mit den Worten ablehnte: so weiß ich nicht mit wem er [Brentano] es schlimmer meint: mit der Kölner Diözese, mit den Preußen oder mit mir4, mag hier in ihm vielleicht doch auch der Gedanke an ein künftiges Wirken als Bischof von Mainz geweckt oder bestärkt worden sein. In ihrer Wirkung begrüßte Lennig die Vorgänge in Köln als einen Weckruf: Gott sei tausendfacher Dank, daß die Sache so gekommen ist, denn ein Fall der Art war nötig, um die Katholiken aus ihrer unglaublichen Schlafsucht zu erwecken. In den Gesinnungen geht allenthalben eine große Veränderung vor sich, und die Leute werden genöthigt, Partei zu nehmen, wodurch denn der Indifferentismus von selber ein Ende nimmt.5 Er hoffte sogar auf eine weitere Zuspitzung der Lage, damit sich der Widerstandsgeist der katholischen Bevölkerung gegen die Anmaßungen des Staates noch verstärke, wodurch die preußische Regierung zu einer grundlegenden politischen Lösung gedrängt wäre. Die von Joseph Görres gegen das preußische Vorgehen verfasste Streitschrift „Athanasius“ hatte schließlich eine enorme Mobilisierung der katholischen Bevölkerung bewirkt und wurde von Lennig hoch geschätzt.

      Über die kirchenpolitisch brisanten Vorgänge führte Lennig eine ausgedehnte Korrespondenz mit seinem weit verzweigten Freundes- und Bekanntenkreis. Außerdem fanden sich im Gaulsheimer Pfarrhaus auch Gleichgesinnte ein, so etwa der Düsseldorfer Pfarrer Anton Joseph Binterim, der wegen seines Protests gegen das Vorgehen der Regierung die Stadt vorübergehend verlassen musste. Auch der Koblenzer Pfarrer Seydel, der mit seiner öffentlichen Parteinahme für den Kölner Erzbischof die katholische Bevölkerung mobilisiert hatte, nahm im Februar 1838 einige Tage in Gaulsheim Aufenthalt bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Damals wurde Lennig von einem nassauischen Beamten der Konspiration bezichtigt und – allerdings erfolglos – bei der Regierung in Wiesbaden angezeigt. Grund war ein Besuch, den er gemeinsam mit

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