Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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Da Huber als „Doctor Romanus“ keinen leichten Stand in seiner bayerischen Heimat hatte – im Zuge des Kulturkampfes verbot die Regierung hierzulande sogar den Besuch des Germanikums, solange dieses unter jesuitischer Leitung stehe7 –, blieb er seit seiner 1870 erfolgten Rückkehr aus Rom stets in engem Kontakt mit seinem früheren, von ihm überaus geschätzten Rektor P. Andreas Steinhuber SJ8. In knapp einhundert erhalten gebliebenen Briefen9 informierte er ihn fast 16 Jahre lang nicht nur eingehend über seine vielseitige und aufopferungsvolle Tätigkeit an der Seite zweier Erzbischöfe ebenso wie über alle wichtigen Vorgänge im Erzbistum und in der katholischen Kirche Bayerns, sondern äußerte sich darin auch wiederholt zu den beiden von ihrem Charakter und ihrer Mentalität her recht unterschiedlichen Oberhirten und schilderte darüber hinaus gar manche Begebenheit, die er beruflich oder privat mit ihnen erlebte.
Weil die Gregor von Scherr, den ehemaligen Abt von Metten, betreffenden Passagen bereits im Wesentlichen publiziert sind10 – erinnert sei deshalb lediglich an das abendliche, gelegentlich im Streit endende Tarockspiel –, soll im Folgenden komprimiert zur Darstellung gebracht werden, welche interessanten Einzelheiten der Erzbischöfliche Sekretär bezüglich Antonius von Steichele zwischen 1878 und 1886 nach Rom zu berichten wusste, und zwar wegen der Originalität der Sprache und des Ausdrucks ganz bewusst mittels längerer wörtlicher Zitate.
Gut fünf Jahre hatte Huber Erzbischof Scherr treu und zuverlässig gedient, mit der Konsequenz, dass sie trotz der „persönlichen Launen“ und des „ziemlich rauhen Äußeren“ des Oberhirten im Laufe der Zeit „innig zusammengewachsen“11 waren, als dieser am 24. Oktober 1877 nach langer, von massiven innerkirchlichen wie kirchenpolitischen Auseinandersetzungen geprägter Amtszeit starb. Sechs Monate später wurde bekannt, dass der aus dem schwäbischen Mertingen stammende Antonius von Steichele, bislang Dompropst und Bistumshistoriker in Augsburg, von König Ludwig II. auf Vorschlag von Kultusminister Johann Freiherrn von Lutz12 offiziell zu seinem Nachfolger nominiert worden sei, und so stellte sich für den bisherigen Erzbischöflichen Sekretär umgehend die Frage nach seiner künftigen Verwendung. „Was Steichele mit dem Huber Johannes anfangen wird, weiß ich zwar noch nicht ganz genau, aber höchst wahrscheinlich wird letzterer wenigstens für den Anfang Secretär bleiben müssen. Wenigstens äußerte sich Steichele in diesem Sinne dem HH. Cap. Vicar13 gegenüber mit dem Beisatze: wenn er mag“, schrieb Huber im Sommer 1878 an Steinhuber14, um einige Zeilen weiter zu ergänzen: „Im Interesse der Sache u. des neuen Erzbischofs selbst wird es wohl am besten sein das zu thun, was man über mich verfügt. Der Münchener Stuhl bringt gar Manches mit sich, wovon andere Bischöfe nichts wissen, u. Steichele, der nicht blos ein Feind der Complimentirungen, sondern, wie man sagt, in diesem Punkte auch ziemlich peregrinus in Israel ist, muß schon deßhalb einen eingeschulten Secretär wünschen, um bei Hof u. dem Adel nicht Anstoß zu erregen.“
Wie vermutet „musste“ der überaus pflichtbewusste und verschwiegene Germaniker in seiner alten Stellung bleiben, worauf er bald nach Steicheles feierlicher Besitzergreifung vom Erzbistum am 14. Oktober 1878 nach Rom meldete: „Unter dem neuen Erzbischof geht es mir auch nicht schlecht; er ist und wird schon recht, nur muß man anfangs selbstverständlich etwas Geduld haben.“15 Zugleich teilte er mit, dass dessen erster Hirtenbrief „überall sehr gut gefallen“ habe. In ihm hatte der neue Oberhirte seine künftige, „durch die Verhältnisse der Gegenwart nicht undeutlich angezeigte“ Aufgabe mit den Worten umschrieben: „Durch den dreifachen Gehorsam gegen die Kirche, gegen Thron und Vaterland und gegen Gottes Gebot der kirchlichen, der staatlichen und der religiös-sittlichen Ordnung die heutzutage tief erschütterte Grundlage ihres Bestandes zurückzugeben, welche da ist: Gott Alles in Allem.“16 Diese Aufgabe zu erfüllen, war Steichele in den elf Jahren seines oberhirtlichen Wirkens redlich bemüht. In Bezug auf die Kirchenpolitik nahm er dabei stets eine staatsloyale und kooperationsbereite Haltung ein, was ihm seitens des intransigenten Flügels im bayerischen Episkopat und eines Teiles der politisch formierten Katholiken den Vorwurf der Nachgiebigkeit einbrachte.
Anderer Meinung war da, zumindest am Anfang, sein Sekretär, der mit Ausnahme des Freitags jeden Abend „ungefähr 1 ½ St[unden]“ allein mit dem Erzbischof beisammen saß17. „Seine Gesinnung ist jedenfalls gut u. er gewiß nicht gesonnen, seinen Rechten etwas zu vergeben. Daß er die Gunst des Lutz nicht schon in den ersten Flitterwochen verscherzen will u. auch in andern Dingen durch Schaden klug werden muß, finde ich erklärlich, besonders da man ihm manchen Floh in das Ohr gesetzt zu haben scheint u. ein Nachfolger es immer besser machen will als sein Vorgänger. Ich selbst komme ganz gut mit ihm aus u. glaube sein Vertrauen schon einigermassen zu besitzen; kann ich dieses einmal für fest begründet erachten, so werde ich mir gelegentlich manche Bemerkungen erlauben, mit denen ich jetzt noch zurückhalten zu sollen glaube, um das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Ganz still verhalte ich mich übrigens auch jetzt nicht u. steht mir dabei der Vortheil zur Seite, daß ich befragt u. unbefragt als alter Secretär ihm Manches sagen muß, was zu wissen in seinem eigenen Interesse liegt“, ließ Huber, der Scherr neben mehr „Herz“18 auch größere „Rüstigkeit und Zähigkeit“19 als Steichele attestierte, seinen früheren Rektor wenige Wochen später wissen20, nicht ohne anschließend darauf zu verweisen, dass der Apostolische Nuntius Gaetano Aloisi Masella21 über den nunmehrigen Oberhirten eine „etwas ungünstigere Ansicht“ habe. Allein „ich schreibe dieß theils dem verschiedenen Naturel eines hitzigen Italieners u. eines kalten u. langsamen Deutschen, theils andern äußern Gründen zu“, fügte der Erzbischöfliche Sekretär erläuternd bei.
Freilich, bereits ein halbes Jahr später schlug Huber keine so moderaten Töne mehr an. Zunächst äußerte er gegenüber Steinhuber „vorläufig“, dass es ihm „unter Erzbischof Gregor im Palais u. was damit zusammenhängt besser gefallen“ habe, weshalb er „etwas vom s. g. Pfarrerfieber befallen“ sei22. Bald darauf gestand er unverblümt ein: „In dem günstigen Urtheile über meinen R[everendissi]mus bin ich unterdessen bedeutend nüchterner geworden u. gar Manches will mir nicht mehr gefallen. Der Verkehr mit Lutz dauert mir bereits zu lange u. ist mir zu häufig, u. die Intimität mit dem Kanonikus Türk23 von St. Cajetan, einem Vertrauten des