Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage). Geri Thomann
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Oben wird erwähnt, dass die biografische Rückbindung ein wesentlicher Aspekt von Erwachsenenlernen ist: «Lernen als lebenslanger Prozess ist nicht nur ein momentanes Sich-Einlassen auf situative Problemlagen, sondern immer auch ein biographisches Projekt. Zwar nehmen die Lernherausforderungen, zum Teil auch die Lösungsoptionen zu, die an Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenslagen herangetragen werden. Ihre Umsetzung und Verwirklichung aber geschieht ‹gebrochen› durch die sich allmählich im Laufe eines Lebens zu einer Individualität aufschichtenden Muster und Strukturen, in die auch alle Lernerfahrungen eingegangen sind. Didaktisch angeleitete Ermöglichung individuellen Lernens geschieht so in einem kreativen Spannungsverhältnis mit diesen lebensgeschichtlich erworbenen, habitualisierten und Lernen auch begrenzenden Gestaltungsstrategien» (Arnold u.a. 2000, S. 7). Die biografische Prägung von Lernenden kann nicht abgestreift werden, sie kann Lernenden aber reflexiv bewusster gemacht und damit auch in ihrer Bedeutung für das (eigene) Lernen eingeschätzt werden.
3.2Die bildungsbiografische Methode
«Das Leben kann nur rückwirkend verstanden werden. Es muss aber vorausschauend gelebt werden.»
Søren Kierkegaard
Es ist damit zu rechnen, dass im Zuge des «lifelong learning» im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen die Heterogenität von Teilnehmenden bezüglich Herkunft, Alter, Potenzial, Motivation etc. steigt. Einzelne Lebensverläufe werden trotz normativer Vorgaben variabel und kritische Lebensereignisse, Krisen und Brüche begleiten solche Lebensentwürfe; sie stellen damit hohe Anforderungen an Lehr- und Lernfähigkeiten in den Bildungsprozessen aller Beteiligten.
Unter Biografie verstehe ich hier die Gesamtheit aller Ereignisse, Erfahrungen und Handlungen, welche bewusst oder unbewusst unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Es handelt sich also eher um die durchaus auch subjektiv gefärbte «Lebensgeschichte» als um den aus äusseren Daten zusammengesetzten «Lebenslauf» (vgl. Behrens-Cobet/Reichling 1997, Gudjons et al. 2008, Alheit in: Lenz 1994).
Folgende Grafik zeigt Aspekte auf, welche für unsere Bildungsbiografie bedeutsam sein könnten, wobei ich hier – auch im Gegensatz zum Begriff «Lernen» – unter Bildung nicht (institutionell) geplante und organisierte Prozesse, sondern bewusste und unbewusste, umfassend prägende und gestaltete Erfahrungen und Erlebnisse verstehe.
BILDUNGSGESCHICHTEN IM KONTEXT
In der dreijährigen berufsbegleitenden Ausbildung zum/zur Erwachsenenbildner/in an der aeB Akademie für Erwachsenenbildung arbeiteten Teilnehmende mit Lehrenden zu Beginn der Ausbildung während sechs Tagen in folgenden Schritten an der eigenen Bildungsbiografie, deren Austausch und einem daraus resultierenden persönlichen Lernvertrag als Extrakt und Konglomerat. Sie formulierten Ziele zusätzlich zu den curricularen Ausbildungszielen und dem formalen Ausbildungsvertrag vor allem im Bereich personaler und sozialer Kompetenzen; diese Ziele evaluierten Lernende, Mitlernende und Kursleitende nach einer definierten Ausbildungsphase von Lernenden (u.a. durch einen Reflexionsbericht), was dann wiederum zu neuen Zielformulierungen führte.
Diese Art von Lernen könnte man auch als «Kontraktlernen» (vgl. Füglister 1997, S. 207) bezeichnen.
Schritte zur Erarbeitung der Bildungsbiografie
1.Erinnern an prägende Erfahrungen, Erlebnisse, Menschen, Orte und Institutionen
2.Individuelles Vorbereiten auf mündliche Präsentation der Biografie
3.Mündliches Präsentieren in Kleingruppen
4.Schreiben der Bildungsbiografie
5.Analysieren der Bildungsbiografie in Kleingruppe (Erkenntnisse ableiten)
6.Lernen in Institutionen – Reflexion
7.Erfassen der persönlichen subjektiven Lernkonzeption
8.Erstellen des Lernvertrags für das persönliche Lernen in der Ausbildung
9.Einführung ins Lerntagebuch
10.Verknüpfen der Bildungsbiografie mit psychologischen, soziologischen und didaktischen Erkenntnissen im Verlaufe der Ausbildung
Beispiel eines persönlichen Lernvertrages einer Studierenden eines aeB-Diplomkurses in Erwachsenenbildung:
Lernkonzeption
●Ich lerne, sobald die Richtung oder das Thema genügend klar definiert ist und ich – um den Überblick zu behalten – meine Sicht der Dinge nach meinem Dafürhalten verbessern und erweitern kann.
●Ich lerne, indem ich Neues mit meinem bestehenden Denken und meinen Erfahrungen verknüpfe. Gelingt dies nicht, löst dies oft Verwirrung oder gar Krisen aus.
●Bestehendes und zu erarbeitendes Wissen/Können anderen weiter zu vermitteln, motiviert mich sehr. In diesem Prozess lerne ich selber sogar mehr als die «Empfänger».
●Ohne realistische Zielvorgaben meinerseits (zur Verfügung stehende Zeit, Stofftiefe/Fertigkeit, die erreicht werden soll) besteht die Gefahr, dass ich mich in Details verliere oder die Lernarbeit vor mich hin schiebe.
●Erfolg motiviert mich stark.
Lernziele
Entwicklung meiner personalen Kompetenz
●Bei Meinungsdifferenzen will ich die Herausforderung annehmen, die Position des Gegenübers sachlich wahrzunehmen und meine eigene Position ebenso sachlich darzulegen.
●Betrifft mich eine bestimmte Situation emotional, will ich dies in angemessener Weise innerhalb der Gruppe und gegenüber Einzelnen kommunizieren.
Entwicklung meiner sozialen Kompetenz
●Ich will in der Lerngruppe rasch in eine «Mitkämpfer»-Rolle gelangen und transparent punktuelle Führungsverantwortung übernehmen, ohne dabei dominant zu wirken; d. h., mein Verhalten soll stets die Zusammenarbeit fördern und Beiträge anderer zum Tragen bringen.
Lernmethoden
●Indem ich für mich konkrete Lernzielkontrollen durchführe und sowohl von der Lerngruppe als auch von ausgewählten Mitlernenden ein konkretes Feedback verlange, schaffe ich Klarheit über meinen Lernfortschritt.
●Für grössere Lerneinheiten will ich mir einen Lernplan erarbeiten und überprüfbare Zwischenziele formulieren.
●Wenn ich Informationen vermittle, soll dies kurz, klar und prägnant geschehen. Wann immer möglich, will ich meine Aussagen mit visuellen Mitteln unterstützen.
●Im eigenen Berufsfeld will ich ein grösseres Lernprojekt realisieren (z. B. ein Ausbildungs- oder Weiterbildungskonzept).
Die Grundlagen der biografischen Methode entstammen einer Lebensphilosophie, die anfangs