Geist & Leben 3/2016. Christoph Benke

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Geist & Leben 3/2016 - Christoph Benke

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vielmehr erbeten werden: „Innere Erkenntnis des Herrn erbitten (…), damit ich mehr ihn liebe und ihm nachfolge.“ (GÜ 104; GGJ 148) Es bedarf dazu der Offenheit auf der Ebene des Gedächtnisses, des Verstandes und des Willens. Mit dieser Aufzählung der Seelenkräfte, die Ignatius aus der Tradition übernimmt, ist der Mensch in seiner Ganzheit gemeint. Schon allein diese Ganzheit kann er nicht durch einseitig rational planendes Bemühen erreichen.

      Die Gesamtausrichtung des Lebens führt den Mensch in den Exerzitien hin zu Entscheidungen über sein Leben. Diese geschehen nicht im angestrengten Nachdenken. Nach Ignatius werden wir vielmehr „indem wir zugleich sein (= Jesu Christi) Leben betrachten, zu erkunden und zu erbitten beginnen, in welchem Leben oder Stand seine göttliche Majestät sich unser bedienen will“ (GÜ 135; GGJ 160). Die Entscheidung ist zugleich eine Erwählung, in der Gott die entsprechende Neigung dem Menschen in den Willen legt und als das Bessere erscheinen lässt. „Es soll (…) also der Wunsch, besser Gott unserem Herrn dienen zu können“ (GÜ 155; GGJ 167–168), der entscheidende Beweggrund sein. Es verschränken sich demnach die beiden Blickrichtungen: einerseits auf Jesus Christus schauen, eine innere Erkenntnis seiner Person, in der Gott aufleuchtet, gewinnen und anderseits den Willen Gottes erkennen, um ihn dann zu erfüllen. Wie dies geschehen kann, dafür ist der Vergleich mit einer tiefen Beziehung zu einem anderen Menschen hilfreich. Im Rahmen einer solchen Beziehung habe ich ein Gespür dafür, was die Beziehung fördert und was sie stört. Voraussetzung dafür ist, dass ich den anderen kennen gelernt habe. In einer solchen Freundschaft wird es manchmal ganz klar sein, was getan werden muss. Zu anderen Zeiten wird es ein kreatives Eingehen auf den Anderen geben können, ihn z.B. mit einem passenden Geschenk zu überraschen. So gibt es im Umgang miteinander eine ganze Bandbreite von der klar erkannten Notwendigkeit bis hin zu einer weitgehenden Kreativität. Ebenso wird die Erfahrung von beglückenden Momenten gegenseitiger Nähe bis zur Erfahrung der Fremdheit des anderen und intensiver Herausforderung reichen.

      In ähnlicher Weise lässt sich die Einstimmung auf den Willen Gottes verstehen. Eine erste Voraussetzung besteht darin, dass ich überhaupt mit Gott verbunden sein will, ihn als die Mitte meines Lebens ansehe und mit Entschiedenheit die Verbindung mit ihm suche, wie es im „Prinzip und Fundament“ (GÜ 23; GGJ 110) ausgedrückt ist. Dies führt mich dann dazu, dass ich ihn immer besser kennenlernen will. Wer Gott ist, kann ich am klarsten ablesen, wenn ich auf Jesus schaue. Die Betrachtungen des Lebens Jesu nehmen darum in den Exerzitien den größten Raum ein. Das Kennenlernen weckt die Liebe und verleiht das Gespür, was der Verbundenheit mit Gott förderlich ist.

      Der Wille Gottes für den/die Einzelne(n) bedeutet nicht, dass schon von vorneherein und im Detail festgelegt wäre, was seine/ihre Aufgabe ist und worin er/ sie Erfüllung findet.10 Zum einen wäre es seltsam, vom Menschen etwas zu verlangen, das nicht klarer und sicherer zu erkennen wäre, zum anderen würde Gott dem Menschen die Freiheit wieder nehmen, die er ihm als Schöpfer gegeben hat. Er würde ihn im Nachhinein wieder zum bloßen Befehlsempfänger degradieren. Indem Ignatius vor den Betrachtungen des Lebens Jesu bitten lässt „um innere Erkenntnis des Herrn, damit ich mehr ihn liebe und ihm nachfolge“ (GÜ 104; GGJ 148), zeigt er an, dass es um eine Beziehung geht, die einer tiefen Verbindung unter Menschen vergleichbar ist. Die Liebe, mit der Gott dem Menschen zuvorkommt, bewegt und befähigt den Menschen zu einer Antwort, die dem ergangenen Anruf und zugleich seiner Freiheit entspringt.

      Wie Ignatius Gott und die Verbindung zu ihm sieht, kommt in der „Betrachtung, um Liebe zu erlangen“ am umfassendsten zum Ausdruck. Sie steht unmittelbar nach der Anleitung zur Vierten Woche, ohne ausdrückliche zeitliche Zuordnung und kann als eine verdichtete Zusammenfassung der Exerzitien angesehen werden wie auch für den Übergang in den Alltag eine Ausrichtung aufzeigen, die es dort zu verwirklichen gilt.11

       Die Betrachtung, um Liebe zu erlangen

      Ziel dieser Betrachtung ist die „innere Erkenntnis von so viel empfangenem Guten (…), damit ich, indem ich es gänzlich anerkenne, in allem seine göttliche Majestät lieben und ihr dienen kann“ (GÜ 233). Liebe beschreibt Ignatius als Mitteilung von beiden Seiten, indem jeder dem anderen gibt von dem, was er hat oder kann (GÜ 231; GGJ 204), und diese Liebe muss mehr in die Werke als in die Worte gelegt werden (GÜ 230; GGJ 204).

      In einem ersten Durchgang wird Gott betrachtet als derjenige, der gibt: Gaben der Schöpfung, der Erlösung und besondere Gaben (GÜ 234; GGJ 204). Unter den besonderen Gaben ist wohl gemeint, was der/die Einzelne als für ihn/sie spezifisch erhalten hat, vielleicht auch das, was er/sie in den Exerzitien bekommen hat. Dabei geht der Blick über das Allgemeine hinaus auf mich als den/die unmittelbar betroffene(n) Empfänger(in) der Gaben. Als nächstes wird Gott betrachtet als einer, der in den Geschöpfen bleibend gegenwärtig ist, angefangen von der unbelebten Natur, zu den Pflanzen, den Tieren, den Menschen, bis zu mir, der/ die „ich nach dem Bild und Gleichnis seiner göttlichen Majestät geschaffen bin“ (GÜ 235; GGJ 204/206). Der dritte Durchgang zeigt Gott als einen, der sich für mich abmüht (GÜ 236; GGJ 206). Dieses Sich-Mühen begegnet schon in der „Betrachtung vom Ruf des Königs“ (GÜ 95; GGJ 146), ferner in der „Betrachtung von der Menschwerdung“ (GÜ 101–109; GGJ 148/150), in der „Betrachtung von der Geburt“ (GÜ 152/154, hier besonders GÜ 116; GGJ 152/154) und schließlich in der „Betrachtung der Passion“ (GÜ 195; GGJ 184/186). Im Leben und in der Passion Jesu Christi wird am deutlichsten sichtbar, was umfassend gilt: dass Gott sich in allem um mich müht – wie er mir schon alles gegeben hat und in allem gegenwärtig ist. Er ist nicht nur zu erfahren in den schönen Seiten des Lebens, seine Gegenwart und Zuwendung umfasst auch Leiden, Schuld und Tod.

      Schließlich gibt Ignatius zu betrachten, wie alle Güter und Gaben von oben herabsteigen, wie von der Sonne die Strahlen oder vom Quell die Wasser (GÜ 237; GGJ 206). Als Beispiele werden Eigenschaften und Tugenden genannt, die in Gott ihren Ursprung haben. Zwar sind sie in mir nur in begrenztem Maße vorhanden, sind aber etwas, worin Gott sich mir mitteilt und schenkt, „sich mir nach seiner göttlichen Anordnung zu geben wünscht, sosehr er kann“ (GÜ 234; GGJ 204). So gibt es auch in mir schon etwas von dem göttlichen Leben, das in Jesus Christus als dem Auferstandenen sichtbar geworden ist.

      Die Einsicht, dass Gott sich dem Menschen durch die Welt hindurch mitteilen will und sich um den Menschen müht, ist für Ignatius charakteristisch. Diese Sicht ist auch biblisch gut begründet. In der Menschwerdung, im Leben Jesu Christi und in der Hingabe seines Lebens sind der Abstieg Gottes und der Einsatz für den Menschen/für mich in besonders deutlicher Weise sichtbar geworden. Im Blick auf das Gottesbild, das uns Ignatius zeigt, sehen wir nochmals die Verschränkung unserer Fragerichtungen: sowohl Gottes Gegenwart in allen Dingen finden als auch seinen Willen zu erkennen, um ihn zu erfüllen. Die „Betrachtung, um Liebe zu erlangen“, leitet dazu an, die Gegenwart Gottes auf verschiedenen Ebenen zu betrachten und zu erkennen. Dabei wird deutlich: Es ist eine sehr dynamische Gegenwart.12 Gott ist einer, der sich um den Menschen müht, sich um der Liebe willen entäußert und sich dem Menschen zu geben wünscht, sosehr er nur kann. Die Dinge/Situationen etc. sind nicht neutrales Material, vielmehr Mittel und Ort für diese (Selbst-)Mitteilung Gottes an den Menschen. Die Betrachtung ist geeignet, eine entsprechende Antwort hervorzulocken, d.h. eine Liebe zu wecken, die sich dann auch im Tun äußert (vgl. GÜ 231; GGJ 204). Sie stellt den Menschen vor die Frage, was er seinerseits Gott geben kann.13 Er kann sich nicht mit Gott messen, aber er kann das geben, was er hat. Er kann alle seine Fähigkeiten Gott in freier Wahl zur Verfügung stellen.

      Die Antwort besteht im Mitvollzug dessen, was Ignatius als göttliche Dynamik erkannt hat: Das Wirken Gottes in der Welt und für die Welt ist mit ihrer Entstehung, dem Auftreten des Menschen und den Ereignissen um Jesus Christus nicht zu Ende, sondern setzt sich fort und drängt auf eine Vollendung hin. Die Verbundenheit des Menschen mit Gott konkretisiert sich darin, dass er sich rufen und herausfordern lässt, die Wege Gottes mit der Welt mitzugehen. Die dem Wirken Gottes gemäße Antwort ist also in letzter Konsequenz nicht ein ruhendes Schauen, sondern ein Einstimmen in Gottes Bewegung für die Welt.14 Der Mensch kann dann gerade in der Aktion mit Ihm verbunden sein. P. Nadal hat dies in die Formel gefasst: In

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