Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft. Группа авторов

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Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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wuchs das Bedürfnis einer überregionalen innerkirchlichen Anerkennung. 1571 wurden sie vom Papst als Kongregation autorisiert und der Regel des Hl. Augustinus unterstellt. Papst Sixtus V. erhob diese Kongregation dann 1586 in den Rang eines Ordens: der „Barmherzigen Brüder“.

      Johannes sucht eine anspruchsvolle Spiritualität: „Dienen wir dem Herrn nicht wegen der Glorie, die er denen gegeben wird, die ihm gedient haben, sondern einzig wegen seiner Liebe zu uns“. Hier kommt zum Ausdruck, was er offensichtlich in seiner Bekehrung zutiefst begriffen hat. Die Begegnung mit Gott und auch mit Menschen kann nicht durch ein „wenn und aber“ verdinglicht werden, sondern hat ihre Authentizität gerade darin, dass sich die Beteiligten unverstellt und unmittelbar annehmen. Johannes begegnet Gott, insofern er sich (als Sünder!) von ihm unbedingt geliebt weiß (da wird die Frage unsinnig, was er „dafür bekommt“). Und: Johannes ist mit der gleichen Unbedingtheit auf der Seite der Armen und Kranken; ohne „wenn und aber“ geht es um die heilende und teilende Begegnung mit diesen Menschen. Es zeigt sich deutlich, wie sehr Gottes- und Nächstenliebe zusammenhängen.

      Johannes lebte von einer unmittelbaren und konkreten Christusfrömmigkeit her, in der Glaube und Handeln sich zu einer untrennbaren Einheit verbanden. Denn er glaubte an jenen Jesus, der in den Geschichten der Evangelien den Armen und Kranken begegnet ist und sie leiblich und seelisch heilte. Diesem Jesus will er „stets gefallen und dienen“. Dieses Wort von ihm eröffnet aber zugleich die andere dementsprechende Seite seiner Jesusfrömmigkeit: er dient Jesus nicht nur indirekt dadurch, dass er seinem Vorbild nachahmt, sondern direkt darin, dass er ihm unmittelbar in den Armen und Kranken begegnet. Sein einfach-praktisches Bibelverständnis erlaubt es in keiner Weise, dass er die Selbstidentifikation Jesu mit den Fremden und Kranken (in Mt 25, 35-40) nur übertragen, metaphorisch oder symbolisch verstehen könnte. Er versteht diese Identifikation Jesu mit den Leidenden durch und durch realistisch und drastisch. Anders hätte sich sein Glaube nicht in dieser unmittelbaren Weise mit der Wirklichkeit der Leidenden verbunden.

      Der spirituellen Begegnung mit dem im Gottesdienst real präsenten Christus entspricht in gleichstufiger theologischer Dignität seine diakonische Realpräsenz in der Begegnung mit Leidenden. Die helfende und politische Diakonie ist nicht (nur) eine ethische Konsequenz der Christusbeziehung, sondern ihr zentraler Vollzug! Die „Option für die Armen“ ist das „Herzstück“ der Christopraxie. Die Weihe an Christus entlässt aus ihrem Zentrum heraus die Nachfolge Jesu zum Heil und zur Befreiung der Menschen.

      Johannes verändert den Krankendienst selbst: Sie werden je nach ihrer Krankheit voneinander abgesondert und verteilt und nicht unterschiedslos, meist in gemeinsamen Betten zusammengelegt. Jede(r) Kranke bekommt ein eigenes Bett; peinlich wird auf Sauberkeit geachtet. Johannes begründet einen neuen Umgang mit geisteskranken Menschen: Er rückt heftig ab von der Ideologie der Besessenheit und entdeckt darin eine Krankheit des Gemütes und des Kopfes. Seine Behandlung kommt aus der Haltung der Barmherzigkeit, insbesondere das liebevolle Gespräch wird zum Medium seiner Therapie. Hermenegild Stromayer fasst die Krankenreform des Johannes folgendermaßen zusammen: „Jedem Kranken sein Bett! Getrennte Krankenstationen! […] Aufnahme aller Armen und Kranken ohne Unterschied der Religion, Nation und Rasse! Behandlung des ganzen Menschen: Leib und Seele!“ (Stromayer 1978, 18).

      Weil der Mensch im Mittelpunkt steht, geht es nicht nur um eine partielle Hilfe an den Stellen, wo er Schmerzen bzw. Not leidet: vielmehr wird der ganze Mensch ernst genommen, auch und gerade mit seiner Suche nach unendlicher liebender Anerkennung. Cruset schreibt: „Er spricht mit ihnen über Gott“8. Immer geht es ihm um diesen Zusammenhang: „Heilt die Kranken und verkündet das Evangelium!“ Hier öffnet sich das Heilen zum Heil. Darin gründet die Verpflichtung des Ordens zur sozialen und apostolischen Tätigkeit.

      Das Apostolat ist strikt an die soziale Tätigkeit gebunden und entfaltet sich erst auf ihrem Boden als unmissverständlicher Glaube an den Gott, der tatsächlich die Liebe ist. Johannes fragt deshalb auch nicht nach Religion und Herkunft. Sein soziales Handeln nimmt Maß an der universalen Liebe Gottes selbst. Und genau diese Tätigkeit wird zum vorzüglichen Ort, von diesem Gott zu sprechen. Bei der Beerdigung des Johannes sind auch trauernde Muslime hinter seinem Sarg mitgegangen, „weil Johannes von Gott in seiner Krankenpflege nie einen Religionsunterschied gemacht hatte“ (Nigg 1985, 36). Derart war Johannes von Gott ein Kirchenreformator ersten Ranges!

      Literatur

      Bechmann, U., Der Weltgebetstag der Frauen – Praxis interkonfessioneller Arbeit, in: Diakonia 25 (1994), 125-130.

      Coudenhove, I.F., Gespräch über die Heiligkeit. Ein Dialog um Elisabeth von Thüringen, Frankfurt a.M. 71933.

      Cruset, J., Das heilige Abenteuer des Johannes von Gott, Graz 1967.

      Deutsches Weltgebetstagskomitee (Hg.), Dokumentation zum Weltgebetstag 1994, verfasst von S. Klein, Düsseldorf 1995.

      Frauen bewegen Ökumene, in: Una sancta 53 (1998), H. 4, 311-317.

      Fuchs, O., Die Opfer-Täter-Perspektive als notwendige Basis der Kommunikation des Evangeliums, in: T. Kläden/J. Könemann/D. Stoltmann (Hgg.), Kommunikation des Evangeliums, Münster 2008a, 144-157.

      Ders., Gott in Dunkelheit erahnen. Die biblische Verbindung von Lob und Klage, in: Bibel und Kirche 63 (2008b), 22-27.

      Ders., Schuldbewusstsein als praktisch-hermeneutische Kategorie zwischen Geschichte und Verantwortung, in: R. Bendel (Hg.), Die katholische Schuld?, Münster 2002, 274-307.

      Ders., „Unmögliche“ Gegenwart der Gabe. Elisabeth und Derrida als akute Provokation, in: F. Gruber/C. Niemand/F. Reisinger (Hgg.), Geistes-Gegenwart. Vom Lesen, Denken und Sagen des Glaubens (Linzer Philosophisch-Theologische Beiträge, Bd. 17), Frankfurt 2009, 155-178.

      Ders., Ursprungscharisma im Kontext der Zeit. Johannes von Gott und Identität seines Ordens, in: Orientierung 58 (1994), H. 23/24, 255-261.

      Hiller, H., Ökumene der Frauen. Anfänge und frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung, Stein 1999.

      Oexle, O.G., Armut und Armenfürsoge um 1200. Ein Beitrag zum Verständnis der freiwilligen Armut bei Elisabeth von Thüringen, in: Philipps-Universität Marburg (Hg.), Sankt Elisabeth. Fürstin – Dienerin – Heilige, München 1993, 78-100.

      Maresch, M., Elisabeth von Thüringen. Schutzfrau des deutschen Volkes, Bonn 1932.

      Nigg, W., Ein Heiliger aus schlechtem Holz. Johannes von Gott, Regensburg 1985.

      Schneider, R., Elisabeth von Thüringen, Frankfurt a.M. 1997.

      Stolz, A., Die Heilige Elisabeth, Freiburg i.Br. 1923.

      Stromeyer, H., Der Hospitalorden des Hl. Johannes von Gott, Regensburg 1978.

      1 Es geht hier nicht um eine historische Studie zur Entstehung des Reformationsbegriffs, sondern um seine inhaltliche Korrektur, diese allerdings an historischen Beispielen verdeutlicht.

      2 So verrückt erscheint sie, dass sie aus heutiger Perspektive als „pathologisch“ einzuschätzen wäre, vgl. Blödorn, W., Elisabeth von Thüringen. Die Entleerung einer Frau zur Heiligen hin, in: J. Kügler/L. Bormann (Hgg.), Töchter (Gottes). Studien zum Verhältnis von Kultur, Religion und Geschlecht, Berlin 2008, 113-129.

      3 Zur höchst ambivalenten Wirkung des Konrad von Marburg auf Elisabeth vgl. Maresch, M., Elisabeth von Thüringen. Schutzfrau des deutschen Volkes, Bonn 1932, 147-151.

      4 Es wäre

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