Menschen mehr gerecht werden. Franz Reiser

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Menschen mehr gerecht werden - Franz Reiser Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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Religiosität und Psychiatrie ergeben. In der Folge kam es im Arbeitsbereich Caritaswissenschaft und Christliche Sozialarbeit zu einem Forschungsschwerpunkt mit dieser Thematik – und im Jahr 2008 zur Anfrage an mich, eine Patientenstudie als Promotionsprojekt durchzuführen. Nicht ahnend, was alles auf mich zukommen würde, stimmte ich zu.

      Religiosität bzw. Spiritualität als eine ernstzunehmende und relevante Dimension von Patientinnen und Patienten1 interdisziplinär zu untersuchen, erwies sich als enorm umfangreich und komplex. Mein subjektives Gefühl nach der Fertigstellung: Die Arbeit kam mir vor wie der Bau eines Gotthard-Basistunnels – die empirische Erhebung wie auch die theoretischen Klärungen und die Sichtung des Forschungsstandes schienen mir wie das Durchbohren einer gewaltigen Masse von Material sehr unterschiedlicher Konsistenz und Festigkeit, dazu dann der solide Ausbau … Leider konnte ich meine Zeitplanung nicht so gut wie die Schweizer einhalten (was bei diversen anderen deutschen Projekten ähnlich zu sein scheint). Berufsbegleitend hieran zu arbeiten, also parallel an mehreren Baustellen, war oft eine ganz besondere Herausforderung.

      Meine eigene, in Exerzitien gereifte Motivation für dieses Forschungsprojekt möchte vor allem der Sache dienen, oder besser gesagt: den Psychiatriepatientinnen und -patienten. Wenn es nur um den akademischen Titel gegangen wäre, hätte ich zwischenzeitlich schon mehrmals aufgegeben. Gleichwohl zögere ich, das Schriftwort Caritas Christi urget nos für mich in Anspruch zu nehmen.2 Das ist ein großes Wort … Mein persönlicher Hintergrund wie auch eine ausführliche Declaration of interests ist unten zu finden (vgl. S. 17) f.).

      Religiöse oder spirituelle Erfahrung kann auch bei schweren psychischen Störungen eine wichtige und hilfreiche Rolle spielen, wie z. B. die Begründerin der dialektisch-behavioralen Therapie Marsha M. Linehan aus eigenem Erleben berichtet (Carey 2011)3 und in ihr Therapiekonzept aufgenommen hat.

      Viele haben zum Gelingen dieser Studie beigetragen. Danken möchte ich: Prof. Klaus Baumann für die Betreuung und Förderung des gesamten Forschungsprojektes; Prof. Eberhard Schockenhoff als Zweitbetreuer der Dissertation; Prof. Arndt Büssing für die Bereitstellung seiner Fragebogen und vielfältige Unterstützung; Prof. Mathias Berger für die Möglichkeit einer empirischen Erhebung in seiner Klinik; Dr. Anne Zahn für ihre Mitarbeit in der Konzeption, Durchführung und Diskussion der Erhebung; der Pflegedienstleitung Ingrid Kern und Katja Gerhardt für ihre Genehmigung; dem Pflegepersonal und den Stationsassistentinnen für die Ausgabe der Fragebogen; Christiane Thernes-Venn und Susanne Trieschmann (Abt. Medizinische Dokumentation) für die Sammlung und Anonymisierung der Fragebogen sowie die Bereitstellung weiterer Patientendaten; Dr. Gerta Rücker (Institut für Medizinische Biometrie und Statistik), Dr. Lars Hölzel und Dr. Bernd Feige für Ratschläge zur Statistik; Biometrikerin Dipl. math. Katja Schöne für die Durchsicht und Überprüfung meiner statistischen Auswertung; meinen Kollegen/-innen im Doktorandenkolloquium sowie in der Forschungsgruppe „Religiosität/Spiritualität in der Psychiatrie“ für kritisches Mitdenken; Prof. Ulrich Lüke, Prof. Simon Peng-Keller, Dr. Arno Zahlauer, Prof. Christian Zwingmann, Dr. Dieter Fuchs und Dr. Christoph Wandler für wertvolle Hinweise; dem „Geistlichen Zentrum“ in St. Peter/Schwarzwald für die Gastfreundschaft während einer „Schreibzeit“; dem engagierten Support der Zitationssoftware Citavi; Dr. Elisabeth Ketterl, Anita Ketterl, Susanne Müller und Thomas Gedemer für das Korrekturlesen; Nele Kern für Hilfe bei der graphischen Gestaltung der Druckfassung; dem Seelsorgeteam und allen Mitarbeitenden der Kirchengemeinde An der Glotter für ihr Verständnis und manche Entlastung; allen, die mich ertragen haben, wenn ich ob der Anstrengung weniger freundlich und geduldig als sonst sein konnte. Und natürlich noch vielen, die hier nicht aufgeführt sind.

      Ist Caritaswissenschaft selber eine Form von Caritas? Zumindest wäre es meine Hoffnung und mein Wunsch, dass diese Studie dem Wohl von Patientinnen und Patienten dient und dazu beiträgt, ihnen noch besser gerecht zu werden.

      Freiburg i. Br., im Juli 2018

       Franz Reiser

      1 Zwecks besserer Lesbarkeit werden nicht überall beide Geschlechtsformen genannt – selbstverständlich sind Frauen und Männer immer gleichermaßen gemeint, falls nicht anders angegeben.

      2 „Die Liebe Christi drängt uns“ (vgl. 2 Kor 5, 14) als eine Kurzformel für die Sendung der Kirche.

      3 Im Internet ist dazu auch ein sehenswertes kurzes Doku-Video zu finden (Linehan 2011).

      1 Einleitung

      „Die heutige klinische Psychiatrie versucht, die Religiosität des Patienten in ihrer existentiellen Bedeutung zu beachten“, so Rainer Tölle und Klaus Windgassen (2014, S. 12).4 Vier Jahre davor schrieb Peter Kaiser: „Das Erstarken der Psychiatrie als eigenständiges Fach, die historisch bedingte naturwissenschaftliche Abwendung von allem Spekulativen, die Psychoanalyse und schließlich die stürmische Entwicklung der Psychopharmakologie führten zu einer weitestgehenden Verdrängung religiöser Thematik aus der Psychiatrie.“ (Kaiser 2010, S. 92) Hat sich in diesen vier Jahren die Lage grundlegend verändert? Zweifel sind berechtigt …

      Nicht nur in der Psychiatrie und Psychotherapie, bereits in der Psychologie scheinen – zumindest im deutschsprachigen Raum – Religiosität oder Spiritualität keine große Rolle zu spielen.5 Michael Utsch konstatiert für die Religionspsychologie in einem Forschungsüberblick:

      Es ist erstaunlich, dass die Religiosität von der deutschsprachigen Psychologie so wenig wahrgenommen wird, drückt sich darin doch eine grundlegende kulturelle und individuelle Dimension des Menschen aus. Während die psychologischen Aspekte des Sports, der Werbung, der Musik oder des ökologischen Bewusstseins mittlerweile intensiv erforscht werden, wird die Religion von vielen Psychologen immer noch ignoriert. (Utsch 2008, S. 309)6

      Dabei definiert ein klassisches Einführungswerk zur Psychologie von Philip G. Zimbardo und Richard J. Gerrig „Psychologie formal als die wissenschaftliche Untersuchung des Verhaltens von Individuen und ihren mentalen Prozessen.“ (Gerrig u. Zimbardo 2013, S. 2) Darf man Religiosität bzw. Spiritualität dabei von vornherein ausklammern? Der namhafte Sozialpsychologe Roy F. Baumeister urteilt: „Like television, money, sex, and aggression, religion is an important fact of life, and psychology cannot pretend to be complete unless it understands religion alongside these other phenomena.” (Baumeister 2002, S. 165) Ähnlich betont ein offizielles Handbuch der American Psychological Association (APA): „In fact, we would argue that a mainstream psychology that overlooks the religious and spiritual dimension of human functioning remains incomplete.” (Pargament et al. 2013a, S. 10)7

      Im Bereich von Gesundheit und Krankheit wird ähnlicher Bedarf angemeldet. Für die Gesundheitswissenschaft allgemein kommt Florian Jeserich in einem Literaturüberblick zu dem Schluss: „Die systematische Erforschung von Religion(en) und Spiritualität(en) als potentiell gesundheitsrelevante Faktoren ist ein Desiderat in der deutschen Gesundheitswissenschaft.“ (Jeserich 2011, S. 143) Spezifisch für unser Thema formuliert die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in einem aktuellen Positionspapier:

      Forschung über die Bedeutung von Weltanschauungen und Sinngebungsmodellen als Belastung und Ressource im deutschsprachigen Bereich ist sinnvoll und notwendig. Ein interdisziplinärer Dialog zwischen Religionspsychologie, Theologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ist erwünscht und notwendig. Folgende Forschungsthemen erscheinen u. a. wichtig: (1) Wahrnehmen von religiösen/spirituellen Bedürfnissen der Patienten, (2) Religiosität und Spiritualität als Behandlungshindernis und (3) Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe mit Seelsorge-Angeboten. (DGPPN 2016, S. 7)

      Das Handbuch Religion and Psychiatry der World Psychiatric Association (WPA) beschreibt im Vorwort

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