Die katholische Kirche und die Medien. Wolfgang Beck

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Die katholische Kirche und die Medien - Wolfgang Beck

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und Informant_innen ist daneben die einzig verbleibende Form der Vergewisserung und Absicherung. Er ist der fast verzweifelte Versuch, einen verlässlichen Realitätsbegriff zurückzugewinnen.177 Der zunehmende Stellenwert von Transparenz und Authentizität zeigt sich damit auch als markantes Ergebnis medialer Entwicklungen. Ob sich die Kirchen als Institution und ihre Amtsträger diesen Erwartungen stellen, etwa im transparenten Agieren bei Skandalen oder im Umgang mit kirchlichen Finanzen, wird vielen Zeitgenossinnen zum Ausweis ihrer Demokratiefähigkeit. Eine unmittelbare Konsequenz für kirchliche Kommunikation und den Verkündigungsdienst ergibt sich aus der gesteigerten Erwartung an Authentizität, insofern die Bedeutung des persönlichen Glaubenszeugnisses178 innerhalb der kirchlichen Verkündigung (z. B. bei der Predigt, aber auch bei kirchlichen Sendungen) an Bedeutung zunimmt.

      Im theologischen und kirchlichen Bemühen um Fragestellungen der modernen Medien fällt auf, dass es zu ausgeprägten Einseitigkeiten der medienethischen Themenfelder kommt: etwa die medienethische Profilierung von wissenschaftlichen Instituten und Lehrstühlen oder die medienethische Ausrichtung von diözesanen und überdiözesanen Einrichtungen. Dies zeugt in der Regel einerseits davon, dass deren gesellschaftliche Prägekraft vor allem hinsichtlich ihrer problematischen Aspekte wahrgenommen wird.179 Es ist andererseits Ausdruck einer problematischen Reduzierung der kirchlichen Verkündigung auf moralische und ethische Fragestellungen, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts für die öffentliche Wahrnehmung der katholischen Kirche auf fatale Weise dominierend geworden ist und den Eindruck einer – freilich kaum mehr akzeptierten – „Moralagentur“180 erzeugt. Die Veröffentlichungen der Deutschen Bischofskonferenz wie auch die Einrichtung von Institutionen zeugen von dieser Einseitigkeit und sind damit womöglich Ausdruck von Verunsicherungen und Ressentiments insbesondere gegenüber digitalen Medien auf kirchenleitender Ebene.181

      Zugleich stellt die hohe Innovationsgeschwindigkeit der digitalen Medien staatliche Gesetzgebung wie auch die allgemein ethischen Reflexionen vor die Herausforderung je neuer Bewertungen und Einschätzungen. Von dieser Herausforderung sind keine gesellschaftlichen Bereiche ausgenommen, wie z. B. die Vorgaben von kirchlichen Institutionen wie Caritasverbänden und Diözesen für die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter_innen im Bereich der Social Media zeigen.

      Die in den Social Media vervielfachte Zahl möglicher Informationsquellen und -formate können für Nutzer_innen (Rezipient_innen) zu einem Überangebot von Nachrichten führen. Die Bewertung unterschiedlicher Informationsquellen und die Reflexion der eigenen, selektiven Wahrnehmung als Grundkompetenz bürgerlichen Medienverhaltens sind damit auch elementarer Bestandteil moderner Medienpädagogik. Gerade im Segment der Social Media verschmelzen zudem die klassischen Rollen von Anbieter_innen und Nutzer_innen. Frühere Monopolstellungen zur Steuerung von öffentlicher Kommunikation sind dadurch obsolet geworden, wie sie beispielsweise für die staatlichen Sicherheitsbehörden wie die Polizei im Rahmen eines Katastrophenfalls akzeptiert waren. Niemand käme auf die Idee, im Rahmen eines Amoklaufes, wie er 2016 in München stattfand, sich durch eine polizeilich verordnete Nachrichtensperre am Posten von Bildern hindern zu lassen. Daraus entstehen nicht nur für staatliche Institutionen Anfragen an die Sicherheitsstruktur einer Gesellschaft. Die Möglichkeiten zur Veröffentlichung von Fotos, Audio- und Videoaufnahmen oder einfachen Statements von jedermann/–frau zu jeder Zeit nivelliert sehr weitgehend traditionelle Autoritäten: Hochschuldozent_innen, deren Vorlesungen aufgenommen und veröffentlicht werden; Prediger_innen und Liturg_innen, deren Gottesdienste im Livestream übertragen werden. Sie alle erleben die Ambivalenz eines potenzierten Wirkradius und damit die Aufwertung des gesprochenen Wortes durch zeitnahe Veröffentlichung.

      Versuche, mit dem „Recht am eigenen Bild“ widerstrebende Rechte miteinander abzustimmen, erscheinen eher hilflos.

      Verbunden ist mit der Nivellierung traditioneller Autorität eine Pluralisierung und Zunahme derer, die Informationen veröffentlichen.182 So ist die Autoritätsnivellierung mit einer Demonopolisierung von Redaktionen und journalistischen Berufen verbunden.183 Jeder und jede kann sich aktiv zu jedem Sachverhalt öffentlich äußern und damit den persönlichen Wirkradius der eigenen Meinung erweitern. Der Soziologe Hartmut Rosa hat darauf verwiesen, dass insbesondere digitale Medien deshalb durch zwei Effekte bestimmt sind: die Beschleunigung184 (gesellschaftlich wie auch persönlich) und das Bemühen um Resonanz185.

      3. Keine Verkündigung ohne Medien

      Für das Auftreten Jesu, wie es in der Unterschiedlichkeit der vier Evangelien überliefert wird, ist die Botschaft von dem beginnenden Reich Gottes unter den Menschen von zentraler Bedeutung. Diese findet sich jedoch nicht nur in den Predigten Jesu oder dem, was die Evangelien als Wunderberichte überliefern, sondern grundlegend auch in der Konstituierung des Kreises von Jünger_innen und Aposteln. Die Konstituierung eines Zwölferkreises hat vor allem als Rückgriff auf die zwölf Stämme Israels und die darauf aufbauenden eschatologischen Erwartungen große symbolische Bedeutung. Diesem Zwölferkreis (dessen namentliche Zusammensetzung in den Evangelien uneinheitlich erfolgt) kommt vor allem die Aufgabe zu, den Menschen die Botschaft vom Reich Gottes auch nach dem Tod und der Auferstehung Jesu für die Mitmenschen erlebbar zu machen. Die Predigt, also die Verkündigung der Botschaft Jesu, ist zentrales Element dieser Beauftragung. Die Ausbildung einer christlich-kirchlichen Identität im Verlauf der ersten Jahrhunderte ist durch die Öffnung gegenüber „Heidenchristen“ als gleichberechtigte Gruppe neben der jüdischen Tradition und einer Absetzbewegung gegenüber der jüdischen Tradition geprägt. Dazu gehört auch die Ausbildung eines profilierten Missionsverständnisses, also des Anliegens, Menschen für die Reich-Gottes-Botschaft Jesu zu gewinnen. Vor allem im 20. Jahrhundert kommt es einerseits zu einer vielfältigen kritischen Reflexion des Missionsbegriffs, der über weite Strecken der Kirchengeschichte mit einem eurozentrischen Kolonialismus wie auch einer gewalttätigen Missionspraxis einherging. Dieses problematische Missionsverständnis konnte in der katholischen Kirche aufgrund langanhaltender Bedenken gegenüber den Idealen der Menschenrechte, gerade im Verständnis einer allgemeingültigen Religionsfreiheit, und daraus resultierender Toleranzdefizite erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts überwunden werden. Die Frage der Mission stellt daher ein wichtiges Diskussionsfeld dar, wenn das Verhältnis von Religion und Gewalt reflektiert wird. Bis heute kann der Missionsbegriff nicht unter Absehung der problematischen Missionsgeschichte und der auch im Christentum zu identifizierenden Gewaltpotenziale verwendet werden. Der Begriff wird daher von Ansätzen der Evangelisierung (in Bezug auf weitgehend säkularisierte Gesellschaften wird häufig von Neu-Evangelisierung gesprochen) und der religiösen Kommunikation flankiert. Angesichts dieser Entwicklung im 20. Jahrhundert, bei der in Theologie und Kirche der Missionsbegriff kritisch hinterfragt wurde, kann in jüngerer Zeit seine neue Etablierung in kirchlichen Kreisen beobachtet werden. Mission wird dabei zunehmend wieder in einer inhaltlichen Verengung als strategisches Agieren zur Werbung um Kirchenmitglieder oder als Vermittlung von Glaubenssätzen verstanden. Dies stellt häufig eine Reduktion gegenüber solchen Ansätzen dar, die Verkündigung als religiöse Kommunikation und als ein dialogisches Geschehen verstehen und damit auch den biblischen Auftrag zu christlicher Glaubensverkündigung, die für christliches Glaubensleben als konstitutiv gelten kann, gegenüber modernen Kommunikationstheorien anschlussfähig macht. Als Beispiel für solch ein weiterentwickeltes Verständnis kirchlicher Verkündigung kann das Konzept gelten, das die katholischen Bischöfe Frankreichs 1996 mit einem Hirtenbrief prägnant vorstellen: Den Glauben anbieten.186 Dieses Verständnis religiöser Kommunikation unter den Vorzeichen pluralisierter Gesellschaften und eines positiven Gestaltens religiöser Toleranz kann als theologischer und kommunikationstheoretischer Ansatz verstanden werden, der eine eigene theologische Vergewisserung über das zentrale Fundament christlichen Glaubens ermöglicht: die Selbstmitteilung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus. Diese zentrale Glaubensaussage des Christentums ist für die theologische Reflexion des Verhältnisses von Kirche und Medien von zentraler Bedeutung. Sie konkretisiert sich im Verständnis einer Verkündigungspraxis, wie sie etwa in der Kenosis-Christologie187 ausformuliert wird: Gott teilt sich mit, indem er eine Hinwendung zur Schöpfung vollzieht. Es ist eine Hinwendung, die keine Eindeutigkeit anstrebt und gerade darin einen Ethos zwischenmenschlicher Kommunikation auch für

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