Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage). Geri Thomann
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Sozialisationebenen sind nach Tillmann (2017, S. 23):
SOZIALISATIONSEBENEN
aus: Tillmann 2017, S. 23
Sozialisierende Systeme sind laut Hurrelmann und Bauer (2018, S. 181):
aus: Hurrelmann und Bauer 2018, S.181
Nun sind die dargestellten Ebenen und «Mitsozialisatoren» erstens noch nicht berufsspezifisch fokussiert, zweitens wirken sie eher statisch.
An der beruflichen Sozialisation interessiert uns die chronologische Entwicklung eines «Sozialisanden», also das, was berufsspezifisch in einer zeitlichen Professionalisierungachse mit einer Berufsperson geschieht oder was sie mit sich macht resp. machen lässt.
Unter den Stufen oder Phasen von beruflicher Entwicklung wird meist die «Initiationszeit» (Anfängerjahre) als «Sozialisation» im Sinne von Anpassung bezeichnet; gemeint ist damit die prägende Anfangsphase, in der die berufliche Sprache, der Jargon, das spezifische Verhalten und andere Werte, Normen und Fähigkeiten meist implizit gelernt werden. Selbstverständlich beschränkt sich Sozialisation im eigentlichen Sinn nicht auf diese Anfangsphase.
Im Folgenden zeige ich drei in ihrer Reihenfolge an Komplexität zunehmende Phasenmodelle der beruflichen Sozialisation im Sinne der angesprochenen Professionalisierung.
Modell A: Vom Überleben zur Routine
Fuller und Brown entwickelten (in: Dick 1997, S. 29, 1996, S.48) ein Konzept mit drei Entwicklungsstufen von Lehrenden:
1. survival stage
Hier ist die Lehrperson vorwiegend mit sich selber als Person beschäftigt.
2. mastery stage
Hier steht die didaktisch-methodische Gestaltung des Unterrichts im Zentrum, die Lehrperson ist mit sich als Lehrperson beschäftigt.
3. impact stage (oder routine stage)
Solche Entwicklungsstufen sind nicht in sich geschlossen und Phasenübergänge nicht stets klar zu orten.
Eine Lehrperson mag trotz Routine in einer schwierigen Situation wieder im Überlebenskampf sein, einer anderen Lehrperson dagegen hilft methodisch-didaktische Gestaltung zu «überleben». Dennoch sprechen viele Lehrende von den – ihren Worten gemäss – lehrreichen «Überlebensjahren», in denen sie mit theoretisch Erlerntem nicht viel anfangen konnten, sondern einfach handeln mussten. Dass «mastery» oder sogar «routine» nicht durch eine theoretische «Rucksackausbildung» erzeugt werden kann, zeigt sich hier, ebenso wie der Umstand, dass einer angepassten begleitenden Weiterbildung innerhalb fortschreitender Professionalisierung zentrale Bedeutung zukommt.
Modell B: Entwicklungsverläufe in Lehrer/innenbiografien
Hubermann (1991 in: Terhart 1998, S. 573) entwickelte ein differenziertes Modell von beruflichen Entwicklungsverläufen in Lehrerbiografien. Obschon damit nicht explizit Ausbildner/innen für Erwachsene beschrieben werden, kann dieses Modell zweifelsohne auch Fachleuten der Weiterbildung als Anregung dienen:
ENTWICKLUNGSVERLÄUFE IN LEHRER/INNENBIOGRAFIEN
Hubermann 1991 in: Terhart 1998
Überleben und Entdecken sind während des Berufseinstiegs die zentralen Motive (etwa für die ersten drei Jahre). Wer einige Jahre überlebt hat, darf sich eine Stabilisierungsphase gönnen, in der man sich mit der Berufsrolle identifiziert (ca. 4.–6. Jahr).
Danach verzweigt sich die Entwicklung, die eine Gruppe schöpft «aus dem Vollen», wagt Neues, experimentiert auf sicherem Boden, die andere muss ihre Situation neu bewerten, zweifelt, gerät in eine Krise.
Nicht einmal die Hälfte dieser Lehrenden erreicht nach Hubermann eine Lösung der Krise, zahlreiche resignieren in der 4. Phase, werden zynisch und manifestieren Burn-out-Syndrome, andere erschliessen sich neue Perspektiven und erleben einen zweiten Frühling.
Mit der Zeit finden erfolgreiche Lehrende Distanz und Gelassenheit, um sich in der letzten Berufsphase allmählich zurücknehmen zu können.
Hubermann argumentiert mit seinem Stufenmodell auf Basis der Daten von Lehrenden mit langjährigen Berufslebensläufen; interessant wäre es, darüber nachzudenken, wie sich «Stabilisierung» beim heute zunehmenden Wechsel von Arbeitgebern und Arbeitsorten, aber auch durch vermehrte Veränderung von Gruppenzusammensetzungen bei immer wieder erzwungenem «Entdecken» durch Neuanfänge entwickeln kann.
Vielleicht erstarren wir ja weniger in Routine, wenn wir sozusagen dauerhaft mit einer Portion «survival» herausgefordert werden …
Die Stärke dieses Modells besteht in der realistischen Berücksichtigung möglicher schwieriger Entwicklungen zu Frustration und Resignation.
Im Gegensatz dazu wirken sowohl das Konzept von Fuller und Brown als auch das nächste Modell eher als normativ optimistisch (wie «es» sein müsste).
Modell C: Das Novizen-Experten-Paradigma
Aus Kognitionspsychologie und in spezifischer Modifikation aus der Pflegedidaktik des Gesundheitswesens (Benner 2017) kennen wir das Novizen-Experten-Paradigma (vgl. Messner/Reusser 2000, S. 162), in dem berufliche Entwicklung als sukzessiver Aufbau von professioneller Fähigkeit und Professionswissen verstanden wird.
Das Konzept beruht unter anderem auf einem Modell des Kompetenzerwerbs, das der Mathematiker S. Dreyfus und der Philosoph H. Dreyfus auf der Grundlage von Untersuchungen an Schachspielern und Piloten entwickelt haben. Grundsätzlich betont es, dass vor allem Experten über viel «Know-how»-Wissen verfügen, ohne dazu im Sinne von «Know-that» Erklärungen geben zu können.
Wissen und Können «rutschen» somit in die Bereiche des Vor- und Unbewussten und werden damit zu schlecht erklärbarem «Erfahrungswissen».
Beispielsweise dürfte es uns schwerfallen, genau zu erklären, wie wir schwimmen gelernt haben oder wie wir dies heute genau tun. Wir – oder die meisten von uns – können es «einfach». Paradoxerweise müssen wir uns aber, wenn wir als Schwimmlehrer Anfänger sind, in unserer Vermittlungstätigkeit an standardisierte und generalisierte Vorgaben anderer (Experten, Lehrmittel) oder an unsere «Intuition» – welche vielleicht so etwas wie unbewusstes Erfahrungswissen darstellt – halten.
Steht nun die standardisierte Vorgabe im Widerspruch zu meiner «Intuition» oder meinem unbewussten Erfahrungswissen, muss ich «Übersetzungsarbeit» leisten und die beiden Wissens- und Verfahrensformen untereinander sowie mit den Lernmöglichkeiten der Teilnehmer/innen in Einklang bringen.
Auch dass wir beispielsweise «einfach» schwimmen können, nützt