Die katholische Kirche und die Medien. Wolfgang Beck
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Wenn weltweit Säkularisierungsprozesse im 21. Jahrhundert weiter fortschreiten, wie dies nachweislich zumindest für wirtschaftlich prosperierende Gesellschaften von den Religionssoziologen Detlef Pollack und Gergely Rosta108 analysiert wurde, markiert dies auch eine Krise der kirchlichen Verkündigung.
2.3.1. Der Pfarrbrief als Beispiel unterschätzter Potenziale
Ein Print-Medium, das über lange Zeit auch innerkirchlich in seiner Bedeutung stark unterschätzt wurde und oftmals noch wird, stellen Schriften auf Pfarr- und Gemeindeebene dar. Die Deutsche Bischofskonferenz hat dazu 1995 und 2001 Grundlagenpapiere veröffentlicht. Diese Mitgliedermagazine firmieren in der Regel unter dem Titel „Pfarrbrief“109 und werden von Pfarreien verantwortet. Unter dem übergeordneten Titel gibt es nicht nur eine große Bandbreite in der inhaltlichen Gestaltung von einfachen Gottesdienstordnungen bis hin zu redaktionell erstellten Zeitschriften. Die inhaltliche Bandbreite wie auch die Professionalität in der grafischen Gestaltung drücken die jeweilige Zielrichtung der „Pfarrbriefe“ aus. Ob ein Pfarrbrief sich in einer Auflage von wenigen hundert Exemplaren auf die aktiven Gottesdienstbesucher_innen ausrichtet110 und lediglich in der Kirche zur Mitnahme angeboten wird, bildet eine tendenziell verengte Wahrnehmung kirchlichen Lebens ab. Gerade in der Zusammenlegung mehrerer Pfarreien zu Groß-Pfarreien sind vielerorts Bemühungen entstanden, mit den Pfarrbriefen alle Kirchenmitglieder innerhalb des Pfarrgebietes zu erreichen und sie in die Gestaltung eines Medienkonzeptes auf Pfarreiebene mit entsprechender Internetpräsenz zu integrieren. Viele Pfarrbriefe erreichen damit eine Auflagenstärke von mehr als 10.000 Exemplaren. Sie werden überwiegend in ehrenamtlichen Redaktionsteams erstellt und oftmals auch noch von Ehrenamtlichen als Hauswurfsendung verteilt: „Kein anderes Medienangebot, das über kirchlich-religiöse Themen informiert, erreicht Katholiken besser als dieses Basismedium.“111
Bemerkenswert erscheint zudem die starke Beachtung durch die Adressat_innen.112 Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale ergeben sich daher aus der grundsätzlichen Ausrichtung eines Pfarrbriefes. Sowohl in der redaktionellen Erarbeitung und den journalistischen Beiträgen wie auch in Design und Layout kommt es bei dem wichtigsten Medium der Kirche immer noch zu Qualitätsdefiziten113, so dass eine Diskrepanz zu den Standards anderer Postwurfsendungen oftmals unübersehbar ist.
Um Pfarreien im Bemühen um die Gestaltung ihrer Mitgliedermagazine zu unterstützen, wurde bereits 2002 der überdiözesane Hilfsdienst www.pfarrbriefservice.de gegründet. Ähnliche Unterstützungsformen bieten einzelne Diözesen bei dem Design und der Pflege von Internetseiten an wie auch mit dem Angebot von Fortbildungsmaßnahmen für Haupt- und Ehrenamtliche.
Neben den neuen Aufbrüchen, die in der inhaltlichen und grafischen Gestaltung von Pfarrbriefen im Zuge von strukturellen Veränderungen der Pfarreien zu beobachten sind, wie auch im gewachsenen Bemühen, gemeindliche Milieuverengungen auch in der Ästhetik der pastoralen Praxis kritisch zu reflektieren, gibt es mittlerweile ähnliche Initiativen auf diözesaner Ebene.
Die Diözese Essen beschloss 2013 als erste angesichts des eklatanten Rückgangs von Abonnementzahlen die Einstellung ihrer diözesanen Kirchenzeitung114 zugunsten einer neuen Mitgliederzeitschrift mit dem Titel „Bene“. Solche Mitgliederzeitschriften, die vorrangig aus Kirchensteuermitteln finanziert werden, konnten sich jedoch auch nach diözesanen und lokalen Versuchsphasen bislang nicht etablieren. Sie markieren zudem den Übergang von kirchlichem Journalismus zu einem bloßen Kirchen-Marketing.115 Es kann davon ausgegangen werden, dass eine derartige Mitgliederzeitschrift sehr viel stärker der veränderten Verhältnisbestimmung von Kirchenmitgliedern entspricht, die zwar nur punktuellen Kontakt zu Gottesdiensten oder gemeindlichem Leben suchen, sich aber dennoch bewusst für ein Verbleiben in der Kirche entschieden haben und diese mit der Zahlung ihrer Kirchensteuer unterstützen.
2.3.2. „Körperschaft öffentlichen Rechts“
Das kirchliche Medien-Engagement baut auf einer Reihe von rechtlichen Grundlagen auf, die in Deutschland das Verhältnis zwischen Staat und Kirche als Kooperationsmodell fundieren. Dies ermöglicht es den Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts auch innerhalb staatlicher beziehungsweise öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote, eigene Sendeplätze mit rein kirchlichen Themen und in eigener Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung zu prägen.
Damit stellt die deutsche Situation des Kooperationsmodells zwischen dem Staat und ausgewählten Religionsgemeinschaften im Status einer „Körperschaft öffentlichen Rechts“ im Vergleich zu fast allen anderen Staaten einen Solitär dar: Es bietet den rechtlichen Rahmen für eine ganze Reihe religiöser Verkündigungsmöglichkeiten innerhalb öffentlich-rechtlicher Medien. Im vierzehntägigen Rhythmus werden beispielsweise evangelische und katholische Sonntagsgottesdienste in ARD oder ZDF übertragen. Das „Wort zum Sonntag“ stellt ein weiteres Beispiel für derartige Kooperationen dar. Mit ihm erhalten die großen christlichen Kirchen einen prominenten Sendeplatz im Samstagabendprogramm der ARD.116 Als zweitälteste Sendung im deutschen Fernsehen ist das „Wort zum Sonntag“ immer wieder auch aufgrund seiner klassischen Gestaltung belächelt und in seinem Bedeutungsverlust analysiert117 worden. Es verfügt aber dennoch über eine beträchtliche Einschaltquote und erreicht durchschnittlich etwa eine Million Zuschauer_innen.118 Die Formen der Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft stellen nicht nur ein Spezifikum des bundesdeutschen Verhältnisses von Staat und Kirche dar: „Diese rundfunkstaatsvertraglich abgesicherte Zugangskonstellation, in deren Zusammenhang man auch vom sogenannten Drittsenderecht der Kirchen spricht (eigenverantwortliche Sendungen Dritter!), stellt für die Verkündigung der Kirche im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem – auch im Blick auf andere Systeme weltweit – ein nicht zu unterschätzendes Privileg dar.“119 Diese Privilegien verdeutlichen auch, dass kirchliche Sendungen in den staatlichen Medien auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortlichkeit ausgerichtet sind und inhaltlich nicht bloß auf einen rein binnenkirchlichen Adressat_innenkreis ausgerichtet sein sollen.
Ähnliches gilt für Morgenandachten120 und andere kirchliche Sendungen im Hörfunk, die auf „Drittsenderechten“ aufbauen, eine gesellschaftliche Pluralität innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abbilden und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen sollen.121 Auch hier wurde mit der Etablierung digitaler Medien immer wieder eine Krise bis hin zum Niedergang des ganzen Mediums prognostiziert. Dennoch hat sich der Hörfunk einen festen Platz im Zusammenspiel unterschiedlicher Medien erhalten können.
Ein herausragendes Beispiel für kirchliche Präsenz in Programmen von privaten Fernsehsendern ist die Serie „Schwarz greift ein“, die seit 1999 für den Sender Sat1 produziert wurde und eine kirchliche Kooperation im Rahmen des Unterhaltungsprogramms darstellt.
Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und Privilegien, die den Kirchen im öffentlichen Rundfunk und (in deutlich geringerem Umfang) auch bei privaten Sendern zugestanden werden, haben Überlegungen zu eigenen Fernseh- und Rundfunksendern in alleiniger Verantwortung der Kirchen immer wieder blockiert. Zwar gibt es entsprechende Angebote in vielen anderen Staaten.122 Sie sind jedoch nur mit einem enormen finanziellen Aufwand möglich und erreichen in der Regel nur eine sehr viel kleinere Zuschauer_innen- und Zuhörer_innenschaft aus kirchlich fest beheimateten Kreisen. In dem Kooperationsmodell kirchlicher Verkündigungssendungen innerhalb nichtkirchlicher Medienangebote entsteht hingegen eine sehr viel größere Reichweite, die Möglichkeit, die begrenzten Zielgruppendefinitionen123 einer ohnedies milieuverengten Kirchenmitgliedschaft zu überschreiten und ein Einbringen in gesamtgesellschaftliche Diskurse. Diese größere Zielgruppenbreite auf Basis des Kooperationsmodells ergibt sich auch durch Programmgestaltung und Ausrichtung einzelner Medienangebote.