Geist & Leben 3/2016. Christoph Benke

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Geist & Leben 3/2016 - Christoph Benke

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Es geht dabei auch um die Frage nach dem Zusammenhang von Kontemplation und Aktion.

       Das Leben des Ignatius als Beispiel

      Beide Sichtweisen sind schon am Beginn der Lebenswende des Ignatius präsent. In der Zeit seiner Rekonvaleszenz im heimatlichen Schloss in Loyola nach der schweren Verwundung bei der Verteidigung der Festung Pamplona hatte er zwei Bücher zur Verfügung: eine Sammlung von Heiligenlegenden und ein Buch mit Betrachtungen zum Leben Jesu. Sich da hinein zu vertiefen weckt in ihm eine Liebe und Großmut (vgl. BP 14; GGJ 22). Die Heiligenlegenden wiederum zeigen ihm, wie ein Leben in der Nachfolge aussehen kann, und sie wecken in ihm den zunächst noch unerleuchteten Ehrgeiz, es ihnen gleichzutun oder sie womöglich zu übertreffen. Darin steckt aber die Frage nach dem Willen Gottes, den er erfüllen will und den er immer besser zu erfassen lernt. Zunächst bedeutet es für ihn, sich von seinem Stand als Adeliger, von seiner Familie und von den bisherigen Zielen und Werten zu trennen und eine neue Lebensweise anzunehmen. In dieser Absicht kommt er zum Benediktinerkloster Montserrat, wo er zusätzlich zum Ablegen einer Lebensbeichte die Zeichen seines bisherigen Lebens zurücklässt: Kleid, Schwert und Dolch. Bettelnd zieht er weiter, auf die nicht planbare Hilfsbereitschaft anderer angewiesen. Es ist für ihn ein Experiment des Vertrauens auf Gott, wie aus den Überlegungen zur Fahrt ins Heilige Land hervorgeht (BP 35; GGJ 36). Zunächst ist er in Manresa, wo er sich ca. elf Monate aufhielt, herausgefordert, Vertrauen zu lernen, weil er mit dem Versuch, durch eigenes Bemühen die Fehler seines bisherigen Lebens vollständig hinter sich zu lassen, an kein Ende kam. Er geriet vielmehr in Skrupel, die ihn an den Rand des Selbstmordes brachten. Hier, an der Grenze eigenen Wollens und Könnens, erfuhr er die Hilfe Gottes, der ihn wie aus einem Schlaf erwachen und die innere Dynamik seiner Skrupel erkennen ließ.

      Unter den zahlreichen Visionen, die ihm in der Folge in Manresa geschenkt wurden, ragt eine besonders hervor: die Vision am Fluss Cardoner. „Als er so dasaß, begannen sich ihm die Augen des Verstandes zu öffnen: Und nicht, dass er irgendeine Vision gesehen hätte, sondern er verstand und erkannte viele Dinge, sowohl von geistlichen Dingen wie von Dingen des Glaubens und der Wissenschaft. Und dies mit einer so großen Erleuchtung, dass ihm alle Dinge neu erschienen (…) Und dies bedeutete, in so großem Maß mit erleuchtetem Verstand zu bleiben, dass ihm schien, als sei er ein anderer Mensch und habe eine andere Erkenntnisfähigkeit, als er zuvor hatte.“ (BP 30; GGJ 33f.) Ignatius zählt diese Vision zu den Ereignissen, die zeigen, wie Gott ihn in Manresa in der Art eines Schullehrers unterrichtet hat. Ihnen stehen die Beispiele gegenüber, mit denen er gezeigt hat, wie blind er trotz seiner Liebe und Großmut zunächst gewesen war und ohne inneres Verständnis einfach nachahmen wollte, was verschiedene Heilige vor ihm getan hatten. Nun scheint er dieses innere Verständnis gefunden zu haben. Er gab er in der Folge sein intensives Bemühen auf, Menschen zu finden, die ihn hätten unterweisen können. Er mäßigte seine Bußübungen, versuchte offenbar nicht mehr, die Heiligen nachzuahmen bzw. zu übertreffen. Wie wir aus Zeugnissen seiner engen Vertrauten erfahren können, erlangte Ignatius in der Vision am Cardoner eine Zusammenschau der Mysterien des christlichen Glaubens, und diese beinhaltete einerseits ein Wissen über Gott, anderseits einen Blick auf die Welt im Lichte Gottes, und das heißt, über die Auseinandersetzung zwischen den Mächten auf der Seite Gottes und jenen, die ihm entgegenstehen.9 Zwischen diesen Mächten muss der Mensch sich entscheiden. In den Exerzitien hat sich das Wissen über diese fortwährende Auseinandersetzung v.a. niedergeschlagen in der Betrachtung über den Ruf des Königs (GÜ 91–100; GGJ 144–146) und über die zwei Banner/Heerlager (GÜ 136–148; GGJ 160–166).

      Am Ende seines Aufenthalts in Manresa ist Ignatius entschieden, ins Heilige Land zu reisen und dort zu bleiben. Dieses Vorhaben, von dessen Sinnhaftigkeit und Konformität mit dem Willen Gottes er überzeugt war, stößt auf unerwartete Schwierigkeiten. In Jerusalem wird er vor die Wahl gestellt, zurückzufahren oder exkommuniziert zu werden. Ignatius, der seinem inneren Impuls gefolgt war, stößt nun auf äußere Grenzen. Sie werden ihm von der Kirche gesetzt.

       Die Kirche als Ort, den Willen Gottes zu leben

      Ignatius ignoriert diese Grenzen nicht, er rebelliert auch nicht gegen sie, sondern gehorcht. Für ihn ist dieses Hindernis ein äußeres Zeichen dafür, dass es – zumindest jetzt – nicht der Wille Gottes ist, im Heiligen Land zu bleiben. Unter dem Banner Christi zu dienen war für ihn nur in der Kirche vorstellbar. Er erkennt, dass es nicht (mehr) möglich ist, Jesus äußerlich vollständig nachzuahmen. Er muss nun von neuem nach dem Willen Gottes fragen. Ausgehend von seinem Grundanliegen, den Seelen zu helfen, entschließt er sich, dasjenige zu tun, was ihn im Raum der Kirche dazu befähigen soll: Er beginnt zu studieren. Die Frage nach dem Willen Gottes wird ihn weiter begleiten, sie wird ihn an die Universitäten von Alcalá, Salamanca und Paris führen, wird ihn zur prägenden Gestalt einer Gruppe von Gefährten machen. Mit ihnen wird er nach Rom gehen und sich dem Papst für Sendungen zur Verfügung stellen. Auf dem Weg dorthin erfährt er in einer Vision im Kirchlein von La Storta vor den Toren Roms die Bestätigung für den eingeschlagenen Weg: Gott, der Vater, gesellt ihn seinem Sohne zu, und dieser sagt: „Ich will, dass du uns dienst.“ (GGJ 79, Anm. 279)

      In der Überlegung der Gefährten, in welcher Weise sie weiter miteinander verbunden bleiben wollen, sehen sie sich auf ihrem Weg von Gott geführt, von ihm durch ein Band miteinander verbunden (GGJ 291–296). Und in dieser Verbundenheit wollen sie auch einem unter sich Gehorsam leisten. Damit ist von ihrer Seite der entscheidende Schritt zur Bildung eines neuen Ordens innerhalb der Kirche geschehen. Es ist aber kein gerader Weg, der Ignatius und die Gefährten dahin geführt hat, eher so, dass sie sich Schritt für Schritt haben führen lassen und dies im Nachhinein als Weg erkennen (vgl. Sa 812; GGJ 820).

      Ignatius selbst musste sich mehrfach vor der Inquisition rechtfertigen. Er hat sich nicht gescheut dies zu tun, hat die Klärung z.T. offensiv betrieben. Es lag ihm offenbar daran, im Einklang mit der Kirche zu handeln, weil er überzeugt war, dass in ihr der Geist Gottes am Werke ist: „wir glauben, dass zwischen Christus, unserem Herrn, dem Bräutigam und der Kirche, seiner Braut, der gleiche Geist ist, der uns leitet und lenkt zum Heil unserer Seelen“ (GÜ 365; GGJ 266). Und so hat er auch die Exerzitien vom Papst bestätigen lassen. In ihnen hat er einen Übungsweg dargelegt, der auf seinen Erfahrungen, aber auch auf der Tradition der Kirche beruht, die er in sich aufgenommen und deren Kenntnis er durch das Studium vertieft hat. Nachdem wir gesehen haben, dass sowohl die Frage nach Gott wie die Frage nach seinem Willen im Leben des Ignatius präsent waren, können wir erwarten, dass uns in den Exerzitien beide Fragerichtungen begegnen.

       Die Erfahrungen des Ignatius in den Exerzitien

      Ziel der Exerzitien ist es, „den göttlichen Willen in der Einstellung des eigenen Lebens zum Heil der Seele zu suchen und zu finden“ (GÜ 1; GGJ 92). Wie aber soll dies gelingen? Offensichtlich stehen im Menschen beträchtliche Hindernisse entgegen. Ignatius nennt sie „ungeordnete Anhänglichkeiten“. Der Name Exerzitien (= Übungen) lässt an ein gezieltes Bemühen von Seiten des Menschen denken, auch die Überschrift (GÜ 21; GGJ 108) gibt als Ziel an, „über sich selbst zu siegen und sein Leben zu ordnen“. Es scheint so, als ob es in den Exerzitien v.a. oder sogar ausschließlich um das Erkennen und Tun des Willens Gottes ginge. Ein solches Verständnis greift aber zu kurz. Die Exerzitien lassen ausführlich das Tun Gottes betrachten, das dem eigenen Tun und Können voraus geht. Schon in der Ersten Woche, in der es um die Betrachtung der Sünde – oder genauer: die Betrachtung der Barmherzigkeit Gottes angesichts der Sünde – geht, lässt Ignatius am Ende jeder einzelnen Gebetszeit Jesus am Kreuze betrachten und fragen, „wie er als Schöpfer gekommen ist, Mensch zu werden, und von ewigem Leben zu zeitlichem Tod, und so für meine Sünden zu sterben“ (GÜ 53; GGJ 128). Von diesem Hintergrund her befragt sich dann der/die Exerzitant(in), was er/sie für Christus getan hat, für ihn tut und tun solle.

      Im Prolog zur Zweiten Woche, der „Betrachtung vom Ruf des Königs“ (GÜ 91– 100; GGJ 144–146), steht Christus im Bild eines idealen Königs vor Augen, der für seinen Kampf Mitstreiter sucht. Indem der/die Exerzitant(in) auf Jesus Christus schaut

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