Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Группа авторов

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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz - Группа авторов Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz

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seine Motivation und sein persönlicher Kampf für die Freiheit der Kirche nicht zu verstehen. Aus gegenwärtiger Perspektive erscheinen sie teilweise als überzogen und fremd. Schon vielen seiner Zeitgenossen, gegen die er Position bezogen hatte, musste er wegen seines beharrlichen Festhaltens an den Grundsätzen, die er in Bezug auf Christentum und Kirche vertrat, als schroff und kompromisslos erscheinen. Daher rührt auch seine Charakterisierung, er vertrete eine streng römische Richtung und sei ein Eiferer gegen Andersdenkende, die ihm das kirchenfeindlich-liberale Frankfurter Journal 1849 zugedachte.2 Dabei vermied er jedoch offen ausgetragene persönliche Feindschaften. Vielmehr erachtete er es als seine Pflicht, sich für die Verwirklichung eines Modells von Kirche, wie es ihm durch seine familiäre und gesellschaftliche Umgebung vermittelt worden war, mit vollem Engagement einzusetzen. So trat er als dezidierter Gegner des damaligen Staatskirchentums hervor, wobei er sich als typischer Repräsentant des Ultramontanismus streng am römischen Papsttum und der kirchlichen Tradition orientierte. Zugleich verstand er es, die aufkommenden modernen Organisationsformen und Informationsmittel etwa durch die Gründung des Pius-Vereins und des „Mainzer Journals“ geschickt für sein Anliegen zu nutzen. Daher verlangte die Person Lennigs – sei es in Bezug auf Religion und Kirche, sei es in der Politik – auch ihren Gegnern, wenn nicht Anerkennung so doch Respekt ab. Alle, die wie er in der Kirche aufgrund ihrer göttlichen Stiftung jene überzeitliche Kraft sahen, deren Lehren und Normen zum Wohl der menschlichen Gesellschaft Geltung zu verschaffen ist, war er eine wichtige Leitfigur.

       Adam Franz Lennig 1842, Gemälde von Eduard Heuss

      Herkunft – Familie – Studium

      Um Adam Franz Lennig, sein Denken und Handeln als Priester zu verstehen, ist gerade in seinem Fall ein genauer Blick auf die ersten Jahre seines Lebens zu lenken. In dieser Zeit vollzog sich auf der Bühne des kirchlichen wie des politischen Lebens eine Art Zeitenwende, die alle weiteren Entwicklungen und Abläufe beeinflusste. Sein Elternhaus, heute Markt 9, lag im Zentrum von Mainz, direkt gegenüber dem Dom. Hier wurde er am 3. Dezember 1803 geboren. Sein Großvater, Kilian Lennig, stammte aus der lutherischen Gemeinde Uettingen bei Würzburg. Aus persönlicher Überzeugung hatte er die Konfession gewechselt. Als Verwaltungsbeamter des Mainzer Domdekans und Generalvikars Georg Adam von Fechenbach kam er nach Mainz, wo er 1748 eine Bürgerstochter heiratete und eine Tuchhandlung gründete. Sein Sohn Nikolaus hatte seine Schulausbildung bei Jesuiten erhalten und das väterliche Geschäft übernommen. 1782 heiratete er Elisabeth Mentzler, die Tochter eines Mainzer Arztes. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. 1796 wurde Friedrich Lennig geboren. Seinem älteren Bruder fühlte sich Adam Franz Zeit Lebens eng verbunden. Friedrich wurde ein bekannter Mainzer Dialektdichter und gehörte 1838 zu jenem Kreis angesehener Bürger, die den Mainzer Carnevalverein gründeten.

      Die gut situierte Familie führte ein gastfreundliches Haus, in dem hochrangige Persönlichkeiten aus Kirche und städtischer Gesellschaft in gleicher Weise wie Bürger und Landbevölkerung aufgenommen wurden. Das Familienleben war geprägt von einer betonten Kirchlichkeit, die aus einer starken Gläubigkeit erwuchs. Davon waren der gesellschaftliche Umgang, den man pflegte, und besonders auch die Erziehung der Kinder bestimmt. Nach dem Tod des Vaters Nikolaus Lennig im Jahre 1815 führte der älteste Sohn Christoph das Geschäft zusammen mit seinem Schwager Wilhelm Moufang weiter, der eine der Schwestern der Lennigbrüder, Katharina Wilhelmine, geheiratet hatte. Moufang fügte sich in seiner Wesensart und Lebenseinstellung ausgesprochen gut in die Familie ein. Als engagiertes Mitglied der Dompfarrei gehörte er zum Vorstand der Pfarrschule und wirkte als Rechner der Kirchenfabrik und Armenpfleger. Zusammen mit seinem Schwager Christoph nahm er sich der Erziehung und Ausbildung seiner Neffen Friedrich und Adam Franz an.

      Schon als Kind wurde Adam Franz Zeuge von Ereignissen und Entwicklungen die ihn tief geprägt haben müssen: Nachdem der Untergang von Erzdiözese und Kurstaat besiegelt waren, suchte die Familie Lennig in den neuen Verhältnissen unter französischer Regie ihren Platz zu finden. Als Kontinuitätsträger blieb nur die Kirche bestehen, die sich allerdings durch die tiefgreifenden politischen Veränderungen nach dem Ausscheiden des Adels in ihrer Führungsstruktur ganz anders darstellte. Der wichtigste Repräsentant des neuen französischen Bistums Mayence war der bürgerliche Bischof Joseph Ludwig Colmar, der auf die Unterstützung der Mainzer Bevölkerung angewiesen war, die sich allerdings erst an die so völlig veränderten Verhältnisse gewöhnen musste. Daher war für ihn der enge Kontakt zu führenden Familien wie etwa den Lennigs sehr wichtig, weshalb er oft in deren Haus zu Gast war. Es war Colmars großes Verdienst, dass er die Mainzer Kirche von Grund auf reorganisierte und das kirchliche Leben wieder erstehen ließ, das in Folge der politischen Umwälzungen und kriegerischen Ereignisse vom Mainzer Kurstaat über die Mainzer Republik hin zum französischen Kaiserreich schwer beeinträchtigt worden war. Neben Colmar weilte insbesondere dessen engster Mitarbeiter, Bruno Franz Leopold Liebermann, der gleichfalls aus dem Elsass stammende Leiter des Priesterseminars, häufig im Hause Lennig.

      Beide waren typische Repräsentanten der Erneuerung des kirchlichen Lebens in Frankreich, die im Anschluss an die revolutionären Umwälzungen mit der Schreckensherrschaft des Nationalkonvents 1793/1794 nach der Machtergreifung Napoleon Bonapartes einsetzte. Weite Kreise der Kirche Frankreichs banden sich, befreit von der Instrumentalisierung durch das Königtum, eng an das Papsttum, welches als die alleinige, über allen weltlichen Institutionen und Ansprüchen stehende religiöskirchliche Konstante galt. Dabei wurde die Abhängigkeit von der Gunst Napoleons, dem man sich für die Befriedung der Verhältnisse zu Dank verpflichtet sah, in Anbetracht alles zuvor Erlittenen akzeptiert, ließ er doch genügend Freiheit für diesen innerkirchlichen Erneuerungsprozess.

      Von diesen Erfahrungen waren die Gespräche und Beratungen im Hause Lennig bestimmt, und die Anwesenheit führender kirchlicher Persönlichkeiten in seinem Elternhaus dürfte die frühe Bindung von Adam Franz an die Kirche gefördert haben. So überrascht es auch nicht, dass er 1815 nach dem Besuch der Privatschule des Mainzer Bürgers Joseph Seitz und des französischen Lyzeums, in ein Gymnasium nach Bruchsal geschickt wurde, wo er Unterricht bei dem mit seinem Vater befreundeten ehemaligen Jesuiten Lorenz Doller erhielt. Durch ihn wurde der erst zwölfjährige Knabe bereits in das problematische Verhältnis zwischen Staat und Kirche eingeführt. Allerdings wird er selbst auch schon davon einen Eindruck gewonnen haben, als er 1813 aus nächster Nähe die völlige Verwüstung des Domes durch die Truppen Napoleons erlebte, die nach ihrer Niederlage bei Leipzig auf dem Weg nach Frankreich Mainz geradezu überfluteten. Doller hatte im Jahre 1816 eine Streitschrift herausgegeben, in der er sich gegen die in liberalen Kreisen vertretene Auffassung wandte, dass es den Fürsten des Rheinbundes freistehe, nach eigenem Ermessen Landesbischöfe einzusetzen. Er forderte die Freiheit der Kirche von staatlicher Bevormundung, da sie als Stiftung Jesu ein „unabhängiges Reich“ sei, und verlangte die unabhängige und eigenständige Organisation und Ausübung kirchlicher Amtsgewalt. Die Einsetzung von Bischöfen und Geistlichen in ihre Ämter obliege daher allein der Kirche, weshalb sie auch keine Staatsdiener seien, wie auch dem Staat kein Einfluss auf ihre Ausbildung zustehe und kein Recht auf die Zensur von Büchern zu Religionssachen.

      Diese Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat sollte prägend werden für Lennigs ganzen weiteren Lebensweg. 1817 kehrte er in Begleitung seines Lehrers Doller in sein Elternhaus zurück. Mainz war inzwischen zur Hauptstadt der Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt geworden, dem Nachfolgestaat der mit Kurmainz konkurrierenden benachbarten Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dieser Staat war auch auf Kosten des Kurstaats entstanden. Damit sah sich die katholische Einwohnerschaft der Bischofsstadt und der Gebiete der Provinz, die ehemals zum Kurstaat gehörten, nun einem Landesherrn lutherischen Bekenntnisses gegenüber und ging als Minderheit in dieses neue Staatsgebilde ein. Das Verhältnis vieler Mainzer zu ihrer Regierung war folglich keineswegs spannungsfrei, da sich das katholische Bewusstsein eines großen Teils der Bürgerschaft inzwischen wieder deutlich gefestigt hatte.

       Marktplatz

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