Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft. Группа авторов

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Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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Konflikte erzeugt. Regelverstöße, Druck von unten und schismatisierende Selbsthilfe werden geradezu provoziert. Am meisten bedrängt aber die Mutlosigkeit und Resignation der Enttäuschten mit viel gutem Willen. Für die Geduld mancher ist der Weg zu lang und zu mühsam geworden. Die sozusagen amtliche Kirche riskiert vieles, was pastoral eigentlich zu retten wäre, wenn wir z.B. allein an den Reichtum des sakramentalen Lebens denken, der durch den sog. Priestermangel bedroht ist. Oder haben wir Gesetze, wonach Gemeinden bzw. Pfarreien sterben müssen? Es ist eine pastorale Chaostheorie zwischen Realität und Botschaft aufgetragen, die nicht leicht sein wird, vor allem für jene nicht, die für den Zusammenhalt der Kirche geradestehen und oft in unbarmherzigen Spannungen ausharren müssen. In Kurzform: Reformen des Systems sind angesagt. Sie sind verantwortlich in die Wege zu leiten, Reformen, die pastoral notwendig und theologisch möglich sind. Es hilft alles nichts und heilt noch weniger, wenn sich das klerikale System dauernd gegen die gewachsene Modernität im eigenen Hause und gegen die Unverwüstlichkeit (Vitalität) der eigenen Basis stemmt und sich daran wund reibt. Der binnenkirchliche Kulturkampf des Systems mit der Modernität in den eigenen Reihen verliert sich im Zweitrangigen und verschleudert die so vielen kostbaren menschlichen Ressourcen.

      Reformen als Erneuerung aus der spirituellen Tiefe heraus

      Kirche ist nicht nur funktionales System, sondern aus vielen Menschen auch Gemeinschaft im Glauben. In dieser Unterscheidung der beiden Pole, die nicht zu trennen sind, liegen auch Hinweise auf Heilungsressourcen. Das kanonische System der Kirche ist eine geschichtliche Größe von Menschenhand. Es ist nicht selbst das Heil. Vielleicht verrät sich hinter all den Kirchenkrisen und dem moralischen Grounding durch die Missbrauchsfälle so etwas wie eine indirekte Pädagogik Gottes. Ist eventuell zu lernen, auf die Botschaft Jesu von einem Gott, der den Menschen in Liebe nahe ist, alle Karten zu setzen und nicht zuerst auf die institutionalisierte Kirche mit all dem Reichtum ihrer „Heilsmittel“. Ein unbewegliches System der Kirche darf nicht suggerieren, dass Gott und Mensch nur dann eine Chance haben, wenn dieses System mit seiner Doktrin, seiner Disziplin und seinen pastoralen Instrumenten dazwischentritt. Die Chance der Kirche ist einzig und allein die Erneuerung aus ihren spirituellen Quellen auf der Basis der biblischen Botschaft. So wäre es auch beunruhigend, wenn in Reaktion auf die Skandale der jüngsten Zeit die institutionelle Kirche nur mit strukturellen Verbesserungen der Verfahrensregeln reagierte und sich nicht dem öffnete, was Gott der Kirche heute sagen und bedeuten möchte. Darin liegt die vielleicht verborgene Chance in den gegenwärtigen Querelen.

      Nicht nur Schatten, sondern auch Licht

      In dieser Situation scheint wichtig, Kirche als Glaubensgemeinschaft und als geschichtlich gewachsene Organisation mit ihrem kanonischen System zu unterscheiden. Es wäre zu einfach, mit der berechtigten Kritik an der Kirche bzw. an ihrem System sich von der Kirche als Glaubensgemeinschaft zu verabschieden. Ich würde als einzelner schnell verdummen sowie seelische und spirituelle Energien verspielen, wenn ich mich aus der Erfahrungsnähe zu einer solchen weltweiten Interpretationsgemeinschaft des Glaubens abkoppeln wollte. Menschlich würde man sich letztlich auch selbst betrügen. Denn mit Hinweis auf das unideale System der Kirche kann man sich nicht aus der Eigenverantwortung stehlen und sich schenken, im Christsein selber erwachsen zu werden, zu meinen möglichen Anteilen solidarisch mitzugehen und sich selbst und andere dabei auszuhalten. Wenn immer es um das Entscheidende im Leben geht, bezahlt man mit sich selber, auch in seiner Glaubensbiographie.

      Zudem ist nicht zu übersehen: Unsere Kirche ist mit den anderen Kirchen zusammen eine zweitausendjährige auf der Basis der jüdischen Tradition aufbauende Interpretationsgemeinschaft der Botschaft Jesu und der Impulse für die praktische Nachfolge in seinem Geiste. Trotz aller historischen Veruntreuungen ist dies auch eine ungeheuer reiche Weisheits- und Solidaritätsgeschichte, auch wenn dies in unserer medialen Öffentlichkeit nicht die verdiente Beachtung findet. Zudem ist das institutionelle Gewand unserer Kirche ein weltweit bis in die territoriale (Pfarrei-)Struktur hinein organisiertes System, das als Solidaritätsverband kein vergleichbares Pendant in der Welt findet… Denken wir auch an die übernationale Bedeutung einer moralischen Instanz wie das Papsttum, wenn der Papst vor der UNO und in den Medien für Menschenrechte, gegen Gewalt und Krieg sowie gegen wirtschaftliche Ungerechtigkeit eintritt. Ungeachtet des reformbedürftigen Systems gibt es auch in unserer Kirche hierzulande und weltweit trotz der Ermüdungserscheinungen eine charismatische Dynamik, spirituelle und geistige Schubimpulse, menschliche Ressourcen, ethische und solidarische Synergien und so viel guten Willen mit prophetischer Wut und Glut und in aller Stille so viel selbstverständliche und unbelohnte Treue. Es gibt eine richtige Praxis im falschen System. Es wäre auch Realitätsverlust, nicht sehen zu wollen, was in und durch Kirche geschieht und sich schenken will.

      Gott nicht zu klein denken: Selbstevangelisierung

      Die Grundfrage jeder Kirchenreform mündet letztlich in die spirituelle Existenzfrage: Wem vertrauen wir? Auf wen setzen wir die Hoffnung? Ist es das Vertrauen auf die Treue Gottes oder auf die scheinbaren Garantien der Kirche als Institution? Natürlich steht Kirchen-Reform immer an. Die ideale Kirche ist uns nicht verheißen. Sie ist nicht machbar. Und wer auszieht, um sie zu schaffen, sehe zu, dass er nicht fundamentalistisch überfordert oder heillos zerstört. Mit ausdrücklichem Rückgriff auf Impulse des II. Vatikanischen Konzils hat die Bischofssynode 1974 in der Evangelisierung die tiefste Identität der Kirche (Evangelii nuntiandi 14) erblickt und damit die Verkündigung in der Welt und die Erneuerung und Bekehrung der Kirche selber verbunden. „Jeglichem Ekklesiozentrismus (als Folge etwa der Fixierung auf binnenkirchl. Probleme in der nachkonziliaren Diskussion) wird damit eine Absage erteilt.“ (Mette 32001, 1031)

      Empirische Daten über das System Kirche und ihr Handeln unter gesellschaftlichen Bedingungen sind Chancen, um Realitäten wahrzunehmen und Verständniszugänge zu gewinnen. Sie können Ratschläge erteilen. Aber sie können nicht das Evangelium ersetzen. Die Kirche darf nicht nur umfragenreaktiv in Blick genommen werden, sondern maß-geblich Botschaft-orientiert.

      Die Seele der Kirche ist im Horizont der biblischen Botschaft die Einheit der Menschen- und Gottesliebe. (vgl. Karl Rahner) Kirche wird als solche da erfahren, wo Menschen sich miteinander auf den Weg und die Botschaft Jesu einlassen, und wo in unserem persönlichen und gesellschaftlichen Alltag von jener neueren und größeren Liebe und Hoffnung etwas gelebt und erfahren wird, von denen uns die biblischen Urkunden des Glaubens erzählen. Kirche wird demzufolge durch menschliche Beziehungen und Kommunikation zum anschaulichen Hinweis auf das anbrechende Reich Gottes. Konkret verleiblicht sich Kirche in unterschiedlichen Lebenskontexten und biographischen Abläufen als Volk des Gottes Jesu und als „Zeichen und Sakrament der Einheit mit Gott und der Einheit der Menschen untereinander“ (Lumen gentium 1) wie auch als empirisch zugängliche Gemeinschaft und als vernetzende Organisation. Somit hat sie gleichsam zwei Plattformen: die Menschenfragen und die Gottesfrage(n). Sie sind nicht zu trennen. Ansonsten drohen von beiden Ebenen her immer wieder Bodenlosigkeit, Realitäts-Verlust oder Gottes-Verlust. Somit wird Kirche insofern glaubwürdig und mystisch-spirituell einladend, als sich ihre Sozialformen und ihr pastorales Mühen immer wieder zur christlichen Tiefen-Dimension konvertieren. Dann wird sie zum Erlebnisraum gelebten Christseins. Sie muss dann nicht krampfhaft Gottes Handeln an ihre eigenen Bedingungen knüpfen. Sie kann in ihrer Selbstevangelisierung als Konversion zur christlichen Tiefe offen und gelassen werden, weil sie Gott nicht ängstlich zu klein denkt, sondern immer größer als alle unsere eigenen Möglichkeiten mit ihren Chancen und Tücken. Dann wird Kirche ökumenisch und offen für andere Religionen; sie wird dialogisch und heilend; sie wird politisch engagiert im Kontext von sozialer Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde und Solidarität; sie wird eine Gemeinschaft von Pilgern auf dem Weg und nicht von passiven Passagieren im Kirchenkahn; sie wird Weite in den Realitäten des Lebens gewinnen, weil sie sich der Tiefe ihrer Hoffnung im Vertrauen auf Gott aussetzt und hingibt; sie wird nicht der volkskirchlichen Pastoral des Erntens nachjammern, sondern ihre Sendung heute als Zeit des Säens wagen; sie wird Mut und Phantasie aufbringen, im Leben daheim zu sein und dort ihr „Adsum“ zu wagen; sie wird

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