Die katholische Kirche und die Medien. Wolfgang Beck

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Die katholische Kirche und die Medien - Wolfgang Beck

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zu entwickeln und zu etablieren.

      „Digital Natives“ sind jedoch nicht nur durch die größere Selbstverständlichkeit in der Nutzung digitaler Medien zu bestimmen. Aus ihrer Medienprägung ergeben sich Konsequenzen für die Ausbildung persönlicher Identitäten und Fragen der Selbstwahrnehmung, für eine veränderte Verhältnisbestimmung von Privatheit und Öffentlichkeit (insbesondere hinsichtlich des „digitalen Fußabdruckes“, also der Daten, die jeder Mensch bei der Nutzung des Internets produziert), der Fähigkeit zu kritischer Reflexion von Informationsangeboten, der Wahrnehmung von Suchtpotenzialen und in vielen anderen Bezügen.

      Insbesondere die erwerbstätige Bevölkerungsgruppe, die bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts die Arbeitswelt prägen wird, wären demnach mehrheitlich als „Digital Immigrants“96 zu bestimmen: Sie eignen sich erst im Laufe ihrer Ausbildungsbiographie oder ihres Berufslebens die unterschiedlichen Fähigkeiten zur Nutzung und Gestaltung digitaler Medien an – um die fehlende Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihnen zu ersetzen.97

      Parallel zeichnet sich ab, wie sehr die Eigenarten der „Digital Natives“ zunehmend die verschiedenen Gesellschaftsbereiche bestimmen werden. Dies gilt etwa für die Arbeitswelt, die aufgrund der technischen Entwicklung massive Verdichtungen erfährt (z. B. ermöglichen bildgestützte Telefonkonferenzen via Skype eine große Effektivitätssteigerung der beteiligten Arbeitnehmer_innen). In wirtschaftlichen Prozessen, wie sie mit der gesellschaftlichen Etablierung des Online-Banking, mit Internetportalen für den Online-Handel wie Amazon oder eBay mit Beginn des 21. Jahrhunderts auch breite Bevölkerungsschichten erreicht haben, ist zu beobachten, dass mit den digitalen Medien auch das Konsumverhalten von Verbraucher_innen massiven Wandlungsprozessen unterliegt. Hier wird sichtbar, dass digitale Medien kein separater Bereich privater Lebensvollzüge, sondern ein alle Gesellschaftsbereiche durchziehendes Kontinuum darstellen. Längst ist die klassische Unterscheidung von virtueller98 und realer Welt in dieser Entwicklung obsolet geworden.99 Einerseits dürften sich damit auch Typologien wie „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ nivellieren und einebnen. Inwiefern es sich hierbei um eine unzulässige Komplexitätsreduktion handelt, ist Gegenstand anhaltender Diskussionen. Andererseits fällt auf, dass es insbesondere in der Soziologie mit einer systemtheoretischen Prägung kaum möglich ist, in der Digitalität überhaupt ein alle Gesellschaftsbereiche (und damit alle Systeme) bestimmendes Phänomen und Charakteristikum der Postmoderne auszumachen.100

      Kirchliche Medienarbeit ist mehr als das Marketing einer Organisation,101 die wie alle gesellschaftlichen Institutionen von Bekanntheit leben, um Mitglieder und Anhänger zu gewinnen und an sich zu binden. Kirchliche Medienarbeit als eine Ausformung kirchlicher Verkündigung gehört zum Selbstverständnis christlicher Nachfolge schlechthin. Neben dieser Einordnung der Medienarbeit in den Kontext der Verkündigung des Glaubens an die Reich-Gottes-Botschaft Jesu kommt es aber seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und der gesellschaftlichen Verbreitung von bildgebenden Medien (zunächst vor allem des Fernsehens) zu einer beachtlichen Mediatisierung der katholischen Kirche, für die in besonderer Weise das Pontifikat Papst Johannes Pauls II. und die Einrichtung von Weltjugendtagen als herausragendes, internationales Medienereignis angesehen werden können.

      Wie kein anderes Pontifikat zuvor war das Johannes Pauls II. durch eine beeindruckende Reisetätigkeit und ein Bewusstsein für die politischen Potenziale des Amtes geprägt. Ausdruck dieses Bewusstseins ist die Inszenierung von Bildern als selbstverständlicher, zugleich bewusst gestalteter Bestandteil des kirchlichen Amtsverständnisses: das Küssen des Bodens zu Beginn jedes Auslandsbesuchs, Bilder von Massengottesdiensten, der Gefängnisbesuch bei dem Papstattentäter Atta bis hin zum sterbenskranken Papst am Fenster des vatikanischen Palastes und dem Abschluss im Pontifikalrequiem.102

      Die in Tradition und Geschichte verankerte, aber im 20. Jahrhundert mithilfe der bildgebenden Medien ausgebaute Affinität des Katholizismus zum Bild lässt sich als „Spiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit“103 verstehen.

      Unter Papst Benedikt XVI. kam es zu bemerkenswerten Aufrufen an Kirchenmitglieder und auch an Kleriker, die sozialen Kommunikationsmittel aktiv zu nutzen. Dem entsprechen neue Initiativen auf Seiten des Vatikan zur eigenen Nutzung der Social Media, wie etwa die Internetpräsenz „pope2you.net104.

      Auch auf diözesaner und örtlicher Ebene ist es in der katholischen Kirche Deutschlands seit 2005 zunehmend zur Entwicklung von Verkündigungsformaten mit einer Fokussierung auf den Social Media gekommen:

      – Die Entwicklung eigener Apps als Programme für mobile Digitalgeräte bieten klassische Gebets- und Liturgieformen an. Dazu gehört etwa das Angebot des Stundengebets und der täglichen liturgischen Texte durch das Deutsche Liturgische Institut.

      – Die Angebote im Bereich der Berufungspastoral mit YouTube-Produktionen, wie z. B. „Valerie und der Priester“.

      – Klassische katechetische Materialien, wie „Mein Gott und Walter“.

      – Kirchliche Verkündigungssendungen im Rahmen des digitalen Programms „Funk“ der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, wie „frei.willig.weg“.

      Viele dieser Aktivitäten werden auf der seit 2004 bestehenden Internetplattform katholisch.de vernetzt oder eigens dafür produziert. Sie stellt das reichweitenstärkste Forum für katholische Medienarbeit im Bereich der digitalen Formate dar und ergänzt die ältere Plattform www.fernsehen.katholisch.de.

      Durch diese Initiativen im Bereich digitaler Medien und vor dem Hintergrund gegenwärtiger kirchlicher Krisenphänomene entwickeln sich immer wieder Diskussionen um geeignete und zeitgemäße Formen der religiösen Kommunikation. Zu beobachten sind dabei enorme qualitative Schwankungen, Diskrepanzen zwischen zeitgemäßen, digitalen Projekten und klassischen Formaten, wie z. B. den Kirchenzeitungen oder der Predigt, in denen oftmals die Problematik einer milieuverengten kirchlichen Situation sichtbar wird.105

      Drei Gruppen von Medienangeboten lassen sich dabei unterscheiden:

      1. Produkte, die eigens von kirchlichen Einrichtungen oder in deren Auftrag mit dem Anliegen kirchlicher Glaubensverkündigung entwickelt worden sind.

      2. Verkündigungssendungen, die auf der Basis der Konkordate, also staatskirchenrechtlicher Verträge, von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten produziert, inhaltlich aber von der Kirche verantwortet werden.

      3. Produktionen, die in Verantwortung von dritten Akteuren, wie Privatpersonen, Produktionsfirmen oder Initiativen, entwickelt und produziert werden und aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung eine große Nähe zu Themen kirchlicher Verkündigung erkennen lassen, als didaktisch-katechetische Arbeitsmittel eingesetzt werden oder einfach grundlegende Fragen menschlichen Lebens (direkt oder indirekt) aufgreifen und kirchliche Bezüge nahelegen.

      Stärker als über schriftliche Verlautbarungen oder Predigten ereignet sich die Kommunikation im Bild und wird damit ihrerseits von modernen Medien bestimmt. Sie wird Bestandteil einer „Weltkommunikation“106, in der die Macht der Bilder zu einer bestimmenden politischen Größe wird. Erst dem argentinischen Papst Franziskus gelingt es, aufgrund seiner Spontaneität an diesen Trend anzuknüpfen. Ihre Höhepunkte findet diese Form moderner kirchlicher Medienarbeit und Verkündigung in den Events der Weltjugendtage. Sie fungieren als inszenierte Symbiose von Jugendkultur und Papstamt und zeigen dabei die Ambivalenz einer verstärkten Papstzentrierung der Kirche mit entsprechenden Risiken: „Durch das Papstamt verfügt die katholische Kirche über eine einfache und für die Religion konforme Möglichkeit, ihr Glaubensangebot in einer personifizierten Weise zu kommunizieren:

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