Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. Edgar H. Schein

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Prozessberatung für die Organisation der Zukunft - Edgar H. Schein

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Treffen teilnehmen, die internen Diskussionen verfolgen und anschließend einen Vortrag über Unternehmenskultur halten, in den ich Beispiele aus ihrer eigenen Diskussion einflechten sollte, um ihnen Feedback zu ihrer eigenen Unternehmenskultur zu geben. Bei Veranstaltungsbeginn und -ende sollte ich nicht aktiv werden, das Ganze war also anfangs geplant als eine am zweiten Tag der Veranstaltung stattfindende weiterbildende Intervention. Obwohl es nach außen hin hieß, bei dieser weiterbildenden Intervention solle den Direktoren nur aufbereitetes Material präsentiert werden, ging es insgeheim auch darum, sie dazu zu bringen, sich realistischer mit ihrer eigenen Kultur und den damit verbundenen Konsequenzen auseinander zu setzen.

       Mich interessierte dieses Unternehmen, außerdem wollte ich mehr über verschiedene Unternehmenskulturen lernen, die Abmachung erschien mir daher ideal. Ich erklärte mich mit den Vereinbarungen einverstanden und erfuhr dann, ich würde von Steven Sprague Näheres über das Meeting erfahren. Dieser war Vizepräsident geworden und unterstand direkt dem Chairman6 des Unternehmens. Wir vereinbarten für seine nächste Reise in die USA ein Treffen in New York. Sprague stimmte zu, ab diesem Zeitpunkt meine Spesen zu begleichen und mich nach meinen üblichen Stundensätzen zu bezahlen.

       Bei dem Treffen sprach Sprague ausführlich über die strategische Situation, in der sich das Unternehmen befand, und meinte, es sei von entscheidender Bedeutung, bei diesem Jahrestreffen einen Blick darauf zu werfen, ob der Kurs, den das Unternehmen eingeschlagen habe, noch Sinn mache oder ob er schneller verfolgt oder Geschwindigkeit weggenommen werden sollte; und wie die Gruppe der Topmanager auf die Entscheidung, egal wie diese ausfalle, eingeschworen werden konnte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, dass die Planung des gesamten dreitägigen Treffens Sprague unterstellt war und dass er mich nicht nur kurz unterrichten, sondern das gesamte Design mit mir durchgehen wollte.

       Bei dem ursprünglichen Anruf war es darum gegangen, dass ich einen Vortrag über Unternehmenskultur halten sollte, doch nun bat Sprague mich, als Experte bei der Planung des Jahrestreffens zu helfen, und erklärte sich zu meinem primären Klienten. Ich sah, wie ich die Rolle des Prozessberaters gegen die des Planungsexperten eintauschte, da wir die Planung des Meetings besprachen, ein Thema, über das ich offensichtlich mehr wusste als er. Diese Veränderung in meiner Rolle war uns beiden klar und wir machten sie explizit.

       Wir klopften die einzelnen Elemente des Meetings hinsichtlich der von Sprague angesprochenen Ziele ab und die Idee tauchte auf, es könne weiterhelfen, wenn ich während des gesamten Meetings als Prozessberater anwesend wäre. Da mein Terminkalender dies zuließ, entschied Sprague mit meinem Einverständnis, ich solle während des gesamten Treffens verschiedene Rollen übernehmen. Ganz zu Beginn des Meetings sollte ich mich kurz zu Kultur und Strategie äußern und meine Rolle erläutern. Diese Rolle sah vor, dass ich zu beobachten versuchen sollte, wie sich diese Themen im Verlauf des Meetings zu einander verhalten. Am zweiten Tag sollte ich meinen Vortrag über Unternehmenskultur halten und, ein entscheidender Punkt, die Sitzungen am dritten Tag leiten, also an dem Tag, an dem die Gruppen ihren Konsens hinsichtlich zukünftiger Strategieoptionen umreißen wollten.

       Bei diesen Konsensbereichen sollte es um Unternehmensstrategien gehen, doch es wäre für mich einfacher als für einen Insider, diesen Konsens zu überprüfen. Außerdem konnte der Chairman so eine beratende Funktion einnehmen. Daher erschien es uns beiden zweckmäßig, dass ich die Rolle des Konsensüberprüfers übernahm. Zudem war ich der Meinung, Sprague kenne den Chairman gut genug, um beurteilen zu können, ob er es für akzeptabel hielt, dass ein Außenseiter eine solche Rolle annimmt. Nach Spragues Verhalten während des Gesprächs zu urteilen, war er mit den Themen vertraut und kannte das Unternehmensklima gut. Ohnehin bot sich nicht mehr die Gelegenheit, den Chairman zu sprechen, ich musste diese Rolle also annehmen.

       Meine Teilnahme an diesen drei Tagen entwickelte sich wie geplant. Der Chairman fand es von Vorteil, auf jemand von außen Kommenden zurückgreifen zu können. Er hatte so das Gefühl, sich stärker auf den Inhalt konzentrieren zu können, auf die strategischen Probleme, mit denen sich die Gruppe herumschlug. Es erlaubte ihm ein Ausmaß an Freiheit, das er so nicht kannte, da er in den Meetings bisher immer sowohl den Berater als auch den Chairman gespielt hatte. Er erklärte den anderen leitenden Managern meine Rolle und übernahm die Verantwortung für die Entscheidung, mich in diesen verschiedenen Rollen dabeizuhaben.

       Meine aktiven Interventionen konzentrierten sich vor allem auf den Aufgabenprozess. Zum Beispiel versuchte ich gelegentlich einen Punkt zu verdeutlichen, indem ich wiederholte, was ich gehört zu haben glaubte, klärende Fragen stellte, Ziele wiederholte, den Konsens überprüfte, wenn man sich auf Übereinkünfte geeinigt zu haben schien, und die Bereiche protokollierte, in denen bereits Konsens erreicht worden war, um mich darauf in meiner Input-Sitzung zu beziehen. Als der Zeitpunkt für mein Feedback zur Unternehmenskultur gekommen war, beschränkte ich mich einleitend auf einige Definitionen und Beschreibungen der Unternehmenskultur als einer Sammlung von Grundannahmen, bat dann jedoch die Gruppe um Erläuterungen. Einige der Anwesenden wollten genauer wissen, wie ich ihre Unternehmenskultur empfände und bewerte, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen war es besser, hier vage zu bleiben, denn selbst wenn ich mit einer technisch unangreifbaren Antwort hätte aufwarten können, hätte dies zu Abwehr und Verleugnung führen können. Ich hörte nicht auf zu betonen, nur Insider könnten die entscheidenden Grundannahmen des Unternehmens wirklich verstehen, und forderte die Gruppe auf, mir dabei weiterzuhelfen.

       Am letzten Tag überprüfte ich offiziell den Konsens. Dazu strukturierte ich die diskutierten Themen und lud die Gruppe ein, ihre Ergebnisse vorzutragen, die ich dann auf Flipcharts schrieb, damit sie für alle deutlich sichtbar wurden. Da ich dabei ganz direkt vorging, konnte der Chairman seine eigenen Schlussfolgerungen freier äußern, ohne auf sein Recht zurückgreifen zu müssen, gegensätzliche Meinungen zu überstimmen. Da ich die drei Tage zugehört hatte, konnte ich viele Themen auf den Punkt bringen. Und ich zwang die Gruppe, Farbe zu bekennen, wenn ich den Eindruck hatte, die Mitglieder flüchteten sich in vage Aussagen. In dieser Rolle handelte ich teils als Prozessberater und teils als Managementexperte, indem ich manchmal die erreichten Ergebnisse kommentierte.

       Zum Beispiel war die Rede von einer Dezentralisierung in einzelne Geschäftseinheiten, was jedoch die Machtposition der bereits aufgebauten Geschäftseinheiten verringern würde. Die Hauptquartiere der Geschäftseinheiten befanden sich alle in der Heimatstadt, d.h. in Wirklichkeit wurde im selben Maße zentralisiert wie dezentralisiert. Ich stellte die Folgen heraus, die sich daraus für eine Reihe anderer Vorgehensweisen ergeben würden, wie den Transfer von Angestellten über Abteilungs- oder geographische Grenzen hinweg.

       Der Ausklang des Meetings war sehr positiv, und man beschloss, in einigen Monaten die Ergebnisse zu überprüfen. Als ich mich dazu mit Sprague traf, erfuhr ich, dass sowohl seiner Meinung wie der des Chairmans nach alles wie erwartet gelaufen war. Sie fanden beide, es habe, was Inhalt wie Ablauf angeht, sehr geholfen, mich als Outsider hereinzuholen, auf den man nach Bedarf zurückgreifen konnte.

       Merke: Der Berater muss bereit sein, in dem der Wirklichkeit des entsprechenden Augenblicks angemessenen Modus zu arbeiten. Der Beginn jeder Kontaktaufnahme zu einem Klienten hat im Prozessmodus stattzufinden. Nur so kann der Berater die Wirklichkeit des Klienten erkunden und herausfinden, womit genau er ihm am gezieltesten beim Umgang mit dieser Wirklichkeit helfen kann. Entsprechend der Entwicklung der Beziehung und der Veränderung des Klientensystems treten neue Rollen in den Vordergrund. Diagnose und Intervention sind nicht voneinander zu trennen.

      Fallbeispiel 1.2

       Verschobener Aufbau eines Teams bei Ellison Manufacturing

       Dieser Fall soll verschiedene Elemente der Prozessberatung verdeutlichen. Ich will mich nicht weiter darauf einlassen, wie ich in die folgende Situation geriet, sondern möchte hervorheben, was es bedeutet, gemeinsam Verantwortung für den Prozess zu übernehmen; dem Klienten die Verantwortung

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