Lernen ist meine Sache (E-Book). Dagmar Bach

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Lernen ist meine Sache (E-Book) - Dagmar Bach hep praxis

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Überprüfung unterstellt werden sollten. Als zugespitzte Kurzformel formuliert: keine Lernzielüberprüfung ohne Lehrzielüberprüfung.

      Motivation ist keine Lehrerpflicht

      An der Motivationsdiskussion ist für Lehrpersonen und andere pädagogische Handwerkerinnen und Handwerker bedeutsam, dass sie nicht verantwortlich sind für die intrinsische Motivation ihrer Lernenden. Die Konsequenz daraus ist, dass man sich viel Mühe sparen kann, um motivierende Gags und Unterrichtseinstiege zu finden.

      Aber, und das ist die schlechte Nachricht, Lehrpersonen sollten sich sehr wohl um die Motive ihrer Lernenden bemühen. Das ist mitunter schwieriger, als sich der Illusion hinzugeben, man könne mit einem Comic, einer Songeinspielung oder dem ultimativen Videoclip eine allgemeine Motivation hervorzaubern. Motive oder Interessen stehen den Lernenden nicht ins Gesicht geschrieben, und die wenigsten sind wohl in der Lage, aus dem Stand heraus auf die Frage «Was interessiert dich?» eine für das Lernverhalten relevante Liste zu erstellen. Aber wenn Lernen stattfinden soll, geht das nur, wenn der Lernstoff auf Interesse stösst.

      Zugegeben, beim Baustein Motivation beziehungsweise «Motive aufsuchen» bin ich eher ratlos. Hier der Versuch, mich ihm dreigleisig anzunähern.

      Vorab eine erste allgemeine Vertröstung, dass man auch auf Zufall, Glück und Geduld setzen darf und sich eine gewisse Frustrationstoleranz zulegen sollte.

      Eine zweite Schiene führt über die Einsicht, dass Motive und Interessen kulturellen, gesellschaftlichen und aktuellen Prägungen folgen. Da hilft es bei der Motivsuche, sich für kulturelle und subkulturelle Prädispositionen zu interessieren. Das wäre die Kehrseite des Glaubens, man sei ausreichend über die Lebenswelten und Interessen der Lernenden im Bilde (vgl. Text von D. Bach).

      Zum Dritten darf man davon ausgehen, dass die Motive und Interessen nicht zwingend so weit entfernt sind vom offiziellen Lehrangebot, wie es gelegentlich den Anschein macht, wenn Lernende mit sogenanntem Pflichtstoff konfrontiert werden. Vielleicht ist es nur die Einkleidung, die Art der Präsentation, sind es nur die jeweiligen Fragestellungen oder der Zeitpunkt, die nicht kompatibel sind mit den Motiven. Mehr dazu im nächsten Abschnitt über den Lehrstoff.

      Lehrstoff zum Lernstoff machen

      Ein Lehrplan verpflichtet, er schreibt Lehrstoff, Bildungsziele und verlangte Kompetenzen vor, aber längst nicht alles am Lehrplan ist so verbindlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Lehrpläne haben in aller Regel neben den tabellarischen auch deskriptive Elemente, die Freiräume und Optionen explizit beschreiben. Bildende, über reine Stoffvermittlung hinausgehende Aufträge stehen oft ausserhalb der Themen- und Stoffübersichten und auch in einer gewissen Konkurrenz dazu. Etwa als Forderungen nach Ausbildung der Selbstkompetenz, der Selbstbestimmung und der Selbstorganisation des Lernens, die wenig kompatibel sind mit einer akribischen Abarbeitung der tabellarischen Themen-, Stoff- und Zielkataloge.

      Gelegentlich enthalten Lehrpläne auch Unsinn. Zwei Beispiele aus Allgemeinbildungs-Schullehrplänen für dreijährige gewerbliche Lehren: «… kennt die Grundsätze des Ordnungssystems der Mediothek» oder « … kann die Grundsätze und gesetzlichen Grundlagen des schweizerischen Berufsbildungssystems erklären». Hat man wohl die Begriffe Grundsätze und Grundzüge verwechselt? Verlangt man wirklich, dass aufgrund weniger Lektionen die Schülerinnen und Schüler die gesetzlichen Grundlagen, das sind u. a. Bundesverfassung, Arbeitsgesetz, Obligationenrecht, Berufsbildungsgesetz, erklären können? Dass Unstimmigkeiten in Lehrplänen eher die Regel als Ausnahmen sind, kann nur heissen: Lehrpläne kritisch lesen, Gedrucktes auf Vernunft und Verhältnismässigkeit überprüfen und, wo angezeigt, die mehrfach angesprochene pädagogische Eigenverantwortung wahrnehmen. Denn im Zug der kritischen Lehrplanlektüre kann man sich zum Ziel setzen, vorhandene Freiräume zu erkennen, sich nicht auf die Übersichtsdarstellungen von Stoff, Inhalten und Zielvorgaben zu beschränken, die Passagen aufzuspüren, welche zur Förderung von Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Selbstkompetenz aufrufen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird man erkennen, dass Lehrpläne erlauben, solche emanzipatorischen Ziele gleichberechtigt neben andere Lern- und Bildungsziele zu stellen. Mehr noch, viele verlangen es und liefern oft sogar geeignetes Material dazu.

      Lernstoff ist Stoff, an dem man interessiert ist, Stoff der eigenen Wahl. Man kann die Lehrplanthemen auf ganz unterschiedliche Art zur Disposition stellen und darauf zählen, dass gewählter Lehrstoff zum Lernstoff wird, zum Beispiel so:

      a)Wahl der Themenreihenfolge durch die Klasse (die meisten Schullehrpläne beinhalten Wahlfreiheiten, andere schliessen sie nicht aus).

      b)Lernende bestimmen am Schuljahresbeginn ihre Themenpräferenz und können zusätzlich einen Vertiefungsjoker einsetzen. Das Präferenzthema wird teilweise oder überwiegend durch die Lernenden vorgestellt. Mit dem Vertiefungsjoker kann man tiefer in weiteres Stoffgebiet eindringen und wird dafür von anderem entlastet (zum Beispiel von Lernzielkontrollen oder der Prüfung, indem das Resultat der Vertiefung bewertet wird).

      c)Verteilung der Themen (ganzer Lehrplan oder auch nur eine Sequenz) auf die Lernenden nach freier Wahl. Diese vertiefen sich zu ihrem Thema aufgrund eigener Fragestellungen und Prioritäten und übernehmen dann, wenn das entsprechende Thema in der ganzen Klasse zur Sprache kommt, eine spezielle Funktion, zum Beispiel Moderator, Vermittler/Inputgeberin, Experte, Prüferin/Prüfungserstellerin …

      d)Ergänzungsvariante zu c) Die jeweilige Themenspezialistin amtet während einer längeren Phase als Themensachwalterin, beauftragt, laufend Aktualitäten zu sammeln, und bei Gelegenheit (z. B. Tagesaktualität, Exkursion …) auch autorisiert, ein Zeitfenster im Unterricht zu beanspruchen (Input, Diskussion …).

      Anfänge[4]

      Der Start in eine neue Lebensphase ist immer bedeutsam, auch lernpsychologisch. Das gilt genauso für «kleine» Anfänge wie ein neues Schuljahr oder den Beginn eines Schultags. Von sich selbst kennt man den Nachhalleffekt von ersten Eindrücken, die Beharrlichkeit von Erstdeutungen und die Schwierigkeiten, solche Primärurteile zu korrigieren. Möglicherweise liegt darin ein tief verborgener Grund für die Einstiegsgags und «Motivationsvideos» zum Unterrichtseinstieg – und auch ein Irrtum. Anders, als das ein Shoppingcenter tun muss, kann die Schule darauf verzichten, ihr Publikum anzulocken, es kommt, weil es muss. Es wäre ein seltsames pädagogisches Verständnis zu glauben, man müsse die Schülerinnen und Schüler zu Beginn für ihr Kommen belohnen und aufheitern, damit sie die Unbill des restlichen Schultags besser ertragen. Nichts gegen originelle Unterrichtseinstiege oder Themeneinführungen, sofern sie einen funktionalen Zusammenhang mit dem Nachfolgenden haben. Alleweil besser ist indes, wenn der Stoff selbst auf Interesse stösst und nicht nur das Eingangstor dazu.

      Neugierde und Lernerwartungen zu Beginn der neuen Lebensphase Berufsausbildung kann man kaum wirksamer sabotieren als mit dem, was gemeinhin als «frühzeitig Pflöcke einschlagen» bezeichnet wird: mit der Bekanntgabe von Regeln, Normen, Verboten und Sanktionen am ersten Schultag, mit dem Aufbau einer Drohkulisse von weit in der Zukunft liegenden Leistungs- und Prüfungsnormen. Geht man von Lernbedürfnissen, von Neugierde und einem gewissen Wissensdrang aus – wovon sollen Lehrpersonen denn sonst ausgehen? –, ist eine solche Initiation in die Berufsfachschule ein kräftiger und nachhaltiger Dämpfer und bester Nährboden für spriessende Lernhemmungen. Gleiches gilt für die anschliessenden Standortbestimmungen in Deutsch und Mathe, da helfen auch keine Beschwichtigungen der folgenden Art: «… ist nicht notenwirksam ...», «… nur im Interesse der Schüler/innen …».

      Die Neugierde adressatengerecht abrufen, echtes Interesse demonstrieren gegenüber den Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler, das Lernangebot so schmackhaft präsentieren, wie das Konsumentinnen und Konsumenten nun mal gewohnt sind, sind die Alternativen zur lernkillenden Pfählerei, zu subtilen Machtdemonstrationen oder zum Spiegeln von Defiziten. Als Klarstellung: Ich unterstelle niemandem derartige Absichten, ich erwäge lediglich denkbare Rezeptionsmuster

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