Lernen ist meine Sache (E-Book). Dagmar Bach
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Führen wir uns Typ D vor Augen, bei dem schon x-fach das Ungenügen aufgedeckt wurde, der Glaube an Selbstwirksamkeit und Lernerfolg aufs Kleinstmass geschrumpft ist. Es bieten sich grundsätzlich zwei Ansatzpunkte an. Wenig erfolgversprechend sind die Konfrontation mit dem eigenen Ungenügen und der anschliessende Wink mit einem passenden Förderangebot, unbesehen, ob dieser Wink als Lockruf oder als Ultimatum daherkommt. Der bessere Ansatzpunkt heisst: Ressourcen fördern statt Defizite bearbeiten. Typ D benötigt Erfolgserlebnisse, Erfahrungen von erlebter Selbstwirksamkeit und Gehör für seine Lern- und Entwicklungsbedürfnisse. Dabei ist kaum zu erwarten, dass solche Bedürfnisse den Lernenden des Typs D auf die Stirn geschrieben oder ausformuliert abrufbar seien, es braucht eine gemeinsame Suche, manchmal auch Geduld und Zeit, bis sie stimmig vorliegen. Ein personalisierter Lern- oder Entwicklungsplan, ausschliesslich für D gültig und von D vollumfänglich verstanden und akzeptiert, ist die Grundlage für kleine Schritte auf dem eigenen Lernweg, auf dem jedes erreichte Etappenziel ein Erfolgserlebnis ist.
Wenn das simple Rezept heisst: Ressourcen fördern statt Defizite bearbeiten, dann sind die Ingredienzien dazu: ein positiver Erhebungskontext, individuelle Stärken, persönliche Ressourcen, personalisierte und einvernehmliche Förderplanung.
•Positiver Erhebungskontext: Ressourcen und Lücken erfasst man sinnvollerweise in einem positiv besetzten Kontext. Anstelle von Erhebungsinstrumenten, die fast zwangsläufig mit Testgeruch und der Gefahr des Scheiterns behaftet sind, bieten sich pädagogische Beobachtungen im Rahmen von «lustvollen» (man verzeihe die Übertreibung) Lernprozessen an. Für eine «Lernstanderhebung Deutsch» eignet sich zum Beispiel ein Text am ersten Schultag, in dem die Lernenden ihre Erwartungen und Interessen formulieren, die mündliche oder schriftliche Auswertung eines Interviews mit der betrieblichen Berufsbildnerin oder zu Papier gebrachte Zukunftsvisionen.
•Individuelle Erfolgsfaktoren sichtbar machen: Von persönlichen Erfolgen ausgehen ist ein probater Weg, um individuelle Stärken zu erkennen. Zum Beispiel die Suche nach dem Wie, dem Wann und dem Warum im Anschluss an Fragen der folgenden Art: Wo habe ich mich durchgesetzt? Weshalb habe ich die Lehrstelle bekommen? Woran erinnere ich mich gerne aus der Schulzeit (oder aus anderen Lebenskontexten)? Daraus liesse sich dann ein Stärkeprofil zeichnen, ein Ressourcenfundament, das im weiteren Schulverlauf immer mal wieder konsultiert werden kann.
•Persönliche Ressourcen anzapfen: Was nützen Stärken, wenn sie brachliegen, wozu Ressourcen kennen, wenn sie hintanstehen müssen? Für die Förderplanung sollte man postulieren: An der Bearbeitung eines jeden «defizitären» Förderelements sollten mindestens zwei individuelle Stärken mitbeteiligt sein. Wie soll man sich das vorstellen? Eine Schülerin mit Mühe bei mathematischen Proportionen, die gerne nach eigenen Rezepten kocht und beschlagen im Internet navigiert, könnte beispielsweise Rezepte im Internet suchen, diese auf die Menge für ihre siebenköpfige Familie umrechnen und in einem persönlichen Kochbuch editieren.
•Personalisierte[2] Lernplanung: Der Förderbedarf wird in aller Regel in Form individuell erhobener Defizitprofile erfasst (im Beispiel von soeben: Probleme bei Proportionen). Auch vermeintlich gleiche oder ähnliche Defizitprofile haben in ihren Ursachen und Implikationen sehr unterschiedliche Grundmuster. Folgerichtig muss auch die Förderplanung eine personalisierte sein, abgestützt auf die Erhebungsbefunde und die Implikationen. Darüber hinaus, weil Lernen nicht gegen den Willen der lernenden Subjekte erfolgen kann, sollte die Förderplanung eine einvernehmliche sein. Etwa die Gestaltung eines Kochbuches, um das mathematische Problem mit den Proportionen zu bearbeiten.
•Einvernehmliche Förderplanung: Ausgangspunkt einer pädagogischen Lernförderung ist eine personalisierte, einvernehmliche Lernvereinbarung. Einvernehmlich heisst mehr als mit der Unterschrift des Lernenden versehen, es setzt voraus, dass die Zielsetzung genuin die der Lernenden ist und die Teilschritte auf das Ziel hin verstanden sind, und zwar inhaltlich und quantitativ. Der Dialog, der einer solchen Vereinbarung zugrunde liegt, muss neben der Einvernehmlichkeit auch sicherstellen, dass die Ressourcen (Interessen, Stärken, Vorlieben) gebührend zum Zuge kommen, will heissen, beansprucht werden. Für diesen Dialog muss man ausreichend Zeit einräumen, sich mit eigenen Lösungsvorschlägen zurückhalten und unbedingt darauf achten, dass die Grundregeln für das Erstellen von personalisierten Lern- und Entwicklungsplänen eingehalten werden:
–Der Gesprächsanteil der beratenden Person soll nicht grösser sein als derjenige der lernenden Person.
–Zwingend enthalten solche Pläne Ziele und idealerweise auch Optionen, die von der lernenden Person selbst stammen.
–Unterschreiben müssen die Pläne vor allem diejenigen, die damit eine Verpflichtung eingehen. Das ist fast ausnahmslos die lehrende Partei, in seltenen Fällen die Lernenden, und nur in jenen Ausnahmefällen sind es Dritte wie Eltern oder Berufsbildner, wenn ihnen eine Funktion übertragen wird.
–Lern- und Entwicklungspläne sind weder Kontrollinstrumente noch Lügendetektoren. Eine Berufsbildner-Unterschrift hat oft nur reinen Kontrollzweck. Und weshalb sollte die Lernende unterschreiben, wenn man ihr glaubt, dass sie das erreichen will, was geplant ist? Glaubt man ihr jedoch nicht, ist der Plan nichts wert.
–Lern- und Entwicklungspläne müssen die jeweils aktuellen Lern- und Entwicklungsbedürfnisse wiedergeben. Wenn das nicht mehr zutrifft, sind sie neu zu justieren.
Lern- und Entwicklungspläne eignen sich sehr gut als personalisierte Förderinstrumente in unterschiedlichen Unterrichts- und Lernsettings: in individualisierten Stützkursen, im Rahmen von institutionalisierter Aufgabenhilfe oder auch eingebettet in den obligatorischen Unterricht. Ein idealer Rahmen für die Erstellung einvernehmlicher Lern- und Entwicklungspläne sind Coachinggespräche (vgl. Text von D. Bach), detaillierte Ausführungen zum Inhalt finden sich im Text von J. Eigenmann.
Konzeptionelle Lernförderung
Pädagogische Lernförderung ist die zweckmässige Antwort auf prekäre Schulleistungen. Es wäre allerdings eine ziemlich technische Sicht der Dinge, wenn derlei Bemühungen sich auf die Anfangsphase der Ausbildung beschränkten im Glauben, ein erkanntes Defizit sei nichts als eine Lücke, die, einmal aufgefüllt, für alle Zeit geschlossen bleibe. Leistungsabfall, gesteigerte Lernhemmnisse und dergleichen können zu jeder Zeit manifest werden, es gibt keinen plausiblen Grund dafür, solches nur in der Anfangsphase zu beachten.
Ein zweiter Kurzschluss aufgrund eines technisch verkürzten Bildungsverständnisses ist der, dass der Förderbereich eine zudienende Reparaturwerkstatt sei, abgekoppelt vom Normalbetrieb und mit einem unterschiedlichen pädagogischen Konzept. Diesen Kurzschluss vermeiden heisst in letzter Konsequenz, dass pädagogische Förderkompetenz in der Schulkultur verankert werden muss und nicht an einige wenige Spezialistinnen und Spezialisten delegiert werden kann.
Soll Lernförderung als ein allgemeiner Bildungsauftrag einer Schule verstanden, sollen also die Grundregeln für erfolgreiches Lernen nicht in den abgesonderten Förderbereich verbannt werden, dann führt kein Weg an einer konzeptionellen Lernförderung vorbei. Das wäre nichts mehr und nichts weniger als ein schulweites pädagogisches Konzept, das Lernen und Entwicklung in den Vordergrund stellt. Was spricht dagegen? Vielleicht das, dass viele Gepflogenheiten überdacht und manches über Bord geworfen werden müsste, was bisher unbefragt als gültig angenommen wurde.
Lernbehinderungen vermeiden
Der Weg zum erfolgreichen Lehren führt über die Einsicht, dass der oder die Lernende das Subjekt des eignen Lernens