Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz. Markus Mäurer
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Die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs zwischen Mai und Oktober 1999 stiess auf reges Interesse – 281 Stellungnahmen wurden eingereicht. In diesen standen, abgesehen von der Differenzierung der Grundbildung in anspruchsvollere und weniger anspruchsvolle Ausbildungen (Berufsfachschulen, Attest), steuerungsrelevante Themen im Vordergrund, so vor allem die Frage der Aufgabenteilung, die Finanzierung und der neu zu schaffende Berufsbildungsrat; auch bei einem weiteren stark diskutierten Thema, der Weiterbildung, ging es vor allem um die Zuständigkeitsfrage (BBT, 2000). Verschiedentlich wurde vonseiten der Kantone gefordert, das Subsidiaritätsprinzip möge stärkere Berücksichtigung und explizite Erwähnung finden (BBT, 2000).
So rief auch das in Artikel 1 pauschal formulierte Zusammenarbeitsgebot vor allem bei den Kantonen Misstrauen hervor. Die Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) äusserte Kritik hinsichtlich der Aufgabenteilung, sei es, dass die Ämter in verschiedenen Bereichen mehr Mit- und Rücksprache forderten, sei es, dass sie den Eingriff des Bundes in kantonale Hoheitsrechte anmerkten. Die EDK (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren) fügte an, dass die Leistungen der Kantone generell nicht als «Vollzug» von Bundesvorschriften bezeichnet werden sollten, sondern mit einer Formulierung, die deren Mitwirkung betone.
Daraus spricht die Wahrnehmung eines Ungleichgewichts zwischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und finanzieller Lastenverteilung aufseiten der Kantone: Ein Grundtenor lautete, dass das neue BBG wichtige Entscheide, etwa bezüglich der Bildungsverordnungen, dem Bund und den Verbänden überlasse, während die Kantone die Ausgaben für den Vollzug zu tragen hätten – ein Einwand, der später auch in der Vernehmlassung des Entwurfes der Verordnung über die Berufsbildung vorgebracht wurde (BBT, 2003). Auf der anderen Seite führten allerdings die OdA eine zu grosse Regelungsgewalt der Kantone ins Feld und forderten ihrerseits mehr Mitspracherecht, zum Beispiel bezüglich Ausbildung und Anforderungen an die Experten und Expertinnen für Qualifikationsverfahren der beruflichen Grundbildung.
Einen weiteren wesentlichen Punkt in der Vernehmlassung bildete der Berufsbildungsrat; die Zahl der Stellungnahmen zu diesem auf Bundesebene neu einzuführenden Steuerungsorgan wurde nur von derjenigen zur beruflichen Bildung knapp übertroffen. Neben einigen Kantonen äusserten sich vor allem gewerbliche Kreise kritisch bis eindeutig ablehnend. Wie weiter unten noch zu zeigen ist, wurde neben der Repräsentivität des Gremiums dessen Legitimität grundsätzlich infrage gestellt (vgl. nächstes Kapitel).
Das neue Berufsbildungsgesetz konnte 2002 durch die Bundesversammlung verabschiedet werden und trat 2004 in Kraft. Ausgehend von der Problemdefinition der Neunzigerjahre stellt das aktuelle BBG den Kern einer Politikneuformulierung dar. Wie bereits dargelegt, bezieht sich ein Grundanliegen der Reform auf die Optimierung der Steuerung der Berufsbildung. Im Folgenden gilt deshalb das Interesse jenen Gesetzesbestimmungen, die die Steuerungsprozesse – mehr oder weniger direkt und in innovativer Weise – regeln.
Steuerung als Kernthema des neuen BBG (2002)
«Eine klare Zuteilung der Kompetenzen ist für die Steuerung einer Verbundaufgabe von grösster Bedeutung» (Schweizerischer Bundesrat, 2000, S. 5729). Entsprechend dieser Feststellung in der Botschaft bilden die Zuständigkeiten der drei Hauptakteure Bund, Kantone und OdA ein zentrales Thema, das mittels Novellierung des BBG bearbeitet werden sollte. Dass die Rolle des Bundes dabei zu stärken war, darin waren sich Parlament und Bundesrat mehrheitlich einig. Nationale Entwicklungen ebenso wie die Notwendigkeit, das schweizerische Ausbildungssystem im globalen beziehungsweise europäischen Kontext zu positionieren, erforderten eine aktive, evidenzbasierte Berufsbildungspolitik (Renold & Barmettler, 2007). Das neue Steuerungsmodell lässt sich charakterisieren 1) durch die verstärkte Orientierung an Ergebnissen (Output bzw. Outcomes4) und 2) durch eine Zentralisierung im Sinne der Konzentration der strategischen Aufgaben beim Bund. Beide Tendenzen lassen sich anhand von Neuerungen verschiedener Art nachzeichnen. Im Folgenden soll auf vier für die Steuerung der Berufsbildung zentrale Aspekte und Bereiche bzw. Einrichtungen eingegangen werden:
Konzept eines «Innovationsrates»,
neues Finanzierungsmodell,
Definition und Stärkung der Berufsbildungsforschung,
Qualitätsentwicklung als strategische Aufgabe des Bundes.
Beim «Innovationsrat» handelte es sich gemäss Gesetzesentwurf des Bundesrates um ein neu zu schaffendes Organ, das in der Folge dann jedoch wieder gestrichen wurde. Der Innovationsrat wäre der bereits bestehenden Berufsbildungskommission beigeordnet gewesen und hätte eine bedeutende Steuerungsfunktion auf Bundesebene ausüben sollen. Die Idee zu einem solchen «Koordinationsforum», das auch unter dem Namen «Berufsbildungsrat» diskutiert wurde, geht auf eine Motion von Nationalrat Erich Müller und 63 Mitunterzeichnende vom 26. Juni 1998 zurück (Amtliches Bulletin, NR-Sitzung vom 9. Oktober 1998, 98.3341). Hauptanliegen war es, «die dringend notwendige vertikale und horizontale Durchlässigkeit der nationalen, kantonalen und kommunalen Bildungsstätten» und damit die Mobilität der Auszubildenden zu fördern. Dazu brauche es eine Steuerung und Moderation der Berufsbildungspolitik auf nationaler Ebene, und diese, so die Motionäre, «könne nur beim Bund – im Schosse des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) – liegen».
Der Innovationsrat beziehungsweise der Berufsbildungsrat gehörte, wie bereits erwähnt, zu den besonders umstrittenen Entwurfsbestimmungen in der Vernehmlassung. Die Zusammensetzung und Entscheidungsbefugnisse dieses Gremiums und seine Legitimität wurden heftig diskutiert; auch bezüglich der Anzahl der Mitglieder, also in der Frage, ob breite Repräsentivität oder effiziente Entscheidungsfähigkeit Priorität haben sollte, herrschte Uneinigkeit. Die Botschaft des Bundesrates spricht mit Bezug auf den Innovationsrat von einer Plattform, bestehend aus sieben bis elf vom Bundesrat ad personam gewählten, die vielfältigen Interessen in der Berufsbildung repräsentierenden Personen (Schweizerischer Bundesrat, 2000). Dem Rat sollten in dieser Konzeption bedeutende Aufgaben für die «zukunftsorientierte Entwicklung der Berufsbildung» (S. 5730) zukommen, die hauptsächlich über das Austesten von Innovationsprojekten voranzutreiben wäre. In der parlamentarischen Überprüfung des Gesetzestextes schlug die Mehrheit der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des erstbehandelnden Nationalrates einen Berufsbildungsrat von bis zu fünfzehn vom Bundesrat ernannten Vertretern aus den Reihen von Bund, Kantonen, OdA und Wissenschaft unter der Leitung des BBT-Direktors vor; für drei Mitglieder sollten die Kantone ein Vorschlagsrecht haben (Amtliches Bulletin, NR-Sitzung vom 6. Dezember 2001, 00.072).
Die Institutionalisierung der neuen Steuerungsinstanz scheiterte schliesslich am Ständerat. Dessen vorberatende WBK-Kommission sprach sich dezidiert dagegen aus: «Wir wollen kein Organ, das neben Bundesrat, Parlament, BBT und Berufsverbänden irgendwelche weiteren Entscheidungsbefugnisse hat» (Amtliches Bulletin, SR-Sitzung vom 26. November 2002, 00.072); zudem existiere mit der Berufsbildungskommission bereits ein beratendes Organ des BBT und des Bundesrates.
Tatsächlich ist im BBG 2002 weder ein Innovations- noch ein Berufsbildungsrat erwähnt. De facto wurde aber die Idee, einem beratenden Gremium auf Bundesebene eine gewisse Steuerungsmacht zu verleihen, zumindest partiell verwirklicht. Aufgaben, die jener Rat hätte übernehmen sollen – die Beurteilung von Beitragsgesuchen und von Projekten zur Entwicklung der Berufsbildung oder im Bereich von Forschung, Studien und Pilotversuchen –, wurden nun nämlich der bereits bestehenden Eidgenössischen