Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz. Markus Mäurer

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Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz - Markus Mäurer

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damals gültige BBG 1963 revidiert wurde. Bei der zweiten Untersuchung, die hinzugezogen wird, handelt es sich um die neuere Lizentiatsarbeit von Lea Zehnder (2011); sie hat die Rolle der Akteure bei der Entwicklung von Berufsbildern, unter anderem zu MEM-Berufen, anlässlich der aktuellen Berufsbildungsreform zum Gegenstand.

      Vergleicht man den Aushandlungsprozess bei der Erarbeitung der Bildungsverordnungen, wie ihn beide Studien aufzeigen, lassen sich Änderungen der institutionellen Verfahrensregeln feststellen. Ganz offensichtlich hat die Rolle des Bundes gegenüber den Arbeitgeberverbänden eine deutliche Stärkung erfahren, was nicht zuletzt in der Schaffung eines eigens mit Berufsbildung befassten Bundesamtes, des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT), ersichtlich wird. So konnte Ackermann (1984) die Tätigkeit des Bundes mit Bezug auf die Ausbildungsreglemente noch als «Verwaltung auf Antrag» und den Vollzug des BBG durch das BIGA insgesamt als «Vollzug auf Antrag» bezeichnen (Ackermann, 1984, S. 96). Demgegenüber stammen zwar nach Zehnders Urteil die Impulse für die Reform immer noch von den OdA – genauer: von den Arbeitgeberverbänden; dass aber insgesamt eine Ungleichverteilung von Macht zugunsten der Behörden den Aushandlungsprozess prägt, legen im von ihr untersuchten Fall unter anderem Rückgriffe der OdA auf Exit-Drohungen nahe.

      Die Abläufe bei der Erarbeitung von Bildungsverordnungen und der Einbezug der Partner in den verschiedenen Phasen werden heute im «Handbuch Verordnungen» des BBT (2007) Schritt für Schritt definiert. Im Vorwort liest man dort denn auch, dass die erste Phase, also die Analyse, bei der Erarbeitung einer neuen Verordnung sich als entscheidend erwiesen und deshalb eine «Neugewichtung» der Rolle des BBT stattgefunden habe: «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BBT begleiten und unterstützen die Trägerschaft künftig stärker von Beginn an» (S. 4).

      Dies ist ein deutlicher Unterschied gegenüber der Situation vor dreissig Jahren, musste sich doch das BIGA anlässlich der Erarbeitung der BBV zum BBG von 1978 noch für einen Artikel einsetzen, der den Verbänden vorschrieb, vor der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs zu einem Ausbildungsreglement mit dem Bundesamt Kontakt aufzunehmen (BBV 1979, Art. 14). Tatsächlich zeigt das Fallbeispiel der Werkzeugmaschinen- und verwandten Berufe Ende der Sechzigerjahre, dass eine solche Konsultation nicht üblich war. Das BIGA nahm in dem von Ackermann beschriebenen Prozess lediglich eine reagierende Position ein. Es war der Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinen- und Metallindustrieller (ASM), der im Alleingang die Entwürfe ausarbeitete. Das BIGA erteilte dem Projekt seine vorläufige Genehmigung, ohne jedoch die obligate Vernehmlassung einzuleiten (Ackermann, 1984). Erst im weiteren Verlauf des Projektes Mitte der Siebzigerjahre zeigte das BIGA vereinzelt Initiative bei der Verhandlungsführung und beim Einbezug weiterer interessierter Akteure. Da der ASM seine Entwürfe jeweils selbst vorab den Branchengewerkschaften vorlegte, verzichtete das BIGA allerdings darauf, die Gewerkschaften zu konsultieren. Das ist nicht unerheblich, weil dadurch der den ASM nicht bindenden internen Vernehmlassung ein unverhältnismässiger Stellenwert zugesprochen wurde (Ackermann, 1984).

      Die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Hauptakteuren im Erarbeitungsprozess von Ausbildungsreglementen waren im Fall der ressourcenstarken und professionell organisierten MEM-Berufsverbänden kapazitätsbedingt. Hat ein Verband auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zudem eine starke Stellung, so muss die Verwaltung beim Erlass von Ausbildungsreglementen die Anliegen des Verbandes berücksichtigen, da dieser auch die Möglichkeit hat, die Ausbildung selbstständig durchzuführen (Ackermann, 1984). Wenn die Rekrutierungsbedürfnisse der Betriebe und der Branchen ohne das staatliche Zertifikat gedeckt werden können, haben die Verbände eine starke Position in den Aushandlungsprozessen. Schliesslich können Betriebe Anlehren aufgrund von Lehrverträgen ausschliesslich nach Obligationenrecht durchführen. «Dieses Bild einer klaren Dominanz der Berufsverbände über die Verwaltung beim Erlass der Ausbildungsreglemente», so Ackermann, «ändert sich nur in Branchen und Berufsbereichen mit sehr schwacher Organisierung» (Ackermann, 1984, S. 130).

      Gerade in den grösseren Branchen ist es in den vergangenen Jahren zu Änderungen der Kräfteverhältnisse gekommen; das lässt sich an den MEM-Berufen deutlich aufzeigen (vgl. Glättli, 2009): Konnte zum Zeitpunkt der Untersuchung von Ackermann die ASM die Revision der Ausbildungsreglemente quasi im Alleingang an die Hand nehmen, ist inzwischen – als Konsequenz von Art. 8 des BBG 2002 zur Sicherstellung der Qualitätsentwicklung durch die Berufsbildungsanbieter – jede Branche angehalten, mit der Bildung einer «Kommission Berufsentwicklung und Qualität» (SKOBEQ) eine ausgeglichene Vertretung der zugehörigen Branchenorganisationen sicherzustellen. Ebenfalls Einsitz in der Kommission haben neben der Lehrerschaft je eine Vertretung des BBT und der SBBK.

      Die Kantone, deren Bedeutung bei der Vernehmlassung von Ausbildungsreglementen früher marginal war, haben in der Wahrnehmung von Rolf Dietrich, dem Präsidenten der SBBK-Kommission Berufsentwicklung von 2001 bis 2010, mit der Schaffung dieses Gremiums deutlich an Gewicht gewonnen (Dietrich, 2011). Diese Stärkung verdankt sich einerseits der Tatsache, dass durch die vorgängige Konsensfindung in der Kommission die Kantone geeint auftreten können. Wenn «die Kommission heute – als Konsequenz der gelebten Verbundpartnerschaft – den Berufsentwicklungsprozess von Beginn weg bis zur Inkraftsetzung einer neuen Verordnung» begleitet (Dietrich, 2011, S. 14), schlägt sich dies auch in den Bildungsplänen nieder, deren Regelungsdichte gerade auch in Bezug auf die Ausbildung in den Lehrbetrieben Dietrich begrüsst. Der fünfzehnköpfigen Kommission gehören neben den Kantonsvertreterinnen und -vertretern und einer Vertretung des Arbeitgebernetzwerkes SQUF auch zwei Personen aus dem BBT und ein Experte bzw. eine Expertin des EHB an.

      Einblick in die aktuelle Situation bei der Ausarbeitung der Bildungsverordnungen und Bildungspläne sowie allfällige Machtverschiebungen zwischen den Akteuren gibt die Untersuchung von Zehnder (2011). Nach den Interviews, die sie geführt hat, sieht sich der Bund beziehungsweise das BBT in erster Linie in der Vermittlerrolle; gleichzeitig wird ihm von den übrigen Akteuren ein deutlicher Führungs- und Lenkungsanspruch attestiert und auf das einseitige Abhängigkeitsverhältnis vom BBT hingewiesen, dem im Konfliktfall der Entscheid zukommt. Den Kantonen wird wiederum von den OdA zunehmende Macht und Einflussnahme zugeschrieben. Innerhalb der OdA herrscht die Wahrnehmung eines generellen Steuerungsanspruchs aufseiten der Arbeitgebervertreter vor.

      Im Gegensatz zu früher lässt sich nun dem BBT sowohl in der Fremd- wie in der Selbstwahrnehmung eine klare Handlungsorientierung im Hinblick auf die Ausgestaltung der Bildungsverordnungen und -pläne attestieren: Das BBT verfolgt als Hauptziele Uniformität und Sicherstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, inklusive juristischer Korrektheit der Formulierungen. Konflikthafter ist das zweite Hauptziel, nämlich die Durchsetzung selbst gesetzter pädagogischer und methodischer Normen in der Konzeption der Berufe. Aufseiten der Kantone9 dominieren eindeutig praktische Kriterien und die Kostenfrage bei der Umsetzung, also Finanzierbarkeit sowie Klarheit und Handhabbarkeit der Normtexte. Wird von diesem Akteur also ein möglichst geringer reglementarischer Spielraum gefordert, stehen aufseiten der Arbeitgeber Flexibilität, inhaltliche Vielseitigkeit der Berufsbilder mit möglichst feiner vertikaler Differenzierung der Ausbildungsniveaus im Vordergrund. Hinzu kommt das Interesse an vergleichbaren Ausbildungsstrukturen innerhalb der Branche. Auf Arbeitnehmerseite lassen sich als Präferenzen Verhältnismässigkeit der Anforderungen und Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsstufen festhalten. Artikuliert wird zudem ein Interesse an guten, sicheren Arbeitsbedingungen. Die Belange der ebenfalls den OdA zuzurechnenden Lehrpersonen schliesslich richten sich vornehmlich auf ausbildungsinhaltliche Aspekte. Zusammenfassend liessen sich bei den Verbundpartnern folgende Interessen und Handlungsorientierungen eruieren:

       Bund/BBT: pädagogische Orientierung;

       Kantone: Praktikabilität im Verwaltungsvollzug, vor allem Finanzierbarkeit;

       OdA/Arbeitgeber: Flexibilität, Praktikabilität im Betrieb (Sicherstellung der Ausbildungsbereitschaft);

       OdA/Arbeitnehmer (und Lehrpersonen): Bedürfnisse und Zukunft der auszubildenden jungen Menschen, insbesondere auch der schulisch schwachen.

      Trotz dieser Differenzen

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