Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов

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Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten - Группа авторов Erfurter Theologische Studien

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junger Mann ließ er sich von der Freiheitsbewegung mitreißen, misstraute allen politischen und kirchlichen Hierarchien, glänzte als ingeniöser Redner in den vaterstädtischen Clubs und verfasste erste Beiträge für Periodika, die seine literarische und seine polemische Begabung erkennen ließen. 1796 erschien seine Erstlingsschrift „Der Allgemeine Friede, ein Ideal“. 1798 gründete er das „Rothe Blatt, eine Dekadenschrift“, in der er die von den Besatzungsbehörden zu verantwortenden Missstände anprangerte. Sein Kampf gegen Entscheidungen der Besatzungsherrschaft machte ihn bald bekannt und führte bald zu einem Verbot durch die Landesdirektion. Dadurch ließ er sich nicht entmutigen und startete noch im gleichen Jahr ein neues Blatt mit dem Titel „Rübezahl“, in welchem er die politische Linie der verbotenen Zeitschrift weiterentwickelte. Der neue Titel „Rübezahl“ wurde hier als Symbol des Rächers der Unterdrückten und des Wiederherstellers des Rechts in Anspruch genommen.

      II.

      Mit dem neuen Jahrhundert beendete er seine politisch-publizistische Tätigkeit und wandte sich seiner wissenschaftlichen und literarischen Arbeit zu. Er übernahm eine Gymnasiallehrerstelle für Chemie und Physik an der Französischen Sekundärschule in Koblenz, seinem früheren Gymnasium. Es war eine wenig einträgliche Stelle mit einem Jahresgehalt von 1.400 Franken, aber sie gestattete ihm einen bescheidenen Lebensstandard. Im Herbst 1801 gab er seinem Leben einen festen Rahmen durch die Vermählung mit Katharina von Lassaulx, Tochter des früheren Kurtrierischen Hofrats Peter Ernst von Lassaulx. Sie war eine schöne, geistvolle und freigeistige Frau. Das Paar begnügte sich mit einer zivilen Eheschließung nach französischem Recht.

      Die Tätigkeit als Gymnasialprofessor ließ Görres Zeit, seine naturwissenschaftlichen und medizinischen Studien zu vertiefen und sich darüber hinaus mit indogermanischer Philologie und Mythologie zu beschäftigen. Zudem fühlte er sich zur Kunstwissenschaft hingezogen. In jener Zeit entstanden seine Schriften „Aphorismen über die Kunst“ (1802), „Aphorismen über Organonomie“ (1803), „Exposition der Physiologie“ (1805) und „Aphorismen über Organologie“ (1805) sowie sein Buch „Glauben und Wissen“ (1806), das sich noch in den von der Schellingschen Naturphilosophie vorgezeichneten pantheistischen Bahnen bewegte, aber doch schon eine Rückkehr zur katholischen Kirche erahnen ließ, deren wichtigstes Sprachrohr im Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts er werden sollte. Seine schriftstellerische Tätigkeit in literarischen Zeitschriften wurde vom zeitgenössischen Idealismus inspiriert. Herder und Schelling halfen ihm, die Bedeutung von Sprache, Nationalstereotypen und Volkstum zu entdecken. Sein Geschichtsverständnis begann sich zu wandeln. Der revolutionäre Fortschrittsoptimist wurde zu einem konservativen Denker mit offenen Sinnen für Metaphysik. Sein Weltbild wurde vom Streben nach organischer, lebendiger Universalität bestimmt.

      1806 wechselte er als Dozent an die Heidelberger Universität, um dort philosophische, physiologische und anthropologische Vorlesungen zu halten. Er bot aber auch Veranstaltungen zu altdeutscher Literatur an. Die erstaunliche Vielfalt seiner Interessen und seiner geistes- und naturwissenschaftlichen Kenntnisse wollte er einmünden lassen in eine Synthese von Geistes- und Naturwissenschaft.

      III.

      Es sollte nicht lange dauern, bis Görres seine Forderung nach der Formierung einer öffentlichen Meinung selbst verkörpern konnte. Nach der Völkerschlacht von Leipzig (1813) erschienen im Januar 1814 die Heere der Alliierten am Rhein. Vor ihnen zog sich die französische Besatzungsmacht zurück. So konnte Görres am 23. Januar die Erstausgabe einer neuen Zeitung, nämlich seines „Rheinischen Merkur“ herausbringen. Mit Joseph Görres sollte der „Rheinische Merkur“ seine Leser für die deutsche Sache und die der Heiligen Allianz gewinnen.

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