Die katholische Kirche und die Medien. Wolfgang Beck

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Die katholische Kirche und die Medien - Wolfgang Beck

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      Insbesondere mit der Entstehung von Massenmedien im 20. Jahrhundert und der flächendeckenden Etablierung von digitalen Medien im 21. Jahrhundert zeigen sich spezifische Fragestellungen, die im Raum von Theologie und Kirche vor allem in zwei Feldern aufgegriffen werden: der Befähigung zum Umgang mit Medien und der Reflexion ethischer Fragestellungen. Auf beide Segmente soll im Folgenden näher eingegangen werden.

      Innerhalb der Pädagogik hat sich die Medienpädagogik als Teilgebiet in den zurückliegenden Jahrzehnten zunehmend etabliert.131 Neben medientheoretischen Reflexionen und empirischen Untersuchungen zur Bedeutung von Massenmedien im 20. Jahrhundert wuchs hier in den zurückliegenden Jahrzehnten das Bewusstsein für Medien als Teil der Kultur und der Gesellschaft. Und mit der zunehmenden Durchdringung aller Gesellschaftsbereiche durch digitale Medien gehört der Umgang mit deren Potenzialen zu den zentralen individuellen und kollektiven Kompetenzen. Die Vermittlung von Medienkompetenzen kann dementsprechend nur Teil einer umfassenden Medienbildung sein.132

      Medien sind nicht nur Informationsquellen, sie sind auch Instrument zur sozialen Vernetzung und Interaktion. Sie sind in ihrer Prägekraft auf die Identitätsentwicklung, die Orientierung an Vorbildern und die Orientierung an Werten für Heranwachsende von ähnlich großer Bedeutung wie Peergroups.133 Sie sind Ort gesellschaftlichen Lebens und öffentlicher Diskurse. Medien sind damit auch Machtinstrument und können in ihrer Komplexität und gesellschaftlichen Wirkung auch zur Erfahrung von Überforderung führen. Medienpädagogik wird sich deshalb immer auch einer „Ambivalenzdidaktik“134 verpflichtet sehen.135 Zunehmend sind damit in den zurückliegenden Jahren auch im Segment des Religionsunterrichtes Chancen und Ambivalenzen internetbasierter Kommunikation in den Blick gerückt.136 Der Umgang insbesondere mit digitalen Medien macht Mechanismen sozialer Ausgrenzung sichtbar und kann „kommunikationskulturelle Problemlagen“137 verschärfen. Dementsprechend ist die Befähigung zum Umgang mit modernen Medien138 als zentrale Aufgabe jeglicher Pädagogik zu identifizieren. Dazu gehört auch die Wahrnehmung und kritische Reflexion139 von problematischen und Ungerechtigkeiten manifestierenden Mechanismen internetbasierter Kommunikation.

      Schon hier wird deutlich, dass sich Medienpädagogik nicht auf didaktische Einzelfragen und die Vermittlung von Kompetenzen beschränken lässt und deshalb zur Medienbildung140 weiterzuentwickeln ist.141

      So ergeben sich in der Medienbildung vielfältige Zielsetzungen, neben der Befähigung von Menschen zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Medien. Medienpädagogik hat in der Ausbildung von Pädagog_innen sowohl im Umgang mit zeitgemäßen Medien zu qualifizieren (Mediendidaktik) als auch für die weitergehenden Effekte der Mediennutzung in Gesellschaft, Familienleben und individueller Entwicklung zu sensibilisieren. Zunehmende Bedeutung erhält dabei ein vernetztes Lernen (Blended Learning), in dem unterschiedliche Lernebenen miteinander verknüpft werden und beispielsweise eine zeitgemäß gestaltete Unterrichtseinheit mit Onlineangeboten verknüpft wird (E-Learning). Diese Kombinationen steigern nicht nur die Flexibilität, sodass Lernangebote orts- und zeitunabhängig werden, was insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung von zunehmender Bedeutung ist. Sie ermöglichen auch eine größere Eigenständigkeit der Lernenden in der Zusammenstellung für ihren konkreten Bedarf im Sinne eines „autonomen Selbstlernens“142 und fördern damit – ein entscheidendes Kriterium für den Einsatz digitaler Medien in der religionspädagogischen Arbeit – die „Selbsttätigkeit“143.

      Wenn sich auch in der Religionspädagogik bei Lernenden und Lehrenden in dem Bewusstsein für die Bedeutung von E-Learning und Blended Learning Unsicherheiten ergeben, kann dies viele Gründe haben (z. B. individuell unterschiedliches und generationsspezifisches Mediennutzungsverhalten). Es kann aber im Sinne eines „abduktiven Lernprozesses“144, bei dem in der Verunsicherung die Möglichkeiten neuer Erkenntnisse entstehen, eine Chance ausgemacht werden: Die Gegenüberstellung und profilierte Abgrenzung von Lernenden und Lehrenden wird in der Arbeit mit digitalen Medien nivelliert. Hier entsteht also die Möglichkeit, gemeinsam nach Antworten und Erkenntnissen zu suchen.

      Grundlage für eine solche kooperative Konzeption von Religionspädagogik ist die ausreichende Kenntnis zur Nutzung digitaler Medien.145 Die Lernplattformen www.rpi-virtuell.net oder www.rpp-katholisch.de bieten dazu Materialien für die Gestaltung von Religionsunterricht und katechetischen Einheiten. Genauso wie die „Medienstellen“ der Diözesen bieten sie zudem eine Fülle von Materialien an, um der Präsenz von Religion in Internet, Film und anderen Medien nachzugehen. Derartiges Aufspüren bereits praktizierter Religiosität gehört zur religionspädagogischen Vermittlung von Wahrnehmungskompetenz und setzt sich im Kennenlernen kirchlicher Präsenz fort. Als Beispiel aus jüngerer Zeit sei hier auf den Firmkurs „vernetzt“146 hingewiesen, bei dem in die einzelnen katechetischen Einheiten auch die Arbeit mit mobilen Kommunikationsgeräten und Social-Media-Formaten integriert ist.

      Mit der flächendeckenden Verbreitung der Internetnutzung im beruflichen und privaten Bereich war zu beobachten, dass hier Herausforderungen für die Formen zwischenmenschlicher Kommunikation entstanden: Wirtschaftsunternehmen und Institutionen entwickelten deshalb schon in den 1990er-Jahren für Mitarbeiter_innen Verhaltenscodices, die sich als Formen der „Netiquette“ verbreitet haben. Diese Entwicklung veranschaulicht, dass mit allen Medien auch spezifische ethische Fragestellungen aufgeworfen werden.

      Die bereits aufgezeigte Instrumentalisierung von Medien im Kontext von Propaganda und politischer Manipulation haben bereits ein erstes Feld medienethischer Reflexion aufgezeigt.

      Ansätze für die Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Medien bestimmen in Deutschland vor allem in der Zeit nach 1945 das Anliegen neu aufzubauender Medienformate, vor allem im Zeitungswesen. Dabei kommt der demokratischen Absicherung durch Rundfunkräte, aber auch der journalistischen Selbstkontrolle ein hoher Stellenwert zu, um einen Schutz vor einseitiger, politischer Einflussnahme zu gewährleisten. Neben dem Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 GG) entsteht Regulierungsbedarf insbesondere im Jugendschutz147 und beim Schutz von Persönlichkeitsrechten Einzelner, sodass es auch Missformen der „regulierten Selbstkontrolle“ gibt. Nicht nur aufgrund der technischen Entwicklung, sondern auch aufgrund der sich wandelnden Rechtswahrnehmungen entsteht die Notwendigkeit, das Maß der Regulation immer neu zu bestimmen.148 Die Rede vom „Regulierungsloch“149, etwa hinsichtlich der Verbreitung von privaten Fotoaufnahmen, offenbart, dass medienethische Bewusstseinsbildung und rechtliche Bestimmung mit technischen Entwicklungen wie auch mit dem praktischen Medienverhalten kaum Schritt halten. Die Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung von Moral und Recht lassen sich leicht am Umgang mit gesellschaftlichen Normen nachzeichnen. Eine herausgehobene Bedeutung kommt in der Selbstkontrolle der Medien seit 1956 dem „Deutschen Presserat“150 zu. Dessen Ziel ist die Wahrung von Pressefreiheit und journalistischen Arbeitsmöglichkeiten (seit 2009 auch in Zuständigkeit für journalistische Onlineangebote). So gehört der Schutz von Journalist_innen ebenso zu seinen Aufgaben wie das Verhindern von Monopolisierungstendenzen, die Vertretung des Pressewesens gegenüber den staatlichen Organen und die Bearbeitung von Beschwerden. Da der Deutsche Presserat lediglich Rügen151 und Missbilligungen aussprechen kann, ansonsten aber nicht über Sanktionsmöglichkeiten verfügt, kommt es immer wieder zu Diskussionen über dessen Effektivität.152 Das größte Problem aber ist seine Beschränkung auf reine Pressearbeit, also seine fehlende Zuständigkeit für Rundfunk, Fernsehen und Internet. Ähnlich ausgerichtete Gremien als Instrumente der Medien-Selbstkontrolle entstanden mit den Rundfunk- und Fernsehräten zur Vernetzung von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit der Zivilgesellschaft und zur unabhängigen Bearbeitung von Programmbeschwerden. Hinzu kommt der Deutsche Werberat153, der sich naturgemäß nicht an journalistischen Grundsätzen der Wahrheit und Informationspflicht ausrichtet.154

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