Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage). Geri Thomann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage) - Geri Thomann страница 13
Diese Ansprüche und Aspekte dienen uns als Leitlinien, um unterschiedliche lerntheoretische Ansätze in ihrer Tragfähigkeit zu beurteilen, wie dies auch Faulstich vorgenommen hat (2008).
In der Lernpsychologie dominieren behavioristische und kognitivistische Ansätze (das Folgende ist nah angelehnt an Haberzeth 2010). Dabei wird zunehmend auf neurophysiologische Befunde der Hirnforschung zurückgegriffen. Behavioristische Positionen konzentrieren sich auf beobachtbares Verhalten. Sie versuchen, menschliches Verhalten auf der Grundlage von Reiz-Reaktions-Verbindungen zu erklären. Verzichtet wird dabei auf den Einbezug psychischer (Innen-)Vorgänge zur Erklärung von Lernen. Dass behavioristische Positionen in der Lernpsychologie nach wie vor stark vertreten sind, lässt sich etwa in den Lehrbüchern von Edelmann/Wittmann (2012) und Mielke (2001) ablesen. Zentrale Begriffe sind etwa Reiz und Reaktion, bedingter und unbedingter Reflex sowie Kontingenz. Es geht um operantes Konditionieren oder um verschiedene Formen der Lernverstärkung wie positive Verstärkung oder Bestrafung. Behavioristische Ansätze eignen sich allerdings kaum dafür, die Komplexität menschlichen Lernens adäquat abzubilden, sie beschreiben vielmehr Spezialfälle menschlichen Verhaltens, zu denen es dann kommt, wenn Menschen in ihrer Sichtweise so stark eingeschränkt sind, dass sie nur noch auf einzelne Aspekte der Umwelt reagieren. Zugleich werden die immer gegebenen Gründe des Handelns nicht beachtet und Zielperspektiven des Lernens bleiben aussen vor.
In Abgrenzung zu behavioristischen Ansätzen haben sich kognitivistische Positionen entwickelt. Sie brechen das Black-Box-Modell auf und beziehen mentale Vorgänge mit ein. Denk- und Verstehensprozessen kommt eine entscheidende Rolle zu. Lernen wird als Informationsverarbeitung konzipiert: Zum Beispiel müssen im Unterricht mitgeteilte Informationen von den Lernenden decodiert und in das Gedächtnis aufgenommen und dort verarbeitet werden (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 24 ff.). Gearbeitet wird häufig mit der Metapher des menschlichen Gehirns als Computer. Der Kognitivismus trägt zu einer erheblichen Komplexitätserweiterung bei, gleichzeitig kann er Aspekte menschlicher Psyche jenseits von Kognition nicht aufnehmen und Menschen nicht zugleich in soziale Bezüge einbetten. Wir bleiben so stark mentalen Prozessen verhaftet, ohne Lernende zu kontextualisieren, also ihn in ihre Lebenswelt einzubetten.
In den letzten Jahrzehnten sind konstruktivistische Ansätze stark beachtet worden (siehe auch 1.2. in Kapitel IV). Im Gegensatz zum Kognitivismus wird Lernen nicht als Informationsverarbeitungs-, sondern als Konstruktionsprozess begriffen (vgl. Göhlich/Zirfas 2007; Faulstich 2008). Wissen wird nicht mehr oder weniger passiv aufgenommen und verarbeitet, sondern das Subjekt baut aktiv Wissen auf. Ernst von Glasersfeld, ein zentraler Vertreter des Konstruktivismus, betrachtet entsprechend Wissen nicht als «Repräsentation einer vom Erlebenden unabhängigen […] Welt […], sondern unter allen Umständen als interne Konstruktion eines aktiven, denkenden Subjekts» (Glasersfeld 1998, S. 503). In der Erwachsenenbildung wurden konstruktivistische Positionen breit rezipiert, insbesondere von Horst Siebert. Bei ihm mündet die Reflexion des Konstruktivismus in der didaktischen Konsequenz: «Erwachsene sind zwar lernfähig, aber unbelehrbar» (2012, S. 35). Er wendet sich damit gegen eine Abbildvorstellung von Lehren und Lernen, der die Auffassung zugrunde liegt, dass Teilnehmende das lernen, was gelehrt wird. Betont wird hingegen die Eigensinnigkeit der Lernenden; es wird nur das angenommen, was als grundsätzlich viabel, also gangbar erlebt wird.
Seit einigen Jahren besonders einflussreich sind neurophysiologisch geprägte Positionen zum Lernen. Mit stark verbesserten bildgebenden Verfahren wird versucht, Gehirnaktivitäten sichtbar zu machen und im Gehirn einzelne Zentren und Felder für bestimmte Funktionen (Sprache, Emotionen etc.) zu identifizieren. Besonders bedeutsam geworden ist die Vorstellung einer neuronalen Plastizität (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 11): Ausstattung, Erregungsübertragung und Gestalt der Neuronen kann sich langfristig ändern. Definitionen von Lernen entsprechen dieser Vorstellung: «Lernen bedeutet Modifikation synaptischer Übertragungsstärke» (Spitzer 2003, S. 146). Von Seiten der Erziehungswissenschaft werden neurophysiologische Positionen zum Teil heftig kritisiert. Kern der Kritik ist, dass Lernen als ein materieller Prozess identifiziert wird und dass entsprechend Sinn als Basis menschlichen Handelns und damit auch Lernens ausgeblendet wird.
In den Bildungswissenschaften ausführlicher diskutiert werden weiterhin phänomenologische Ansätze und seit Jahren stark auch subjektwissenschaftliche Positionen. Phänomenologische Ansätze (z. B. Meyer-Drawe 2003) richten ihren Blick nicht nur auf die Resultate des Lernens, den Wissenserwerb, sondern auf Lernen als Prozess und als Erfahrung in einem umfassenderen Sinn: «Lernen bedeutet immer auch die Geschichte des Lernenden selbst, den konflikthaften Prozess seiner Veränderung» (Meyer-Drawe 2003, S. 506).
Eine für die Erwachsenenbildung zentrale, stark beachtete, subjektwissenschaftliche Position geht von den Arbeiten Klaus Holzkamps (1995) aus. Grundsätzlich geht es Holzkamp darum, Lehren und Lernen voneinander analytisch zu trennen und Lernen als eine eigenständige Aktivität theoretisch zu fassen. Lernen wird als ein Aspekt des aus Lebensinteressen vom einzelnen Menschen begründeten Handelns begriffen. Zum Lernen kommt es insbesondere dann, wenn Hindernisse im Handlungsvollzug auftreten und wenn dabei antizipiert wird, diese Hindernisse durch Lernen überwinden zu können. Lernen wird als nicht von aussen bedingt, sondern als vom Subjekt, vom Lernenden, begründet gesehen. Entsprechend kritisiert Holzkamp die Vorstellung, dass Lehre automatisch zu Lernen führt. Er nennt diese Vorstellung Lehr-Lernkurzschluss.
Wir sehen für die Erwachsenen- und Weiterbildung insbesondere diese subjektorientierte Position als weiterführend, ohne andere Ansätze grundsätzlich zu missachten. Dennoch sind beim Lernen Erwachsener gerade die folgenden Aspekte dieses Ansatzes als Leitlinien tragfähig:
●Die Sichtweise der lernenden Person wird in den Mittelpunkt gestellt.
●Dabei erfolgt Lernen nicht als von aussen verursachtes, sondern als vom Lernenden begründetes Handeln
●Die subjektive Bedeutsamkeit des Lerngegenstands oder des Lerninhalts ist für Lernen oder Nicht-Lernen wesentlich.
●Lernen erfolgt in einer Verbindung mit eigenen Berufs-, Arbeits- und Lebensinteressen und verbindet sich mit dem Versuch, die eigene Lebensqualität zu erhöhen.
●Mögliche Lernwiderstände sind keine Störungen, sondern lassen sich als begründete Handlungen begreifen, die es zu verstehen gilt.
Wir bewegen uns weg von der üblicherweise zentral gestellten Frage «Wie können wir optimal lehren?» hin zu der Frage «Was ist notwendig, damit die Lernenden besser lernen können?». Es geht darum, «expansives» (im Gegensatz zu einem «defensiven») Lernen zu fördern. Als Elemente einer entsprechenden subjektorientierten didaktischen Position können gelten:
1.Teilnehmenden-Orientierung: sich über Ausgangsbedingungen klar werden, anzuknüpfen an TN-Erfahrungen, Transparenz und Aushandlung des Vorgehens
2.Problembezug: konkrete Handlungsmöglichkeiten oder -probleme in der Arbeits- und Lebenswelt in den Mittelpunkt stellen
3.Handlungsorientierung: die Teilnehmenden in die Lage zu versetzen, selber handeln zu können
4.Methodenoffenheit: Vielfalt der Aneignungsformen nutzen von Unterricht über Gestalten bis reales Handeln
5.Selbsttätigkeit: Eigenaktivität der Teilnehmenden fördern und zulassen
6.Gruppenbezug: